Urteil des BVerwG vom 31.08.2006

Programm, Beihilfe, Fürsorgepflicht, Krankheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 41.06
OVG 1 A 3633/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. August 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin, Groepper
und Dr. Bayer
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2006 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 4 480,70 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet. Der Sache kommt keine
grundsätzliche Bedeutung zu.
Der Kläger, der eine konkrete Rechtsfrage nicht formuliert, hält offenbar sinn-
gemäß für klärungsbedürftig, ob es mit dem „Programmcharakter“ der Beihilfe-
vorschriften vereinbar ist, dass Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 der Beihilfevor-
schriften in der hier anwendbaren Fassung vom 1. Juli 1997 (GMBl S. 429)
- BhV - die Beihilfeleistungen für bestimmte implantologische Leistungen des
Zahnarztes selbst dann begrenzt, wenn darüber hinausgehende Leistungen
medizinisch indiziert sind.
Diese Frage ist hinreichend geklärt. In der von der Beschwerde herangezoge-
nen Entscheidung vom 30. Oktober 2003 - BVerwG 2 C 26.02 - (BVerwGE 119,
168) hat der Senat dargelegt, dass die für die Ausgestaltung der Beihilfe erlas-
senen Vorschriften der Konkretisierung der Fürsorgepflicht dienen. Art, Ausmaß
und Begrenzung der Hilfe, die der Dienstherr dem Beamten gewährt, müssen
sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beihilfevorschriften selbst als „Pro-
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gramm“ ergeben. Ergänzende Verwaltungsvorschriften müssen sich im Rah-
men des normativen Programms halten, können dieses also norminterpretie-
rend konkretisieren und Zweifelsfälle im Interesse einer einfachen und gleichar-
tigen Handhabung klären und auch die Ausübung eines etwa vorhandenen Er-
messens- oder Beurteilungsspielraums lenken. Sie dürfen dagegen nicht Leis-
tungsausschlüsse oder Leistungsbegrenzungen festsetzen, die sich nicht be-
reits zumindest dem Grunde nach aus dem „Programm“ der Beihilfevorschriften
selbst ergeben.
Die Begrenzung der Beihilfe für Aufwendungen des Beamten zu implantologi-
schen zahnärztlichen Leistungen ergibt sich hier unmittelbar aus den Beihilfe-
vorschriften selbst, nämlich aus Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 BhV, die somit ein
integraler Bestandteil der ungeachtet ihres Charakters als Verwaltungsvorschrift
normativ zu interpretierenden Beihilfevorschriften ist. Sie ist selbst Teil des
„Programms“ und steht damit nicht im Widerspruch zu der generellen Regelung
des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BhV, derzufolge Aufwendungen aus Anlass einer
Krankheit (und damit auch zahnärztliche Leistungen) grundsätzlich beihilfefähig
sind. Denn nach Satz 2 der Vorschrift bestimmen sich Voraussetzungen und
Umfang der Beihilfefähigkeit für Aufwendungen für zahnärztliche und kiefernor-
thopädische Leistungen nach der Anlage 2 zu § 6 BhV. Diese wiederum zählt
- vom Obersatz der Verweisungsnorm gedeckt - spezielle Maßgaben für
implantologische Leistungen auf, die sich auf bestimmte Indikationen beziehen
und u.a. eine zahlenmäßige Begrenzung auf höchstens vier Implantate pro Kie-
fer enthalten.
Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, ob diese
Begrenzung auch dann durchgreift, wenn eine höhere Anzahl von Implantaten
- wie hier im Falle des Klägers - medizinisch indiziert ist. Es hat hierzu ausge-
führt, dass eine derartige Begrenzung dem in der Gesamtheit der anwendbaren
Beihilfevorschriften niedergelegten „Programm“ auch dann nicht von vornherein
widerspricht, wenn die ausdrücklich bestimmten Leistungsausschlüsse auch
medizinisch erforderliche Behandlungen betreffen, solange derartige Aus-
schlüsse nicht insgesamt gesehen einen solchen Umfang und ein solches Ge-
wicht erreichen, dass auch bei typisierender Betrachtung die Beihilfegewährung
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den Vorgaben des höherrangigen Rechts, insbesondere der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn, nicht mehr gerecht würde. Das Beschwerdevorbringen zeigt kei-
nen in dieser Richtung bestehenden weitergehenden Klärungsbedarf auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 52 Abs. 3 GKG.
Prof. Dawin Groepper Dr. Bayer
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