Urteil des BVerwG vom 21.07.2010

Aufklärungspflicht, Einfluss, Nichtbewährung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 4.10
OVG 1 A 67/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2009
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klägerin begehrt eine Neubescheidung durch die Beklagte unter Beach-
tung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihre Bewährung bzw. Nichtbe-
währung auf einem höher bewerteten Dienstposten im Sinne des § 11 BLV a.F.
Während das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, weil hierfür eine
dienstliche Beurteilung erforderlich sei, hat das Berufungsgericht die Klage ab-
gewiesen. Nach seiner Auffassung bedurfte es keiner dienstlichen Beurteilung.
2. Die Beschwerde sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO an, ob die Feststellung der Eignung für einen höher bewer-
teten Dienstposten in einem förmlichen (Beurteilungs-)verfahren zu erfolgen hat
oder nicht, mithin, ob die Beurteilungsbestimmungen auch auf die Fälle der
(Nicht-) Bewährungsfeststellung i.S.d. § 11 BLV a.F. anzuwenden sind. Zur Be-
gründung bezieht sie sich auf das erstinstanzliche Urteil und verweist auf das
Urteil des Senats vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 2.06 - (Buchholz 232.1
§ 11 BLV Nr. 4).
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Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu ent-
scheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Inte-
resse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der
Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961
- BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO
Nr. 18; stRspr). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die mit der Be-
schwerde aufgeworfene Frage ist nicht entscheidungserheblich und lässt sich
zudem anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwor-
ten.
Das Berufungsgericht schließt aus, dass allein das Fehlen einer förmlichen
dienstlichen Beurteilung irgendeinen Einfluss auf das inhaltliche Ergebnis der
Prüfung und Feststellung der (Nicht-) Eignung gehabt haben könne. Die Be-
schwerde meint demgegenüber, die Frage sei gleichwohl entscheidungserheb-
lich und „tritt insoweit den Äußerungen ausdrücklich entgegen“, weil nicht von
vornherein auszuschließen sei, dass auf diesem Weg eine Verständigung der
nunmehr völlig verhärteten Fronten hätte stattfinden können, welche zu einer
Bewährungsfeststellung hätte führen können. Im Übrigen verbiete sich eine
Argumentation vom Ergebnis der Neubescheidung her. Dies widerspricht je-
doch den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die mangels ei-
ner zulässigen und begründeten Verfahrensrüge in einem Revisionsverfahren
zugrunde zu legen wären.
Im Übrigen verweisen das Berufungsurteil und die Beklagte zutreffend darauf,
dass der Senat im Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. entschieden hat, dass
§ 11 BLV a.F. eine förmliche Bewährungsfeststellung nicht vorsieht. Dem
Dienstherrn ist aufgrund seines organisatorischen Ermessens, innerhalb des
gesetzlich vorgegebenen Rahmens das Verfahren der Bewährungsfeststellung
im Einzelnen zu bestimmen, eine solche förmliche Feststellung jedoch nicht
verwehrt. Sieht er eine solche förmliche Feststellung nach einem bestimmten
Verfahren vor, so sind diese selbst gesetzten Vorgaben zu beachten. Dass es
besondere Vorschriften für das Verfahren der Eignungsfeststellung im Sinne
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des § 11 BLV a.F. im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung gebe
oder gegeben habe oder der Dienstherr dessen Beurteilungsbestimmungen
vom 13. April 2004 in diesem Sinne anwende oder angewendet habe oder es
eine ständige tatsächliche Praxis in diesem Sinne gebe oder gegeben habe, hat
das Berufungsgericht verneint. Dem tritt die Beschwerde nicht substantiiert
entgegen. Mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrüge wären auch
diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in einem Revisions-
verfahren zugrunde zu legen. Schon deswegen gehen die Grundsatzrüge und
die hilfsweise erhobene Abweichungsrüge an dem vom Oberverwaltungsgericht
festgestellten Sachverhalt vorbei.
3. Die Beschwerde meint außerdem, die Revision sei nach § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO zuzulassen, weil das Berufungsgericht seiner Aufklärungspflicht nach
§ 86 VwGO nicht nachgekommen sei. Für die Bewährungsfeststellung sei nur
auf dienstpostenfremde Tätigkeiten abgestellt worden, zu denen die Beklagte
bereits zuvor eine vorgezogene Beförderungsentscheidung getroffen habe.
Diese Vorgänge seien aber nicht zu den Gerichtsakten gereicht worden. Die
weitere Sachaufklärung hätte sich dem Tatsachengericht aufdrängen müssen.
Die Bewährungsfeststellung sei tätigkeitsgebunden, so dass es entscheidungs-
erheblich gewesen sei, ob Tätigkeiten des Dienstpostens TE/Z 353/315 oder
des Dienstpostens TE/Z 353/514 ausgeübt worden seien. Insofern verweist die
Beschwerde auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Ausweislich des
Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht wurde dieser
Vortrag von der Beklagten als „völlig neu“ bezeichnet und seine Richtigkeit
wurde bestritten.
Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Das Maß der Sachaufklärungspflicht be-
stimmt sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts (Urteil vom
25. Juni 1986 - BVerwG 6 C 98.83 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 177;
stRspr). Nach Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die in den
Gründen der angegriffenen Entscheidung im Einzelnen dargelegt ist, ist es un-
erheblich, ob die Klägerin mit den Aufgaben des ihr übertragenen oder mit den
Aufgaben eines anderen Dienstpostens betraut war; maßgeblich sei allein die
tatsächliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben. Angesichts dessen
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musste das Oberverwaltungsgericht nicht aufklären, welcher Dienstposten der
Klägerin übertragen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3 und
§ 52 Abs. 2 GKG.
Herbert
Thomsen
Dr. Hartung
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