Urteil des BVerwG vom 20.01.2009

Beamtenverhältnis, Aktiven, Überzeugung, Disziplinarverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 4.08
OVG 3 LD 3/06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 20. September 2007 wird zu-
rückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte hat nicht ge-
mäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 69 BDG dargelegt, dass ein Revisionszulas-
sungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO, § 69 BDG gegeben ist.
1. Der 1957 geborene Beklagte, ein Bundesbahnoberinspektor, wurde 1995
aufgrund einer psychischen Erkrankung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhe-
stand versetzt. Im Dezember 2001 trat er als Beamter auf Widerruf in den Juris-
tischen Vorbereitungsdienst der Freien und Hansestadt Hamburg ein. Als der
Kläger hiervon erfuhr, betrieb er die Reaktivierung des Beklagten als Bundes-
beamter zum 1. Dezember 2002. Nach erfolgloser Inanspruchnahme gerichtli-
chen Rechtsschutzes trat der Beklagte am 24. März 2003 seinen Dienst bei der
Deutschen Bahn AG an. Im April 2003 wurde er vorläufig des Dienstes entho-
ben.
Bereits unter dem 12. Februar 2003 hatte der Kläger gegen den Beklagten ge-
mäß § 17 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Berufungsge-
richt hat im Disziplinarklageverfahren die vom Verwaltungsgericht ausgespro-
chene Entfernung des Beamten aus dem Dienst bestätigt. Es sei nachgewie-
sen, dass der Beklagte im Zeitraum vom 2. Dezember 2002 bis zum 23. März
2003 seine sich aus § 77 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 BBG ergebende
Pflicht, einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis nachzukommen,
verletzt habe. Die Dienstfähigkeit des Beklagten während dieses Zeitraums
stehe aufgrund des Gutachtens des Oberbahnarztes fest. Er habe vorsätzlich
gehandelt. Das Dienstvergehen stehe hinsichtlich der Schwere einem unge-
nehmigten Fernbleiben vom Dienst gleich. Daher sei die Entfernung aus dem
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Dienst erforderlich. Es lägen keine entlastenden Gesichtspunkte solchen Ge-
wichts vor, dass eine günstigere Beurteilung gerechtfertigt wäre (§ 13 BDG).
2. Der Beklagte wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG die Frage auf,
ob die vorübergehende Nichterfüllung der Pflicht zur „Reakti-
vierung“ die Entfernung aus dem öffentlichen Dienst (§ 77
Abs. 2 Nr. 4 BBG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 5 BDG) rechtfertigt.
Er vertritt hierzu die Auffassung, dass nur ein dauerhaftes und endgültiges
„Nichtnachkommen“ der erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis den Tat-
bestand des § 77 Abs. 2 Nr. 4 BBG erfülle und nicht lediglich die zeitlich
vorübergehende Weigerung. Bei aktiven Beamten werde jede Form des Fern-
bleibens vom Dienst erfasst und auf der Rechtsfolgenseite die Dauer im Rah-
men der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt, sodass sich die Schwere der
Pflichtverletzung in der Art und im Gewicht der Disziplinarmaßnahme im Sinne
des § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BDG widerspiegeln könne. Für Ruhestandsbeamte
kenne das Gesetz nur die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts, so-
dass ein Verstoß im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 4 BBG nur ein beharrliches und
damit endgültiges Unterlassen sein könne, damit die Maßnahme - die Aberken-
nung des Ruhegehalts - angemessen sei.
Diese Frage kann die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung
gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG nicht rechtfertigen, weil kein Klä-
rungsbedarf besteht. Sie kann aufgrund der Rechtsprechung des Senats und
des Disziplinarsenats beantwortet werden.
Nach dieser Rechtsprechung verpflichten die Bemessungsregelungen gemäß
§ 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG die Verwaltungsgerichte, über die Disziplinar-
maßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall
belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Maßgebendes
Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1
Satz 2 BDG; sie ist richtungweisend für die Bestimmung der Disziplinarmaß-
nahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen im Regelfall nach
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seiner Schwere einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen zu-
zuordnen ist. Dabei kann auf die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungs-
gerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen zu-
rückgegriffen werden. Auf der Grundlage dieser Zuordnung kommt es für die
Festlegung der angemessenen Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkennt-
nisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG
und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4
BDG im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die
Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (Ur-
teile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>
= Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 -
Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3).
