Urteil des BVerwG vom 19.03.2004

Ausbildung, Berufliche Tätigkeit, Rechtliches Gehör, Verfügung

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BESCHLUSS
BVerwG 2 B 44.03
OVG 1 A 649/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf
25 435 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe
nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO sind nicht gegeben.
Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzliche Be-
deutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich
nicht, dass das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung von entscheidungser-
heblichen konkreten Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite
beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der
Fortbildung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerwGE 13, 90
<91 f.>).
Wegen der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage:
"Wenn man mit BVerfGE 48, 376, 388 unter einem 'Beruf' jede - auch untypi-
sche - erlaubte Tätigkeit versteht, selbst wenn sie keinem traditionell oder recht-
lich fixierten Berufsbild entspricht, setzt dann eine Schutzbereichseröffnung des
Grundrechts der freien Wahl der Ausbildungsstätte voraus, dass die angestreb-
te berufliche Tätigkeit herkömmlich als eigenständiger, gesonderter Beruf ver-
standen wird oder genügt es bereits, dass die konkret gewünschte Ausprägung
der beruflichen Tätigkeit es erfordert, dass eine bestimmte Ausbildung absol-
viert wird?"
bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie ist in der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Danach beschränkt sich
der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht auf die rechtliche Ordnung der Aus-
bildung und des Zugangs zu einem Beruf. Hierunter fällt auch die Wahrnehmung von
Chancen, die den Bewerber der erstrebten Berufsaufnahme in erheblicher Weise
näher bringen. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet deshalb, Zugangsmöglichkeiten zu einem
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Beruf tatsächlich und rechtlich möglichst offen zu halten und Zugangshindernisse nur
insoweit zu errichten, wie es durch ein im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend
gewichtiges öffentliches Interesse geboten ist (vgl. Urteil vom 22. Juni 1994
- BVerwG 6 C 40.92 - BVerwGE 96, 136 <141> m.w.N.). Hiervon ist auch das Beru-
fungsgericht ausgegangen, das im Einzelnen geprüft hat, ob der Ausschluss des
Klägers vom feuerwehrtechnischen Vorbereitungsdienst mit Art. 12 Abs. 1 GG ver-
einbar ist.
Die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage:
"Liegt eine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG vor, wenn eine
Einrichtung über die allgemeine Schulbildung hinaus der Ausbildung für einen
Beruf dient?"
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es ist ohne weiteres davon
auszugehen, dass die Einrichtungen, die der vom Kläger beabsichtigten Ausbildung
dienen, Ausbildungsstätten im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG sind. Von diesem umfas-
senden Verständnis ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, das als Ausbil-
dungsstätte jede Einrichtung bezeichnet hat, die über die allgemeine Schulbildung
hinaus der Ausbildung für einen oder mehrere Berufe dient. Im Übrigen würde die
vom Kläger intendierte Staatsprüfung den Charakter einer Prüfung im Sinne der frü-
her gebräuchlichen Umschreibung haben (vgl. Urteile vom 21. November 1957
- BVerwG 2 C 45.56 - BVerwGE 6, 13 <15>, vom 23. Juli 1963 - BVerwG 2 C
158.62 - BVerwGE 16, 241 <243>, vom 6. Februar 1975 - BVerwG 2 C 68.73 -
BVerwGE 47, 330 <332> und vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 C 13.75 -
Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 123 = NJW 1978, 2258).
Schließlich bietet die Frage:
"Wird das Vorliegen eines staatlichen Ausbildungsmonopols und damit die Er-
öffnung des Grundrechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte schon dadurch
ausgeschlossen, dass es möglicherweise eine theoretisch rechtlich zulässige
Ausbildung in der privaten Wirtschaft gibt, selbst wenn der Ausbildungswillige
in der Praxis keine realistische Chance besitzen sollte, einen ausbildungswilli-
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gen Betrieb zu finden, der gerade die gewünschte Ausbildung (hier: Ausbil-
dung, die äquivalent zum Vorbereitungsdienst für den höheren Dienst ist) an-
bietet?"
nicht die Möglichkeit, das Revisionsverfahren zu eröffnen. Diese Frage würde sich in
einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht hat in Anwendung ir-
revisiblen Landesrechts festgestellt, dass für die Ausbildung von Angehörigen der
Werkfeuerwehren weder ein rechtliches noch ein faktisches staatliches Ausbildungs-
monopol besteht. Andererseits bedarf es nicht der Klärung in einem Revisionsverfah-
ren, dass das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte nicht erst dann "eröff-
net" ist, wenn der Staat einen Ausbildungsgang rechtlich oder faktisch monopolisiert
hat. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Anspruch auf Zugang zu einer
Ausbildung, die tatsächlich nur der Staat anbietet, aus Art. 12 Abs. 1 GG hergeleitet
werden kann (vgl. BVerfGE 33, 303 <331 f.>).
Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs verhilft der Beschwerde nicht zum Er-
folg. In dem angegriffenen Urteil durften die Runderlasse des Innenministeriums vom
9. Dezember 1980 und vom 4. Mai 1983 erwähnt werden, auch wenn diese bislang
nicht in das Verfahren eingeführt waren. Das Berufungsgericht hat in Anwendung
des irrevisiblen § 23 Abs. 4 FSHG festgestellt, dass die (feuerwehrtechnischen) Aus-
bildungseinrichtungen der Gemeinden, der Kreise und des Landes Dritten gegen
Kostenerstattung zur Verfügung stehen; "damit können die Werkfeuerwehren ihren
Mitgliedern gemäß dem Gebot des § 15 Abs. 2 Satz 3 FSHG eine dem Leistungs-
stand der öffentlichen Feuerwehren entsprechende Qualifikationsmöglichkeit gewäh-
ren …". Diese gesetzliche Grundsatzentscheidung wird durch die vom Berufungsge-
richt herangezogenen Runderlasse nur erläutert und konkretisiert. Als Verwaltungs-
vorschriften sind die Runderlasse weder Rechtsnormen noch Sachverhaltsumstände.
In aller Regel - und so auch hier - begründet die Verwertung derartiger Verwaltungs-
vorschriften in einer gerichtlichen Entscheidung keinen Verstoß gegen Art. 103
Abs. 1 GG. Als Interpretationshilfen und als Mittel antizipierender Ermessensaus-
übung dienen sie der Rechtsanwendung. Die Beschwerde hat nicht geltend gemacht,
dass die Bezugnahme des Berufungsgerichts auf § 23 Abs. 4 FSHG den Anspruch
des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Der Hinweis auf die gesetzeskonkreti-
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sierenden und erläuternden Runderlasse vom 9. Dezember 1980 und vom 4. Mai
1983 hat demgegenüber nur unselbstständige Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über den
Streitwert auf § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG.
Albers Groepper Dr. Bayer