Urteil des BVerwG vom 02.10.2008

Öffentliches Dienstrecht, Klausur, Neubewertung, Vergleich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 51.08
OVG 2 A 11091/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Oktober 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Burmeister
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 630,56 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Diver-
genz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Der Kläger hält folgende Frage für klärungsbedürftig:
Dürfen bei einer Neubewertung von berufseröffnenden
Prüfungsleistungen für den Fall, dass es sich um gleichar-
tige Aufgabenstellungen für ein Kollektiv von Prüflingen
handelt, die nach gleichen Bewertungsmaßstäben beur-
teilt werden (müssen), die von den Ausgangsprüfern per-
sonenverschiedenen Ersatzprüfer allein nach eigenen
Bewertungskriterien eine Neubewertung durchführen oder
sind Ersatzprüfer zur Wahrung des prüfungsrechtlichen
Grundsatzes der Chancengleichheit verpflichtet, den an
die übrigen Prüflinge der gleichen Prüfungskampagne an-
gelegten Bewertungsmaßstab zu ermitteln und die eigene
Bewertung anschließend an diesem Maßstab auszurich-
ten, und kann bejahendenfalls eine solche Bindung an
vorhandene Bewertungsmaßstäbe als ungeschriebener
Grundsatz des Prüfungsrechts allgemeingültige Bedeu-
tung beanspruchen?
Der Kläger wirft diese Frage vor dem Hintergrund auf, dass seine schriftliche
Klausur im „Öffentlichen Dienstrecht“ auch im zweiten Durchgang als nicht aus-
reichend bewertet worden war. In einem vorausgegangenen Verwaltungs-
rechtsstreit hatten der Kläger und der Beklagte folgenden Vergleich geschlos-
sen:
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1. Der Beklagte erklärt sich bereit, die Klausur „Öffent-
liches Dienstrecht“ vom 16.02.2005 durch zwei andere
Korrektoren neu bewerten zu lassen.
2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass bei der
Neubewertung der vorbezeichneten Klausur dem Klä-
ger im Hinblick darauf, dass in der Klausur die Neben-
tätigkeitsverordnung nicht zur Verfügung stand, 8 Tref-
ferpunkte vorweg gutgebracht werden. Die Beteiligten
sind sich im Übrigen darüber einig, dass die Klausur
insgesamt, also einschließlich der Ausführungen des
Klägers zum Nebentätigkeitsrecht, komplett neu zu be-
werten ist. (...)
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger, dass sich die beiden
Ersatzkorrektoren keine Kenntnis von den Bewertungsmaßstäben verschafft
haben, die von den Ausgangsprüfern an die Leistungen der übrigen Prüflinge
angelegt worden waren.
Die aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die vom
Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die
im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher
Klärung bedarf. Diese Voraussetzung erfüllt die aufgeworfene Frage nicht. Sie
bezieht sich ersichtlich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls des Klä-
gers, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Bedingungen der Wiederho-
lungskorrektur individuell in einem Vergleich festgelegt worden sind. Nach der
auch für das angestrebte Revisionsverfahren bindenden Auslegung dieses Ver-
gleichs durch das Berufungsgericht wurde darin ein Bewertungsverfahren fest-
gelegt, das „eine bewusste Abweichung vom üblichen Verfahren darstellt“. Der
Auslegung des Klägers, dass ein vorheriger Quervergleich mit den Klausuren
der anderen Prüfungsteilnehmer selbstverständlich war und deshalb nicht
eigens in den Vergleich aufgenommen werden musste, ist das Berufungsgericht
ausdrücklich entgegengetreten, indem es diese Forderung des Klägers als so
ungewöhnlich bezeichnete, dass sie in den gerichtlichen Vergleich „zwingend“
hätte aufgenommen werden müssen. Auf dieser tatsächlichen Grundlage, von
der auch das Revisionsgericht auszugehen hätte, würde sich die vom Kläger
aufgeworfene Frage, soweit sie über den Einzelfall hinausgreift, nicht stellen.
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Mit der Divergenzrüge greift die Beschwerde in der Art einer Berufung oder Re-
vision die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht an, die es für
verfehlt hält. Sie zeigt jedoch nicht in einer dem Darlegungserfordernis des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise auf, dass sich das Beru-
fungsgericht dabei tragend auf einen Rechtssatz gestützt hat, der in Wider-
spruch zu einem in Auslegung derselben Vorschrift formulierten Rechtssatz des
Bundesverwaltungsgerichts, eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
genannten Gerichte oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts steht. Soweit
sich die Beschwerde hierbei auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsge-
richts und des Bundesfinanzhofs bezieht, handelt es sich um Entscheidungen,
in denen der auch vom Berufungsgericht beachtete Grundsatz der Chancen-
gleichheit postuliert wird, denen im Übrigen aber anders gelagerte Sachverhalte
zugrunde lagen. Wenn das Bundesverwaltungsgericht zur Wahrung der Chan-
cengleichheit gefordert hat, dass für eine Wiederholungsbewertung regelmäßig
dieselben Prüfer heranzuziehen sind wie für die Ausgangsbewertung (vgl. Urteil
vom 1. Juni 1995 - BVerwG 2 C 16.94 - BVerwGE 98, 324 <331 f.> = Buchholz
232 § 18 BBG Nr. 3), so lässt sich aus diesem Grundsatz nichts für den hier ge-
gebenen Fall gewinnen, dass im Einverständnis beider Seiten andere Prüfer
herangezogen und vorab acht Trefferpunkte gutgeschrieben werden. Wenn
überhaupt aus diesem Umstand weiterreichende Schlüsse gezogen werden
können, dann eher der, dass durch dieses Verfahren eine neutrale, durch das
vorhergehende Verfahren unbeeinflusste Neubewertung der Prüfungsleistung
des Klägers ermöglicht werden sollte, was die Kenntnis des von den Erstprüfern
angelegten Bewertungsmaßstabes möglicherweise ausschloss, jedenfalls nicht
voraussetzte.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und auf § 47
Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Herbert Groepper Dr. Burmeister
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