Urteil des BVerwG vom 20.08.2009

Ernennung, Prüfungsordnung, Pauschalierung, Verordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 52.09
OVG 1 L 47/08
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Maidowski
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. März 2009 wird zu-
rückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 594 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Klägerin macht einen auf § 4 der Zweiten Verordnung über besoldungs-
rechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands in
der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung (2. BesÜV) gestützten An-
spruch auf Zahlung eines Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwi-
schen den Bezügen nach § 2 der Verordnung und den bei gleichem Amt für das
bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen geltend. Sie ist der Ansicht,
ihr stehe ein solcher Anspruch zu, weil sie die Befähigungsvoraussetzungen für
ihre Ernennung zur Steuerinspektorin z.A. im Rahmen eines dreijährigen
Vorbereitungsdienstes zur Hälfte im bisherigen Bundesgebiet erworben habe.
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang als rechtsgrundsätzlich aufge-
worfene Frage,
„ob die Befähigungsvoraussetzungen zumindest zur Hälfte im bishe-
rigen Bundesgebiet erlangt sind (…), wenn die jeweils geltende Aus-
bildungs- und Prüfungsordnung Ausbildungsabschnitte von gleicher
monatlicher Dauer vorsieht und einer dieser Ausbildungsabschnitte
vollständig im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland absolviert
worden ist und der andere Ausbildungsabschnitt vollständig in den
neuen Bundesländern oder ob eine taggenaue Berechnung der je-
weils auf dem Gebiet der alten oder auf dem Gebiet der neuen Bun-
desländer absolvierten Ausbildungszeiten vorzunehmen ist“,
führt nicht zur Zulassung der Revision.
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO),
wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des
revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen
Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung
oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt
werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der Be-
schwerde aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf Grund des Ge-
setzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf
der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines
Revisionsverfahrens beantwortet werden kann.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die von der Beschwerde aufgeworfene Frage so,
wie sie in der Beschwerdebegründung formuliert ist, entscheidungserheblich ist.
Die Beschwerde leitet aus § 4 Abs. 3 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes
(StBAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1976 (BGBl I
S. 2793), geändert durch Anl. I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 37 des
Vertrags über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990
(BGBl II S. 889 - Einigungsvertragsgesetz), sowie aus der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für die Steuerbeamten (StBAPO) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 6. September 1982 (BGBl I S. 1257), geändert durch
Anl. I a.a.O. Nr. 38 des Einigungsvertragsgesetzes ab, dass der theoretische
und der praktische Teil des Vorbereitungsdienstes für Steuerbeamte des
gehobenen Dienstes jeweils von gleicher Dauer seien. Dies lässt sich den ge-
nannten Vorschriften jedoch nicht entnehmen, sodass kein Klärungsbedarf für
eine auf dieser Prämisse beruhende Rechtsfrage besteht.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StBAG dauert der Vorbereitungsdienst für Steuerbeam-
te des gehobenen Dienstes drei Jahre und kann aus besonderem Grund ver-
längert werden. Die (theoretischen) Fachstudien haben nach § 4 Abs. 3 Satz 3
und 4 StBAG einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten zu umfassen, wäh-
rend die berufspraktischen Studienzeiten die Dauer von einem Jahr nicht unter-
schreiten dürfen. Schon hieraus ergibt sich, dass die Ausgestaltung des Vorbe-
reitungsdienstes nicht in zwei notwendig gleich lange Abschnitte aufgeteilt ist,
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sondern dass bei der Vorbereitung auf eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der
theoretischen Ausbildung höheres Gewicht zukommt. Dies wird durch §§ 17
und 24 StBAPO bestätigt, wonach die Fachstudien 18 Monate betragen müs-
sen, während die berufspraktischen Studienzeiten mindestens 16 Monate um-
fassen und nach Regelung der obersten Landesbehörde oder einer von ihr be-
stimmten Stelle um bis zu zwei Monate verlängert werden können; Urlaub zu
Erholungszwecken darf nach § 12 Abs. 4 StBAPO in der bis zum 13. August
1996 geltenden Fassung nicht zu Lasten der Fachstudien gewährt werden.
Hiervon unabhängig bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens
deshalb nicht, weil die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, soweit
sie in der Rechtsprechung des Senats nicht bereits geklärt ist, auf Grund des
Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne
weiteres beantwortet werden kann. Im Kern möchte die Klägerin geklärt wissen,
ob bei der Ermittlung der im Beitrittsgebiet einerseits und im bisherigen
Bundesgebiet andererseits verbrachten Ausbildungszeiten zum Erwerb der Be-
fähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 2. BesÜV eine taggenaue Be-
rechnung der jeweils konkret festzustellenden Anwesenheitszeiten geboten
oder ob eine gewisse, an Regelungen in Ausbildungs- und Prüfungsordnungen
anknüpfende Pauschalierung zulässig ist. Diese Frage ist dahin zu beantwor-
ten, dass eine derartige Pauschalierung keine hinreichende Grundlage für die
Feststellung bieten kann, ob ein Beamter die für seine Ernennung erforderli-
chen Befähigungsvoraussetzungen zumindest zur Hälfte (Urteil vom 15. Juni
2006 - BVerwG 2 C 14.05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12) im bisherigen
Bundesgebiet erworben hat. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Senats
allein die tatsächliche Ausbildungszeit dafür maßgeblich, ob die Tatbestands-
voraussetzungen des § 4 2. BesÜV a.F. insoweit vorliegen (Beschluss vom
21. April 2009 - BVerwG 2 B 21.09 - juris). Deshalb ist eine Anknüpfung an die
den Beamten während des Vorbereitungsdienstes betreffenden Zuweisungs-
entscheidungen geboten, aus denen sich eindeutig und taggenau ergibt, welche
Ausbildungs- und Arbeitsstätten der Beamte besucht hat.
