Urteil des BVerwG vom 29.07.2009

Präsidium, Unabhängigkeit, Erlass, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 49.08
OVG 1 A 1703/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juli 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. April 2008 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerde-
verfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger, ein Richter am Amtsgericht Düsseldorf, wendet sich gegen einen
Beschluss des Präsidiums, durch den nach der einschlägigen Regelung des
Geschäftsverteilungsplans ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfü-
gung ihm als dem am Tag des Eingangs der Sache zum Bereitschaftsdienst
eingeteilten Richter der Abteilung 52 zugeteilt wurde. Nach Ansicht des Klägers
war für das Verfahren die Richterin der Abteilung 28 zuständig, weil bei ihr be-
reits die Hauptsache anhängig gewesen und das Gericht der Hauptsache nach
§ 937 Abs. 1 ZPO für den Erlass einstweiliger Verfügungen zuständig sei. Das
Präsidium sei zur Auslegung dieser gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung
nicht befugt, das zuständige Gericht müsse durch das nächsthöhere Gericht
bestimmt werden (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog). Das Verwaltungsgericht hat
die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Feststellungsklage abgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen,
weil er durch die Zuteilungsentscheidung des Präsidiums nicht in seinen Rech-
ten verletzt worden sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen
sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers
hat keinen Erfolg.
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Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die von der Be-
schwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage,
ob und gegebenenfalls wieweit die Gerichtsverwaltung be-
fugt ist, richterliche Sachentscheidungen abzuändern und
aufzuheben, oder ob hierzu nicht nur höhere Gerichte be-
fugt sind und in einer solchen Entscheidung eines Präsi-
diums daher eine Verletzung der richterlichen Unabhän-
gigkeit zu sehen ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil die Frage einen Sachverhalt
voraussetzt, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Nach den
tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat das Präsidium
mit seiner Zuteilungsentscheidung keine richterliche Sachentscheidung des Klä-
gers geändert oder aufgehoben, sondern in einem Zuständigkeitsstreit zweier
Abteilungen des Amtsgerichts die Abteilung des Klägers als nach dem
Geschäftsverteilungsplan zuständig erklärt.
Auch die weitere Frage,
wer für die entscheidende Frage zur Entscheidung eines
Streits darüber zuständig ist, ob sich aus dem Gesetz
(vorliegend aus § 937 ZPO) die Zuständigkeit eines be-
stimmten Spruchkörpers ergibt oder nicht,
kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Das angegriffene Urteil beruht auf zwei jeweils selbständig die Entscheidung
tragenden Begründungen: Die Klage sei - erstens - deswegen unbegründet,
weil der Kläger selbst dann, wenn die Auslegung des § 937 Abs. 1 ZPO als
bloße Gerichtsstandsregelung rechtsfehlerhaft wäre, durch den angefochtenen
Beschluss des Präsidiums nicht in seinen Rechten verletzt werde. Die Zuteilung
des Eilverfahrens greife nicht in seine hier allein in Betracht kommende richter-
liche Unabhängigkeit ein, weil ein Richter grundsätzlich keinen Anspruch darauf
habe, mit bestimmten Rechtssachen betraut oder nicht betraut zu werden; be-
sondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten,
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seien hier nicht gegeben, namentlich sage der Präsidiumsbeschluss über die
Art der Erledigung der Eilsache nichts aus. Die Bestimmungen der Geschäfts-
verteilung dienten ebenso wie die Regelung des § 937 Abs. 1 ZPO ausschließ-
lich dem Schutz und den Interessen der Verfahrensbeteiligten. Ihre fehlerhafte
Anwendung könne ein Richter nicht mit Erfolg als Verstoß gegen das Recht auf
den gesetzlichen Richter rügen. Davon abgesehen bleibe die Klage - zweitens -
deshalb erfolglos, weil die Zuteilungsentscheidung die Vorschrift des § 937 Abs.
1 ZPO nicht verletze und auch im Übrigen rechtsfehlerfrei sei.
Die aufgeworfene Frage betrifft allein die zweite, objektivrechtliche Begründung
des Oberverwaltungsgerichts. In Bezug auf die davon unabhängige erste Be-
gründung macht die Beschwerde keinen Revisionszulassungsgrund geltend.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil, das in je
selbständig tragender Weise mehrfach begründet ist, nur stattgegeben werden,
wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend
gemacht wird und vorliegt (vgl. die Nachweise bei Pietzner, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Oktober 2008, § 132 Rn. 53). Hieran fehlt es.
Auch die übrigen von der Beschwerde erhobenen Rügen beschränken sich auf
Angriffe gegen die Begründung, dass das Präsidium über die Zuteilung der Eil-
sache an den Kläger entscheiden durfte, weil er nach dem Geschäftsvertei-
lungsplan für die Sache zuständig war und die Regelung des § 937 Abs. 1 ZPO
dieser Entscheidung nicht entgegenstand. Soweit die Beschwerde Fragen des
Anhörungsrechts gegenüber dem Präsidium und der Begründungsbedürftigkeit
eines Präsidiumsbeschlusses aufwirft sowie einen Verfahrensfehler behauptet,
hat sie weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch das Vorlie-
gen eines Verfahrensfehlers i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO den Anforderun-
gen des Gesetzes entsprechend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwert-
festsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Herbert
Dr. Heitz
Thomsen
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