Urteil des BVerwG vom 11.03.2004

Erlass, Form, Ermächtigung, Exekutive

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 6.04
OVG 1 A 1476/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und G r o e p p e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 12. November 2003 wird zu-
rückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 153,39 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Der Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist der geltend gemach-
te Verfahrensfehler ausreichend dargelegt.
1. Die Frage, ob dem Land die Kompetenz für kostendämpfende Regelungen über
Beihilfen in Krankheitsfällen an Beamte zusteht, bedarf keiner Klärung. Sie ist bereits
in der Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Das
Bundesverfassungsgericht hat die Frage in seinem Beschluss vom 7. November
2002 - 2 BvR 1053/98 (BVerfGE 106, 225 <242 f.>) nochmals zusammenfassend
erörtert und dabei festgestellt, dass der Landesgesetzgeber ungeachtet der Zustän-
digkeit des Bundes für den Bereich der Besoldung (Art. 74 a Abs. 1 GG) befugt ist,
die durch die Fürsorgepflicht gebotene Ergänzung der Regelalimentation mittels Bei-
hilfen für Krankheitsfälle durch eigene Vorschriften festzulegen, weil der Bundesge-
setzgeber insoweit seine Gesetzgebungskompetenz nicht ausgeschöpft hat. Hiervon
geht in ständiger Rechtsprechung auch der Senat aus (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003
- BVerwG 2 C 36.02 - Buchholz 237.6 § 87 c NdsLBG Nr. 1).
Es ist auch nicht klärungsbedürftig, ob der Nordrhein-Westfälische Landtag befugt
war, die fragliche Regelung in § 12 a der Beihilfeverordnung durch Gesetz zu erlas-
sen, wobei es nicht darauf ankommt, ob durch dieses Gesetz die bestehende Beihil-
feverordnung nur geändert oder inhaltlich neu erlassen wurde. Die von der Be-
schwerde hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind von den Vor-
instanzen umfassend gewürdigt und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts zurückgewiesen worden. Auch das Bundesverwaltungsge-
richt hat sich mit der Frage befasst (vgl. Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN
8.01 - BVerwGE 117, 313 <317 f.>) und keine durchgreifenden Bedenken gegen die
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Handlungsweise des Gesetzgebers gesehen, ein zum Erlass einer Verordnung er-
mächtigendes Gesetz zu beschließen und in diesem Gesetz selbst auch die Verord-
nung zu erlassen. Hierin liegt nicht der von der Beschwerde erblickte Widerspruch,
dass der Gesetzgeber der Exekutive eine Befugnis überträgt, die er sogleich selbst
ausübt. Vielmehr liegt in diesem Verfahren die Ausübung der vollen Gesetzgebungs-
befugnis. Der Gesetzgeber macht in diesem Falle nicht von der Ermächtigung zum
Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch, wozu er in der Tat nicht befugt wäre (vgl.
BVerfGE 22, 330 <346>). Vielmehr wird der Inhalt der Verordnung zunächst als Ge-
setz und deshalb ohne Bindung an Art. 80 GG erlassen; erst die anschließende
"Entsteinerungsklausel" führt die materiell als Gesetz erlassene Verordnung auf den
Verordnungsrang zurück und eröffnet somit dem Verordnungsgeber die in der Er-
mächtigung liegende Befugnis, die Verordnung aufzuheben oder zu ändern. Die Be-
schwerde, die sich in der Wiederholung der bisher vorgetragenen und von den Vor-
instanzen ausführlich erörterten Argumente erschöpft, zeigt keine neuen Gesichts-
punkte auf, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden müssten.
Die Frage, ob es eindeutig sein müsse, wer - Exekutive oder Legislative - für den Er-
lass einer Rechtsnorm zuständig ist, würde sich in einem Revisionsverfahren in die-
ser Form nicht stellen. Sie hat - entgegen der Auffassung der Beschwerde - auch
keine Bedeutung wegen des einzuschlagenden Rechtswegs. Dass für die Anfech-
tung eines Beihilfebescheides der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, bedarf keiner
Klärung. Ob die Rechtsgrundlage, auf die sich der Beihilfebescheid stützt, ein Gesetz
oder eine Verordnung ist (was die Beschwerde ebenfalls für klärungsbedürftig hält),
hat für die Frage des Rechtswegs keine Bedeutung.
Keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen ferner die Fragen, ob die Ein-
führung einer Kostendämpfungspauschale mit dem Begriff des "Gewährens" zu ver-
einbaren ist und ob darin eine Steuer zu erblicken ist. Es ist der Gestaltungsfreiheit
des Normengebers überlassen, wie er die Höhe einer Leistung, die er zu gewähren
hat, sprachlich definiert; er kann dies durch Angabe einer Rechenoperation tun.
Wenn er den Betrag der Beihilfe zunächst nach abstrakten Merkmalen bestimmt und
ihn anschließend nach ebenfalls abstrakten Merkmalen oder durch feste Beträge ver-
ringert, dann ist der sich aus dieser Rechenoperation ergebende Betrag derjenige,
den er "gewährt". Auch dies ist - wenn auch in anderem Zusammenhang - in der
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Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2002 - BVerwG
2 C 34.01 - BVerwGE 117, 305 <311>). Im Übrigen lässt die Beschwerde im Sinne
einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO) eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des Berufungsgerichts vermis-
sen, die mit der Einführung einer Kostendämpfungspauschale angestrebte Begren-
zung von Staatsausgaben dürfe nicht mit der Schaffung neuer Staatseinnahmen ver-
wechselt werden.
Nicht ausreichend dargelegt im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist, warum die
Frage klärungsbedürftig sein soll, ob die vermögenslose, nicht verdienende Ehefrau
den Kindern gleichzusetzen ist oder nicht. Die Frage zielt wohl auf die Regelung,
wonach sich die Kostendämpfungspauschale um 50 DM für jedes berücksichtigungs-
fähige Kind vermindert. Der Hinweis auf Art. 6 GG genügt nicht, um die grundsätzli-
che Bedeutung einer Frage darzulegen.
Schließlich bedarf es auch keines Revisionsverfahrens, um der Frage nachzugehen,
"ob Leistungskürzungen von z.B. 1 % rechtmäßig, von 1,5 oder 2 % hingegen schon
rechtswidrig sind". Die Beschwerde legt weder dar, inwiefern diese Frage für den
konkreten Fall des Klägers entscheidungserheblich ist (der streitbefangene Betrag
von 153,39 € entsprechend 300 DM lag nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts "deutlich unter 1% seines Jahresnettoeinkommens"), noch wie sie in fallüber-
greifender Weise in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte.
2. Die Rüge, das Berufungsgericht hätte gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Durch-
schnittssatz für Krankheitskosteneigenvorsorge, den der Besoldungsgesetzgeber
den Beamten und Richtern als Teil ihrer Alimentation zur Verfügung stellt, aufklären
müssen, entspricht in dieser Form nicht den Darlegungserfordernissen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung auf die Hö-
he dieses Durchschnittssatzes, den es als nicht "betragsmäßig exakt bestimmbare
Größe" bezeichnet hat, nicht abgestellt. Wird ein Mangel bei der Aufklärung des tat-
sächlichen Sachverhalts gerügt, so muss die Beschwerde darlegen, wieso es von
der Rechtsauffassung des Gerichts ausgehend auf die Ermittlung dieses Umstands
ankam, welche Erkenntnismittel hierfür gegeben waren und inwiefern sich das Er-
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gebnis der Aufklärung auf die Entscheidung hätte auswirken können. Daran fehlt es
hier.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 13 Abs. 2 GKG.
Albers Dr. Kugele Groepper