In den Fällen der schuldhaften Verletzung der sich aus § 77 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m.
ergebenden Pflicht eines Ruhestandsbeamten, einer
erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis nachzukommen, lässt sich aus der
Rechtsprechung des Disziplinarsenats (Urteil vom 29. Mai 1995 - BVerwG 1 D
67.92 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 5) ableiten, dass das Dienstvergehen des
Ruhestandsbeamten dem schuldhaften ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst
(§ 73 Abs. 1 BBG) bei Beamten im aktiven Dienst gleichsteht. Ein vorsätzliches
unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren
Monaten ist regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören. Denn
aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, überhaupt
zum Dienst zu erscheinen, offenbart ein vorsätzliches Fernbleiben über einen
längeren Zeitraum ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und
Pflichtvergessenheit (Urteile vom 22. April 1991 - BVerwG 1 D 62.90 -
BVerwGE 93, 78 <80 ff.>, vom 6. Mai 2003 - BVerwG 1 D 26.02 - juris Rn. 54 ff.
und vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 2.05 - juris Rn. 51). Der Dauer des
Fernbleibens vom Dienst entspricht bei der vorgesehenen Reaktivierung von
Ruhestandsbeamten die Beharrlichkeit, mit der sich ein Ruhestandsbeamter
der Wiederberufung entzieht. Dies ist jedenfalls angenommen worden bei einer
Weigerung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. Dabei ist nicht allein
der Zeitablauf entscheidend, sondern es sind auch sonstige Umstände zu
berücksichtigen, die das hohe Maß an Pflichtvergessenheit bestätigen, das dem
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Vorwurf einer beharrlichen Weigerungshaltung zugrunde liegt (Urteil vom
29. Mai 1995 a.a.O.).
Davon ausgehend werfen die Entfernung des Beklagten aus dem Beamten-
verhältnis und die dafür maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts
keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO auf. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist
der Beklagte seiner Wiederberufung in das Beamtenverhältnis nahezu vier Mo-
nate nicht nachgekommen, stand während dieser Zeit im juristischen Vorberei-
tungsdienst eines anderen Dienstherrn und hat alles versucht, sich diesen Sta-
tus zu erhalten. Das Berufungsgericht hat sein Verhalten als beharrliche Wei-
gerung gewertet, eine grundlegende Dienstpflicht zu erfüllen, davon ausgehend
die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Richtschnur für die Maßnahme-
bemessung zugrunde gelegt und mildernden Umständen kein hinreichendes
Gewicht beigemessen, um eine weniger einschneidende Maßnahme rechtferti-
gen zu können. Diese rechtliche Würdigung der Umstände des Falles ist revisi-
onsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist es unerheblich, dass bei aktiven
Beamten die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BDG genannten Disziplinarmaßnahmen
ausgesprochen werden können, während das Gesetz für Ruhestandsbeamte
nur die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2
BDG) kennt. Denn der Beklagte hat das Dienstvergehen zwar als Ruhestands-
beamter begangen, die Disziplinarmaßnahme ist jedoch gegen ihn als aktiver
Beamter verhängt worden.
Im Übrigen kommt die Aberkennung des Ruhegehalts nach § 13 Abs. 2 Satz 2
BDG nur dann in Betracht, wenn bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus
dem Dienst hätte erfolgen müssen. Der Kürzung des Ruhegehalts bei Ru-
hestandsbeamten (§ 11 BDG) entspricht die Gehaltskürzung bei aktiven Beam-
ten (§ 8 BDG), wie sich aus dem Verweis in § 11 Satz 2 BDG ergibt (vgl. auch
§ 15 Abs. 2 BDG). Besonderheiten ergeben sich hier für Ruhestandsbeamte
aus § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 33 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und § 59 Abs. 1 Nr. 1 BDG.
