Urteil des BVerwG vom 26.10.2006

Rechtliches Gehör, Mitbewerber, Beförderung, Einverständnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 54.06
OVG 1 L 4/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Bayer
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Juni 2006 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das zweit-
instanzliche Verfahren - insoweit unter Änderung des Be-
schlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 30. Juni
2006 - und für das Beschwerdeverfahren auf jeweils
6 350 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt
nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO.
Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzli-
che Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus dem Beschwerdevorbringen
ergibt sich nicht, dass das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung ent-
scheidungserheblicher konkreter Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinaus-
reichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der
Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts höchstrichterlicher Klärung
bedürfen (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE
13, 90 <91 f.>).
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Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„ob die beamtenrechtliche Eignung, Befähigung und fach-
liche Leistung von vermeintlichen Beförderungsanwärtern
durch dienstliche Beurteilungen ‚nachgewiesen’ werden
kann, die offensichtlich mit schweren Rechtsmängeln (z.B.
durch unzulängliche und nicht vergleichbare Beurteilungs-
zeiträume) ausgestattet sind“,
würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Beru-
fungsgericht die in der Fragestellung vorausgesetzte Prämisse, dass die dienst-
lichen Beurteilungen der Mitbewerber „offensichtlich“ an „schweren Rechtsmän-
geln“ leiden, nicht festgestellt hat, sondern im Gegenteil davon ausgegangen ist,
dass die dienstlichen Beurteilungen der Mitbewerber rechtsfehlerfrei und
deshalb bei dem Leistungsvergleich zu berücksichtigen waren. Im Übrigen lässt
auch das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, dass den dienstlichen Beurtei-
lungen der Mitbewerber schwere Mängel anhaften könnten.
Die weiterhin von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„ob in ein Beförderungsauswahlverfahren sämtliche Inha-
ber des gleichen Amtes (z.B. sämtliche Regierungsamts-
räte/-rätinnen) einbezogen werden dürfen, wobei es
gleichgültig ist, ob diese einen Dienstposten, der eine Be-
förderung ermöglicht, durch ein erfolgreiches Bewer-
bungsverfahren erreicht haben oder nicht“,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich ohne Weite-
res aus dem Verfassungsrecht beantwortet. Bereits Art. 33 Abs. 2 GG würde es
verbieten, einen Bewerber von einer Auswahl für ein Beförderungsamt deshalb
auszuschließen, weil ihm der aktuell innegehabte Dienstposten nicht auf Grund
eines Bewerbungsverfahrens übertragen worden ist. Im Übrigen reicht es für
eine Erprobung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 BRRG als laufbahnrechtliche Voraus-
setzung für eine Beförderung aus, wenn der Beamte mit Wissen und Wollen des
Dienstherrn einen Dienstposten innehat, der nach seiner Zuordnung zu einem
Amt im statusrechtlichen Sinne höher bewertet ist als das Statusamt, das dem
Beamten übertragen ist (vgl. Beschluss vom 7. August 2001 - BVerwG 2 VR
1.01 - Buchholz 232.1 § 11 BLV Nr. 2).
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Eine Zulassung wegen Divergenz (Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO) scheidet aus. Eine die Revision eröffnende Abweichung ist nur dann
gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Be-
schwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragen-
den abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz widersprochen hat.
Daran fehlt es bei den von der Beschwerde aufgeführten Beanstandungen und
gerichtlichen Entscheidungen. Die Beschwerde geht ersichtlich irrtümlich davon
aus, dass eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bereits
dann gerechtfertigt ist, wenn nach Auffassung des Beschwerdeführers andere
Gerichte bei Würdigung eines ähnlichen Sachverhalts andere Schlüsse ziehen
oder gezogen haben als das Berufungsgericht.
