Urteil des BVerwG vom 17.02.2004

Konkretisierung, Verwaltung, Beitrag, Werturteil

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 40.03
OVG 1 A 482/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren
auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Der ausschließlich geltend gemachte Revisionszu-
lassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben.
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das erstrebte Revisionsver-
fahren zur Beantwortung entscheidungserheblicher konkreter Rechtsfragen mit über
den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts höchstrichterli-
cher Klärung bedürfen (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>).
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
"ob in einem - wie hier einstufigen - Beurteilungssystem der in der Behörden-
hierarchie hoch angesiedelte Beurteiler, der sich die für die Beurteilung be-
deutsamen Erkenntnisse durch Einholung von Beurteilungsbeiträgen ver-
schafft, allein unter Berufung auf Grundsätze der 'Maßstabswahrung' bei der
Festsetzung der Gesamtnote von den darin vermittelten Erkenntnissen durch
anderweitige eigene Einschätzung abweichen darf, ohne den Grundsatz zu
verletzen, dass Leistungsbeurteilung und Befähigungsbeurteilung jeweils aus
der Bewertung von Einzelmerkmalen abgeleitet werden, wenn und soweit der
Beurteiler nicht aus eigener, zusätzlicher - und dann offenbarungspflichtiger -
Erkenntnis in der Lage ist, sich unabhängig von den Beiträgen ein eigenes
abweichendes Werturteil zu bilden,"
ist bereits geklärt und rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Ein Beurteiler trifft
- jedenfalls dann, wenn er verpflichtet ist, mangels eigener umfassender Erkenntnisse
Beurteilungsbeiträge Dritter einzuholen - die Entscheidung, ob und mit welchem
Gewicht ein Beurteilungsbeitrag zu berücksichtigen ist, in Wahrnehmung seiner Be-
urteilungsermächtigung. Die Feststellungen und Bewertungen in einem Beurteilungs-
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beitrag sind, soweit sie keine Rechtsfehler aufweisen, insoweit beachtlich, als sie bei
der abschließenden Beurteilung zur Kenntnis genommen und bedacht werden müs-
sen. Sie sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare
Grundlage der Regelbeurteilung. Dies schließt nicht aus, dass sich der für die ab-
schließende Beurteilung Zuständige weitere Erkenntnisse über den Beurteilten für
den Zeitraum verschafft, der durch den Beurteilungsbeitrag erfasst wird, dass er die
tatsächliche Entwicklung - insbesondere bestimmte Vorkommnisse - außerhalb die-
ses Zeitraumes besonders gewichtet oder dass er zu einer abweichenden Bewertung
gelangt. Deshalb ist er an die in den Beurteilungsbeiträgen enthaltenen Werturteile
nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung "fortschreibend" über-
nehmen müsste (Urteile vom 2. April 1981 - BVerwG 2 C 34.79 - BVerwGE 62, 135
<140> m.w.N. und vom 5. November 1998 - BVerwG 2 A 3.97 - BVerwGE 107, 360
<362> m.w.N.; stRspr).
Auch die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
"inwieweit das Gebot der gleichmäßigen Beurteilung - Zugrundlegung gleicher
und gleich angewendeter Beurteilungsmaßstäbe - mit der Befugnis zu verein-
baren ist, im Vorhinein Beurteilungsquoten festzusetzen, und inwieweit ein wo-
möglich zugrunde gelegter relativer Maßstab bei individuellen Beurteilungen
sichergestellt werden kann,"
ist nicht geeignet, das Revisionsverfahren zu eröffnen. Es entspricht ständiger
Rechtsprechung, dass der Dienstherr, indem er das in der betreffenden Verwaltung
insgesamt erwartete anteilige Verhältnis der Noten angibt, deren Inhalt und damit die
in der Beurteilung anzuwendenden Maßstäbe näher bestimmen darf. Durch solche
Richtsätze verdeutlicht und konkretisiert er, welchen Aussagegehalt er den in der
Notenskala umschriebenen Noten des Gesamturteils beimisst. Zu einer solchen
Konkretisierung ist der Dienstherr ebenso befugt wie zur Festlegung der Maßstäbe,
nach denen die Noten vergeben werden sollen. Durch die Festlegung von Richtsät-
zen mit dem Ziel, angemessene Quoten für die einzelnen Gesamtnoten zu erreichen,
wird der Charakter einer Regelbeurteilung oder einer planmäßigen Beurteilung als
einer vergleichenden Beurteilung aller Beamten einer Laufbahn und Besoldungs-
gruppe betont, ohne dass andererseits die individuelle Beurteilung der einzelnen Be-
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amten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vernachlässigt oder besei-
tigt würde (vgl. Urteile vom 26. Juni 1980 - BVerwG 2 C 13.79 - Buchholz 232 § 8
BBG Nr. 18 S. 19 ff. und vom 13. November 1997 - BVerwG 2 A 1.97 - Buchholz
232.1 § 40 BLV Nr. 17 S. 3). Danach ergänzen sich Beurteilungsquoten und gleiche
Beurteilungsmaßstäbe; sie stehen nicht in einem Gegensatz zueinander.
Nach dem Vorbringen der Beschwerde ist schließlich nicht erkennbar, dass in einem
Revisionsverfahren die aufgeworfene Frage,
"ob Beurteilungsverfahren, die auf der Einhaltung vorgegebener Bewertungs-
maßstäbe beruhen, von der Einhaltung mathematisch naturwissenschaftlicher
Regeln und der Vorschriften des Bundesstatistikgesetzes freigestellt" sind,
zu klären sein könnte. Eine Aussage über die "Freistellung" hat das Berufungsgericht
nicht getroffen. Die Frage stellte sich auch nicht in einem Revisionsverfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dr. Silberkuhl Groepper Dr. Bayer