Urteil des BVerwG vom 25.07.2014

Beamtenverhältnis, Hochschule, Zugang, Altersgrenze

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 40.13
OVG 6 A 1171/11
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. Hartung
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2013
wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf die Wertstufe bis zu 65 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte
hat nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass der Revisionszulas-
sungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gege-
ben ist.
1. Die Klägerin ist Agrarwissenschaftlerin. Nach Abschluss ihres Studiums und
der Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin war sie über-
wiegend als Journalistin tätig. Während dieser Zeit bekam sie ihre drei Kinder.
Sie wurde zum 1. März 2009 von der beklagten Hochschule als Professorin
(BesGr W 2 BBesO) im Fach „Journalistik und Medienproduktion“ in ein inzwi-
schen unbefristetes privatrechtliches Dienstverhältnis berufen. Die Beteiligten
haben zu diesem Zweck einen Dienstvertrag geschlossen. Den Antrag der Klä-
gerin, sie in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen, lehnte die Beklagte ab, weil
die Klägerin die Höchstaltersgrenze von 45 Jahren überschritten und sich ihre
Einstellung oder Übernahme als Beamtin nicht wegen der Geburt oder Betreu-
ung ihrer drei Kinder verzögert habe. Im gerichtlichen Verfahren stützte die Be-
klagte ihre ablehnende Entscheidung darauf, dass sie im Falle einer Verbeam-
1
2
- 3 -
tung der Klägerin einen Versorgungsabschlag in Höhe von rund 220 000 € an
das Land zu zahlen habe.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, über den Verbeam-
tungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden. Die Ablehnung dürfe nicht auf die Pflicht zur Zahlung
des Versorgungsabschlags gestützt werden, der sich aus § 7 Abs. 4 Satz 1 der
Verordnung über die Wirtschaftsführung der Hochschulen des Landes Nord-
rhein-Westfalen - HWFVO - vom 11. Juni 2007 (GV. NRW. S. 246) in der Fas-
sung der Dritten Änderungsverordnung vom 12. November 2012 (GV. NRW.
S. 610) ergebe. Die Berücksichtigung dieser Zahlungspflicht wirke sich bei Be-
werbern, die das dort bezeichnete Alter überschritten hätten, aufgrund der Ver-
waltungspraxis der Beklagten tatsächlich wie eine Höchstaltersgrenze für die
Übernahme in das Beamtenverhältnis aus. Mit der Berücksichtigung dieser
Zahlungspflicht überschreite die Beklagte die ihrer Entscheidung durch Art. 33
Abs. 2 GG gezogenen Grenzen, weil es an der erforderlichen normativen
Grundlage für diese tatsächlich praktizierte Höchstaltersgrenze fehle.
2. Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO):
a) Darf eine Hochschule bei der Ermessensentscheidung
über die Verbeamtung einer lebensälteren Professo-
rin/eines lebensälteren Professors der Frage Bedeutung
beimessen, ob ein Versorgungsabschlag in nicht unerheb-
licher Höhe an das Land zu zahlen ist?
b) Ist Voraussetzung für die Berücksichtigung dieses
haushaltsrechtlichen Belangs, dass die Entscheidung über
die Verbeamtung des lebensälteren Professors/der le-
bensälteren Professorin nicht allein auf diesen Gesichts-
punkt gestützt wird?
c) Steht eine Berücksichtigung der Zahlungspflicht als ab-
wägungsrelevanter Ermessensbelang in Einklang mit den
der Ermessensausübung durch Art. 33 Abs. 2 GG gezo-
genen Grenzen?
d) Kann grundsätzlich von einer ermessensbindenden
Verwaltungspraxis ausgegangen werden, wenn eine
Hochschule von vier Verbeamtungsanträgen von lebensäl-
3
4
- 4 -
teren Professorinnen/lebensälteren Professoren zwei An-
träge ausschließlich mit der Begründung von Zahlungs-
pflichten (Versorgungsabschlag) an das Land ablehnt?
Die Fragen zu a) bis c) rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie
sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig
beantworten lassen. Die Frage zu d) wäre in dem angestrebten Revisionsver-
fahren nicht entscheidungserheblich.
Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung verwehren Bewerbern mit höherem
Lebensalter den nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG eröffneten Zugang zum
Beamtenverhältnis. Der in dieser Vorschrift verankerte hergebrachte Grundsatz
des Berufsbeamtentums vermittelt Bewerbern um ein öffentliches Amt einen
unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleisteten Anspruch darauf, dass über die
Bewerbung ausschließlich nach Kriterien entschieden wird, die unmittelbar Eig-
nung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen (stRspr; vgl. Urteil vom
17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102 f.> = Buchholz
11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28 f.). Das Lebensalter kann nur dann ein leis-
tungsbezogenes Kriterium darstellen, wenn daraus bei typisierender Betrach-
tung Schlussfolgerungen für die Erfüllung der Anforderungen des Dienstes ge-
zogen werden können. Dies gilt z.B. für den Polizeivollzugs- und Feuerwehr-
dienst, nicht aber für die Tätigkeit als Professor. Daher knüpft der vom Lebens-
alter abhängige Zugang zu einem öffentlichen Amt an ein nicht durch Art. 33
Abs. 2 GG gedecktes Kriterium an (Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C
18.07 - BVerwGE 133, 143 = Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 6
Rn. 9> und vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 31.08 - Buchholz 11 Art. 33
Abs. 2 GG Nr. 44 Rn. 21).