Würde bei einem aktiven Beamten eine Zurückstufung (§ 9 BDG) ausgespro-
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chen werden, so muss, da es eine entsprechende Maßnahme für Ruhestands-
beamte nicht gibt, ebenfalls auf die Ruhegehaltskürzung erkannt werden, wenn
deren Voraussetzungen vorliegen. Kämen nur Geldbuße (§ 7 BDG) oder Ver-
weis (§ 6 BDG) in Betracht, so ist bei einem Ruhestandsbeamten das Diszipli-
narverfahren einzustellen (§ 32 Abs. 1 Nr. 4 BDG) bzw. die Disziplinarklage
abzuweisen.
Das Gesetz stellt damit sowohl für Ruhestandsbeamte als auch für aktive Be-
amte gleichermaßen in ihrer Schwere gestufte Disziplinarmaßnahmen zur Ver-
fügung, die es ermöglichen, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit
nach den Erfordernissen des § 13 BDG angemessen auf das begangene
Dienstvergehen zu reagieren.
3. Auch die zweite, als vermeintlich grundsätzlich klärungsbedürftig aufgewor-
fene Frage (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG),
ob bei einem „reaktivierten Beamten“ eine Pflichtverletzung
zur Entlassung führen kann, die er als Ruhestandsbeamter
begangen hat, bzw.
ob eine Pflichtverletzung, die wegen ihrer Eigenarten nur von
einem Ruhestandsbeamten begangen werden kann und dar-
in besteht, dass der Begründung des Beamtenverhältnisses
nicht sofort Folge geleistet wurde, nach Reaktivierung unein-
geschränkt mit den für „aktive Beamten“ vorgesehenen Dis-
ziplinarmaßnahmen - hier: der Entlassung aus dem öffentli-
chen Dienst - reglementiert werden kann,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie lässt sich anhand des Wort-
lauts des Gesetzes beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisi-
onsverfahrens bedarf.
Der Beklagte meint, die Reaktivierungspflicht könne nur einen Ruhestandsbe-
amten treffen, sodass die Verletzung dieser Pflicht auch nur mit einer disziplina-
ren Maßnahme für einen Ruhestandsbeamten geahndet werden dürfe. Wie im
Strafverfahren müsse das Recht angewandt werden, das im Zeitpunkt der Tat
gegolten habe. Jede andere Betrachtungsweise verstoße gegen Art. 3 Abs. 1
GG und Art. 103 Abs. 2 GG. Hierfür spreche auch § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
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BDG, der nur den umgekehrten Fall regele, sodass für aktive Beamte, die als
Ruhestandsbeamte ein Dienstvergehen begangen hätten, eine
- möglicherweise bewusste - Lücke im Gesetz vorliege.
Diese Argumentation geht an der Systematik des Bundesdisziplinargesetzes
vorbei, das zwischen persönlichem und sachlichem Anwendungsbereich unter-
scheidet und die Art der möglichen Disziplinarmaßnahmen von der Rechtsstel-
lung des Beamten abhängig macht. Danach ist gegen einen aktiven Beamten
nur eine der in § 5 Abs. 1 BDG genannten Disziplinarmaßnahmen möglich.