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Nach § 4 2. BesÜV kommt es für den Anspruch auf den Zuschuss nach der
Vorschrift darauf an, wo der Beamte die für seine Ernennung maßgeblichen
Befähigungsvoraussetzungen „erworben“ hat. In diesem Zusammenhang sind
weder die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde
oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit noch die Begründung eines Wohn-
sitzes von Bedeutung (Urteil vom 15. Juni 2006 a.a.O.). Maßgeblich ist viel-
mehr, ob die Ausbildungs- bzw. Dienstorte während der Ausbildung im Beitritts-
gebiet oder im bisherigen Bundesgebiet gelegen haben (Urteile vom 25. Mai
2004 - BVerwG 2 C 69.03 - DVBl 2004, 1414 und vom 11. März 1999 - BVerwG
2 C 24.98 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3). Denn an diesen Orten hatte der
Beamte sich während seines Vorbereitungsdienstes aufzuhalten, um dort die
Befähigung für eine Ernennung zu erwerben. Wie lange sich der Beamte an
den jeweiligen Ausbildungs- und Dienstorten aufzuhalten hatte, lässt sich ein-
deutig den im Laufe des Vorbereitungsdienstes an ihn gerichteten Zuweisungs-
entscheidungen entnehmen. Sie lassen im Regelfall ohne erheblichen Aufwand
eine rechtssichere und taggenaue Berechnung der für § 4 2. BesÜV relevanten
Zeiträume zu.
Gegen eine Anknüpfung an die Zuweisung zu einem Dienstort oder zu einer
Ausbildungsstätte kann nicht eingewandt werden, dass auf diese Weise Zufäl-
ligkeiten wie krankheitsbedingte Abwesenheiten, Urlaubstage oder die Lage
beweglicher Feiertage im Jahr ausschlaggebend für die Zuerkennung des Zu-
schusses nach § 4 2. BesÜV werden könnten. Denn bei einer Anknüpfung an
Zuweisungsentscheidungen kommt es gerade nicht darauf an, ob sich der Be-
amte an jedem Tag eines Ausbildungsabschnitts an seinem Ausbildungs- oder
Dienstort aufgehalten hat oder ob er krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend
war; Urlaubstage sind ebenso wie Zeiten der Dienstunfähigkeit dem Ausbil-
dungsabschnitt zuzurechnen, in dem sie angefallen sind. Die Frage, ob ein
pflichtwidriges Fernbleiben vom zugewiesenen Dienst- oder Ausbildungsort an-
ders zu behandeln wäre, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Betrach-
tung. Für die von der Klägerin für richtig gehaltene Pauschalierung spricht auch
nicht die von ihr benannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
13. März 2008 - 6 AZR 794/06 - (NZA-RR 2008, 495). Denn die in dieser Ent-
scheidung vorgenommene Berechnung der maßgeblichen Zeiträume nach Wo-
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chen knüpft ebenfalls nicht an normative Vorgaben (im Streitfall: Fortbildungs-
und Prüfungsordnung der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See-
Berufsgenossenschaft) an, sondern an die örtliche Zugehörigkeit der Ausbil-
dungs- und Dienstorte zum Beitrittsgebiet bzw. zum bisherigen Bundesgebiet.
Der Umstand, dass das Gericht keine taggenaue, sondern eine wochenbezo-
gene Berechnung angestellt hat, ist lediglich auf den Umstand zurückzuführen,
dass die Klage, gestützt auf die wochenbezogenen Angaben der Klägerin, be-
reits nicht schlüssig begründet war, sodass eine weitere Aufklärung nicht gebo-
ten war.
Im vorliegenden Fall war die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts lediglich in der Zeit vom 2. Januar bis zum 12. Juli 1992
sowie vom 1. März 1993 bis zum 2. Januar 1994, mithin für einen Zeitraum von
16 Monaten und 13 Tagen, einem Dienst- oder Ausbildungsort im bisherigen
Bundesgebiet - nämlich dem Finanzamt Helmstedt - zugewiesen. Für jeden
anderen Zeitraum des Vorbereitungsdienstes bestanden Zuweisungen an ihr
Stammfinanzamt Haldensleben (etwa zwei Monate), die Landesfinanzschule
Harzgerode oder die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechts-
pflege Sachsen-Anhalt - Fachbereich Steuerverwaltung - in Ballenstedt (etwa
17 Monate).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1
GKG.
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