Die von der Beschwerde dargelegten Vorgänge sind nicht geeignet, die Revisi-
on wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Das Vorbringen des Klägers, das Oberverwaltungsgericht sei nicht vorschrifts-
mäßig besetzt gewesen (Revisionsgrund nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), lässt
nicht erkennen, dass die Zusammensetzung des Spruchkörpers manipuliert
worden ist. Vielmehr ist nach den Darlegungen der Beschwerde gerade davon
auszugehen, dass die nach Gesetz und Geschäftsverteilungsplan des Gerichts
zuständigen und damit „gesetzlichen“ Richter über die Berufung entschieden
haben. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts als Vorsitzender sowie ein
weiterer Richter des zuständigen Senats waren von der Entscheidung über die
Berufung gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO ausgeschlossen,
weil sie - wie die Beschwerde selbst ausführt - an der erstinstanzlichen Ent-
scheidung mitgewirkt hatten. Dass der weitere dem Senat angehörende Richter
an der Berufungsentscheidung zu beteiligen war, nachdem der gegen ihn ge-
richtete Ablehnungsantrag wegen Befangenheit keinen Erfolg hatte, wird von
dem Beschwerdevortrag nicht in Frage gestellt. Insbesondere war dieser Rich-
ter nicht deshalb von dem Verfahren ausgeschlossen, weil auch er den Be-
schluss gefasst hat, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen.
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Eine normative Grundlage, auf der der Ausschluss dieses Richters beruhen
könnte, gibt die Beschwerde nicht an; sie ist auch nicht vorhanden.
Das Oberverwaltungsgericht war an einer Entscheidung über die Berufung
durch Beschluss gemäß § 130a VwGO nicht gehindert. Dieser Beschluss setzt
nicht das Einverständnis der Beteiligten voraus; der Widerspruch des Klägers
war danach unbeachtlich. Eine Entscheidung nach § 130a VwGO war auch
nicht deshalb unzulässig, weil der Beklagte neue Erkenntnisse in das Beru-
fungsverfahren eingeführt hatte. Diese waren dem Kläger zugänglich; er hatte
Gelegenheit, in sämtliche dem Oberverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen
Einsicht zu nehmen und dazu schriftsätzlich vorzutragen. Aus diesem Grunde
bedurfte es einer mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht. Schließlich wird eine
formell fehlerhafte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht ordnungs-
gemäß dargelegt, indem allgemein auf vom Kläger schriftsätzlich formulierte
Beweisanträge verwiesen wird. Es fehlt an substantiierten Angaben, zu welchen
Tatsachen und mit welchem Inhalt der Kläger in einer mündlichen Verhandlung
Beweisanträge gestellt hätte, so dass das Oberverwaltungsgericht unzutreffend
von der Entscheidungsreife des Rechtsstreits ausgegangen ist.
Die von der Beschwerde geltend gemachte Verletzung der Aufklärungspflicht
(§ 86 Abs. 1 VwGO) ist ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise bezeichnet. Bezeichnet im Sinne die-
ser Vorschrift ist ein Aufklärungsmangel nur dann, wenn das Beweisthema, die
für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen einschließlich
des einzusetzenden Beweismittels, das voraussichtliche Ergebnis dieser
- weiteren - Sachverhaltsermittlung und seine Eignung für eine dem Beschwer-
deführer günstigere Entscheidung benannt werden sowie wenn auch ausgeführt
wird, dass und inwiefern bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die
Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt
worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch oh-
ne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr;
vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz
§ 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Dem kommt die Beschwerde nicht nach.
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Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang zusätzlich eine Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO)
geltend macht, fehlt es an einer substantiierten Darlegung dessen, was der
Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwie-
fern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeig-
net gewesen wäre (stRspr; z.B. Beschluss vom 19. März 1991 - BVerwG 9 B
56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über
den Streitwert folgt aus § 52 Abs. 1 GKG bzw. - für das Berufungsverfahren -
aus § 71 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG a.F. Der Streitwert
ergibt sich aus der Differenz zwischen der Besoldung nach der Besol-
dungsgruppe A 12 und A 13 für den streitbefangenen Zeitraum von 17 Monaten.
Weitere vermögenswerte Nachteile sind dem Kläger auf Grund der zunächst
unterbliebenen Ernennung nicht entstanden. Zur Änderung der Streit-
wertfestsetzung des Berufungsgerichts ist der beschließende Senat gemäß § 63
Abs. 3 GKG befugt.
Albers Groepper Dr. Bayer
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