Daher kann eine Höchstaltersgrenze für die Begründung eines Beamtenver-
hältnisses als Einschränkung des Art. 33 Abs. 2 GG nur durch Interessen ge-
rechtfertigt werden, die ihrerseits Verfassungsrang haben. Das Interesse des
Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienst-
zeit und Ruhestandszeit der Beamten stellt ein solches Interesse dar. Die durch
Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Ausstattung der Altersversorgung und ihr Zu-
sammenhang mit der auf das gesamte Berufsleben ausgerichteten Dienstleis-
5
6
7
- 5 -
tungspflicht der Beamten verleiht dem Interesse an angemessen langen Le-
bensdienstzeiten vor dem Eintritt in den Ruhestand einen verfassungsrechtli-
chen Stellenwert. Es folgt aus dem Lebenszeit- und Alimentationsprinzip, die
die lebenslange Versorgung der Ruhestandsbeamten gewährleisten (Urteile
vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <153>
= Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 19, vom 19. Februar 2009 a.a.O.
Rn. 10 und vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59
= Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54 ).
Davon ausgehend kann der Gesetzgeber das nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2
GG gewährleistete Zugangsrecht durch eine Höchstaltersgrenze einschränken,
wobei er einen angemessenen Ausgleich zwischen beiden verfassungsrechtli-
chen Belangen herstellen muss. Die konkrete Festlegung muss auch solchen
Beamtenbewerbern eine realistische Zugangschance eröffnen, deren berufli-
cher Werdegang sich aus anerkennenswerten Gründen verzögert hat (Urteil
vom 23. Februar 2012 a.a.O. Rn. 20 f.).
Nach dieser Rechtsprechung liegt auf der Hand, dass die Ablehnung der Ver-
beamtung nicht auf die Notwendigkeit gestützt werden kann, den Versorgungs-
abschlag nach § 7 Abs. 4 Satz 1 HWFVO zahlen zu müssen. Dieser Ableh-
nungsgrund stellt ein nicht leistungsbezogenes, letztlich auf das (zu hohe) Le-
bensalter abstellendes Auswahlkriterium dar, dessen Berücksichtigung nicht
von Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt ist. Das Lebensalter könnte der Klägerin nur
entgegengehalten werden, wenn dies durch eine rechtswirksame gesetzliche
oder gesetzlich vorgegebene Altersgrenze bestimmt wäre. Nach der Rechtsauf-
fassung des Oberverwaltungsgerichts ist eine solche Altersgrenze für Professo-
ren weder gesetzlich festgelegt noch besteht eine gesetzliche Verordnungs-
ermächtigung. Die Beklagte hat diese rechtlichen Erwägungen nicht angegrif-
fen, sodass es auf ihre Revisibilität nicht ankommt.
Mit der Frage zu d), ob bereits dann von einer ermessensbindenden Verwal-
tungspraxis ausgegangen werden kann, wenn lediglich zwei von vier Anträgen
mit der hier in Rede stehenden Begründung abgelehnt wurden, geht die Be-
schwerde von Tatsachenfeststellungen aus, die das Berufungsgericht nicht ge-
8
9
10
- 6 -
troffen hat. Es hat vielmehr ausgeführt, dass „nach dem unwidersprochen ge-
bliebenen Vortrag der Klägerin“ davon auszugehen ist, „dass die Beklagte in
ständiger Verwaltungspraxis alle Professorinnen und Professoren - nach Fest-
stellung ihrer gesundheitlichen Eignung - verbeamtet, wenn keine Zahlungs-
pflicht nach § 7 Abs. 4 HWFVO durch die Verbeamtung ausgelöst wird“ (UA
S. 15 unten/S. 16 oben). Daran ändere nichts, dass die Beklagte in einem Fall
den anfallenden Versorgungsabschlag an das Land gezahlt habe. Von diesen,
nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat
bindenden Tatsachenfeststellungen wäre auch in dem angestrebten Revisions-
verfahren auszugehen (§ 137 Abs. 2 VwGO).
3. Soweit die Beschwerde im Schriftsatz vom 29. August 2013 Einzelheiten zu
der in der Frage zu d) angesprochenen Verwaltungspraxis der Beklagten bei
der Verbeamtung lebensälterer Professoren darstellt und dem Berufungsgericht
vorwirft, es hätte „auch unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes
nach § 86 Abs. 1 VwGO“ nicht davon ausgehen dürfen, dass sich die Zah-
lungspflicht aus § 7 Abs. 4 HWFVO wie eine Höchstaltersgrenze auswirke, führt
dies zu keiner anderen Beurteilung.
Zum einen ist die darin der Sache nach geltend gemachte Verfahrensrüge
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist
erhoben (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und damit bei der Entscheidung über die
Zulassung der Revision nicht zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht darge-
legt, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der
mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren
Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher
Anhaltspunkte sich dem Berufungsgericht die von der Beschwerde vermissten
Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl.
Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>
= Buchholz 237.5 § 106 HessBG 62 Nr. 1 S. 5 f.; Beschlüsse vom 6. März 1995
- BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 8 f., vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328 und vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 -
Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475).
11
12
- 7 -
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52
Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG und entspricht derjenigen des Berufungs-
gerichts (Beschluss vom 31. Januar 2013).
Domgörgen Dr. Heitz Dr. Hartung
13