Urteil des BVerwG vom 09.02.2010

Treu Und Glauben, Lehrer, Dienstzeit, Tatsachenfeststellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 64.09
VGH 4 S 1777/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 6. Februar 2009 wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Revisi-
onszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO liegt nicht vor.
1. Durch Änderung einer Verwaltungsvorschrift des Beklagten wurde ab Beginn
des Schuljahres 2003/2004 eine zuvor gewährte Altersstundenermäßigung für
Lehrer gestrichen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom
10. Januar 2006 - BVerwG 6 P 10.04 - entschieden hatte, dass die Änderung
der Mitbestimmung durch den Personalrat gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9
BaWüPersVG unterlag, beantragte der Kläger, zum Ausgleich der Nichtgewäh-
rung von Altersermäßigung in der Vergangenheit seine Regelunterrichtszeit
vorübergehend um eine weitere Stunde zu ermäßigen, hilfsweise Mehrarbeits-
vergütung zu gewähren. Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Der
Rechtsstreit wurde für den Zeitraum ab Nachholung des Mitbestimmungsver-
fahrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, das
Mitbestimmungsverfahren habe mit Wirkung für die Vergangenheit nachgeholt
werden können, so dass der der Verwaltungsvorschrift anhaftende personalver-
tretungsrechtliche Fehler rückwirkend geheilt worden sei. Selbst wenn dem
Kläger im streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Ermäßigung seines Regelstun-
denmaßes zugestanden haben sollte, fehle es sowohl für sein Ausgleichsbe-
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gehren als auch für den hilfsweise geltend gemachten Zahlungsanspruch an
einer Rechtsgrundlage.
2. Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Frage auf,
ob im Falle der Unwirksamkeit der Verwaltungsvorschrift wegen der
Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung und
der fehlenden Nachholbarkeit des Mitbestimmungsverfahrens ihm
nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Aus-
gleich um eine Unterrichtsstunde zusteht.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich anhand
der Senatsrechtsprechung klären lässt.
Bereits im Urteil vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 21.04 - (BVerwGE 124, 11 =
Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 24) hat der Senat ausgeführt, bei der Ermäßigung
der Unterrichtsverpflichtung, die älteren Lehrern nach dem Bremischen Landes-
recht gewährt werde, handele es sich nicht um eine Kürzung der Arbeitszeit im
Sinne von § 6 Abs. 1 BBesG, sondern um eine Maßnahme der Arbeitserleichte-
rung. Älteren Lehrern könne ein geringer Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung im
Hinblick auf die altersbedingten besonderen Belastungen der Unterrichtstätig-
keit erlassen werden. Daher führe eine derartige Unterrichtsermäßigung nicht
zu einer Änderung der Höhe der Dienstbezüge teilzeitbeschäftigter Lehrer (vgl.
auch Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 16.06 - Buchholz 237.3 § 71b
BrLBG Nr. 1 Rn. 8 f., vgl. auch schon Urteil vom 6. Juli 1965 - BVerwG 2 C
152.62 - BVerwGE 21, 293 <300 f.> = Buchholz 237.7 § 83 LBG NW Nr. 1).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch die in
Baden-Württemberg vorgesehene Unterrichtsermäßigung aus Altersgründen
keine Arbeitszeitregelung, sondern eine Maßnahme der Arbeitserleichterung.
Angesichts dessen ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ohne Wei-
teres zu verneinen. Der in der Rechtsprechung des Senats entwickelte, den
Anspruch auf Dienstbefreiung wegen Mehrarbeit (§ 72 Abs. 2 Satz 2 BBG a.F.,
§ 90 Abs. 2 Satz 2 LBG BW) ergänzende Ausgleichsanspruch nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben setzt voraus, dass der Beamte während eines
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längeren Zeitraums über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zum Dienst
herangezogen wurde (Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - Buchholz
232 § 72 BBG Nr. 38). Da die regelmäßige Dienstzeit von einer Ermäßigung der
Unterrichtsstunden aus Altersgründen unberührt bleibt, ist, wie der Verwal-
tungsgerichtshof im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats dargelegt hat,
im Streitfall für einen solchen Ausgleichsanspruch kein Raum.
Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung über den Zweck der Unterrichts-
ermäßigung auf eine Auslegung der maßgebenden Verwaltungsvorschrift des
Kultusministeriums Baden-Württemberg. Die Bestimmung des Inhalts von Ver-
waltungsvorschriften durch ein Tatsachengericht ist revisionsrechtlich nicht
Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung. Verwaltungsvorschriften
sind als Willenserklärungen zu behandeln, die auf eine bestehende oder beab-
sichtigte tatsächliche Verwaltungspraxis schließen lassen. Sie unterliegen der
revisionsgerichtlichen Prüfung nur insoweit, als es um die Einhaltung der für
Willenserklärungen geltenden allgemeinen Auslegungsgrundsätze geht (Urteile
vom 29. März 1968 - BVerwG 4 C 27.67 - BVerwGE 29, 261 <269>, vom
26. April 1979 - BVerwG 3 C 111.79 - BVerwGE 589, 45 <49> = Buchholz 424.3
Förderungsmaßnahmen Nr. 4 und vom 7. Mai 1981 - BVerwG 2 C 5.79 -
Buchholz 232 § 25 BBG Nr. 1; stRspr).
3. Den vom Kläger außerdem aufgeworfenen Rechtsfragen zu den Folgen der
fehlenden Beteiligung des Personalrats kann deshalb keine grundsätzliche Be-
deutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mehr zukommen. Ihre Beant-
wortung ist nicht entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes folgt für das Beschwerdeverfahren aus § 47 Abs. 1 und 3 und § 52
Abs. 2 GKG.
Herbert
Thomsen
Dr. Burmeister
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