Urteil des BVerwG vom 18.05.2004

Prüfer, Rüge, Überprüfung, Prüfungsordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 50.03
OVG 1 A 3601/00
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n ,
Dr. K u g e l e und Dr. B a y e r
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 2003 wird zurückge-
wiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde ist unbegründet.
1. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht rechtsgrundsätzlich
klärungsbedürftig.
Die Fragen,
"wann von einer eigenständigen Bewertung der Prüfungsentscheidung aus-
gegangen werden kann bzw. ob eine eigenständige Bewertung einer Prü-
fungsleistung insbesondere auch im verwaltungsinternen Kontrollverfahren
dann gewährleistet ist, wenn lediglich ein Mitglied einer aus mehreren Prü-
fern bestehenden Prüfungskommission eine Stellungnahme zu den gegen
die Bewertung erhobenen Einwendungen abgibt und diese von den anderen
Mitprüfern lediglich gebilligt wird, ohne eine eigene schriftliche Stellungnah-
me abzugeben",
und
"ob in Ansehung der Anforderungen an einen effektiven Grundrechtsschutz
dieser im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG im verwal-
tungsinternen Kontrollverfahren über berufsbezogene Prüfungsleistungen
erst dann als gewährleistet angesehen werden kann, wenn die jeweiligen
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Prüfer gegenüber dem Prüfungsamt jeweils eigenständige Stellungnahmen
zu den gegen die Bewertung durch den Prüfling erhobenen Einwänden ab-
geben",
und
"bei Vorliegen welcher Anhaltspunkte (fehlende - eigene - Begründung, feh-
lende Randkorrekturen der jeweiligen Prüfer s.o.) von einer eigenständigen
Bewertung einer Prüfungsleistung durch sämtliche Mitglieder eines mehrköp-
figen Prüfungsausschusses nicht mehr ausgegangen werden kann und wel-
che Anforderungen an den Nachweis der Durchführung der eigenständigen
Bewertung durch die einzelnen Prüfer zu stellen sind",
sind rechtsgrundsätzlich geklärt oder enthalten keine den Einzelfall übergreifende
Problemstellung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen bereits erteilte
Bewertungen einer Prüfung unter maßgeblicher Beteiligung der ursprünglichen Prü-
fer in einem verwaltungsinternen eigenständigen Kontrollverfahren auf Antrag erneut
überdacht werden (vgl. Urteil vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 382). Dieses Kontrollverfahren ist so zu gestalten, dass es
den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügt (vgl. Urteil vom 24. Februar 1993
- BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132; Urteil vom 16. April 1997 a.a.O.). Diese
Grundsätze gelten auch für das Verfahren einer Laufbahnprüfung (vgl. BVerfGE 84,
34 <45 ff.> und u.a. Senatsurteil vom 1. Juni 1995 - BVerwG 2 C 16.94 - BVerwGE
98, 324 <330> m.w.N.). Aus den Gründen eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19
Abs. 4 GG) und entsprechend dem Grundsatz gleichen Zugangs zu öffentlichen Äm-
tern nach Maßgabe des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG) haben die an der bis-
herigen Prüfung beteiligten Prüfer diese Überprüfung selbständig und voneinander
unabhängig durchzuführen. Einen darüber hinausgehenden revisionsgerichtlichen
Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Keine den Einzelfall übergreifende und daher keine rechtsgrundsätzlich bedeutsame
Frage ist, ob auf ein fehlerhaftes Kontrollverfahren geschlossen werden kann, wenn
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lediglich ein Mitglied der Prüfungskommission eine Stellungnahme abgibt, während
die anderen Mitglieder sich dieser bloß anschließen. Denn allein daraus, dass ein
Prüfer sich etwa mit dem Vermerk "einverstanden" oder einer sinngemäßen Äuße-
rung dem Votum eines anderen Prüfers anschließt, kann nicht auf dessen fehlende
Unabhängigkeit bei der Bewertung oder - wie hier - bei der Überprüfung einer bereits
abgegebenen Bewertung geschlossen werden. Würde dies unterstellt, müsste von
dem Grundsatz ausgegangen werden, dass Prüfer nur dann zur Abgabe einer unab-
hängigen und selbständigen Bewertung in der Lage sind, wenn sie eine eigens for-
mulierte Beurteilung abgeben. Dass das grundsätzlich nicht der Fall ist, liegt auf der
Hand (vgl. dazu auch Beschluss vom 30. September 2003 - BVerwG 2 B 10.03 -
). Dies bedarf nicht der Vertiefung in einem Revisionsverfahren.
Auch die dritte Frage berührt ausschließlich den Einzelfall. Ob ein Prüfungsverfahren
materiellrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt wird, kann - abgesehen von den
oben genannten, in der Rechtsprechung entwickelten abstrakten Rechtssätzen - nur
im Einzelfall beurteilt werden. Das Fehlen einer Randnotiz eines Zweitkorrektors et-
wa kann viele Ursachen haben. Ohne eine entsprechende Anweisung durch die Prü-
fungsordnung ist ein Zweitkorrektor nicht gehalten, das Votum des Erstbegutachters
durch Korrekturzeichen auch dann explizit zu bestätigen, wenn er mit der Bewertung
des Vorgutachters einverstanden ist. Nur in dem Fall einer vollständigen oder teil-
weisen Abweichung von der Vorbewertung sind die weiteren Korrektoren gehalten,
ihre abweichende Bewertung kenntlich zu machen und zu begründen. Nichts ande-
res gilt für das verwaltungsinterne Kontrollverfahren.
2. Die Divergenzbeschwerde der Klägerin führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Re-
vision.
Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist gegeben, wenn das
Oberverwaltungsgericht in Ansehung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung
eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen
Rechtssatz abweicht (stRspr). Diese Abweichung hat die Beschwerde nicht dargetan.
Sie nimmt zwar auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom
24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - a.a.O. und vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C
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9.95 - a.a.O. im Hinblick auf die darin aufgestellten Anforderungen an das ver-
waltungsinterne Kontrollverfahren Bezug, indem sie die dort aufgestellten Rechtssät-
ze zitiert, von denen nach ihrer Auffassung abgewichen worden sein soll. Sie be-
nennt aber die angeblich vom Berufungsgericht aufgestellten abweichenden
Rechtssätze nicht. Vielmehr beschränkt sie sich auf die Rüge, das Berufungsgericht
habe die in Bezug genommenen Entscheidungen bei seinem Urteil nicht beachtet
oder unzutreffend angewandt. Dies stellt keine geeignete Rüge im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wer-
tes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Prof. Dawin
Dr. Kugele
Dr. Bayer