Hierbei ist es unerheblich, ob er das Dienstvergehen als aktiver Beamter oder
im Ruhestand begangen hat. Diese Unterscheidung ist nur im Zusammenhang
mit der Frage von Bedeutung, ob ein Dienstvergehen vorliegt. Denn der Pflich-
tenkreis des aktiven Beamten unterscheidet sich von demjenigen des Ruhe-
standsbeamten. Im Einzelnen gilt Folgendes:
§ 1 BDG bestimmt den persönlichen Geltungsbereich des Bundesdisziplinarge-
setzes, d.h. auf wen das Bundesdisziplinargesetz Anwendung findet. § 2 BDG
bestimmt den sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes, d.h. bei welchen
Dienstvergehen das Gesetz Anwendung findet. Dabei erfolgt ein Verweis auf
§ 77 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG). Diese Vorschrift definiert,
wann ein aktiver Beamter ein Dienstvergehen begeht, nämlich nach Abs. 1
Satz 1 bei schuldhafter Verletzung der Dienstpflichten und nach Satz 2 bei be-
stimmten Verhaltensweisen außerhalb des Dienstes. Vordienstliche Verfehlun-
gen sind damit der disziplinaren Ahndung entzogen. Im Ruhestand sind wegen
der im Wesentlichen nur noch nachwirkenden Dienstpflichten nicht mehr alle
Verhaltensweisen gleichermaßen wie bei einem aktiven Beamten geeignet, ein
Dienstvergehen zu begründen, sodass § 77 Abs. 2 BBG den Kreis der mögli-
chen Dienstvergehen enger zieht. Dieser Systematik folgend unterscheidet § 2
BDG in Abs. 1 Nr. 1 die von aktiven Beamten - während des aktiven Beamten-
verhältnisses - begangenen Dienstvergehen und in Abs. 1 Nr. 2 die von Ruhe-
standsbeamten begangenen Dienstvergehen in solche, die während des akti-
ven Dienstverhältnisses (Buchst. a) und solche, die während des Ruhestandes
(Buchst. b) begangen wurden. Eine Gesetzeslücke ergibt sich hier nicht. Im
Gegenteil hebt § 2 Abs. 2 BDG die Einheit des Dienstverhältnisses hervor und
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ermöglicht die disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstpflichtverletzungen, die
in einem früheren Dienstverhältnis, bei Dienstherrenwechsel bzw. im vormali-
gen Ruhestand begangen wurden (Urteil vom 14. Februar 2007 - BVerwG 1 D
12.05 - BVerwGE 128, 125 <128 f.> = Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 26).
§ 5 BDG bezeichnet schließlich die möglichen Disziplinarmaßnahmen und un-
terscheidet dabei danach, ob der Beamte bei Ausspruch der Disziplinarmaß-
nahme aktiver Beamter (Abs. 1) oder Ruhestandsbeamter (Abs. 2) ist. Denn
eine Degradierung oder ein Verweis machen bei einem Ruhestandsbeamten
wenig Sinn, ebenso eine Ruhegehaltskürzung bei einem aktiven Beamten. Die
Rechtsfolge der jeweils höchsten Disziplinarmaßnahme, nämlich der Entfernung
aus dem Beamtenverhältnis einerseits (§ 10 BDG) bzw. der Aberkennung des
Ruhegehalts (§ 12 BDG) andererseits besteht darin, dass das Band zum
Dienstherrn, das auch bei einem Ruhestandsbeamten noch besteht, ganz
durchschnitten wird. Den Gleichklang dieser beiden Maßnahmen verdeutlicht
§ 10 Abs. 2 Satz 2 BDG. Danach gilt die Entfernung aus dem Beamtenverhält-
nis als Aberkennung des Ruhegehalts, wenn der Beamte vor Unanfechtbarkeit
der Entscheidung in den Ruhestand tritt.
4. Diese Fragen - so die Beschwerde weiter - seien auch deshalb klärungsbe-
dürftig, weil der Ruhestandsbeamte nur deshalb in das „aktive“ Beamten-
verhältnis überführt worden sei, um die Maßnahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 BDG
treffen zu können. Es sei klärungsbedürftig, ob eine derartige unzulässige
Rechtsausübung dem an Recht und Gesetz gebundenen Dienstherrn gestattet
werden dürfe.
Zur Begründung weist der Beklagte darauf hin, dass der Dienstherr bereits am
12. Februar 2002 das Disziplinarverfahren eingeleitet und die Auffassung ver-
treten habe, dass das Dienstvergehen mit der disziplinaren Höchstmaßnahme
zu ahnden sei. Der Beamte sei aber gleichwohl am 24. März 2003 ernannt wor-
den. Dies verstoße gegen §§ 4, 5 und 45 BBG. Es sei unzulässig, einen Ruhe-
standsbeamten allein aus dem Grund zu reaktivieren, um ihn umgehend im
Zuge eines Disziplinarverfahrens wieder aus dem Dienst zu entfernen. Ein sol-
ches Verhalten sei auch rechtsmissbräuchlich und in sich widersprüchlich.
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Auch diese Frage bedarf keiner Klärung mehr in einem Revisionsverfahren.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Kläger hierzu bereits in seinem Nicht-
annahmebeschluss vom 10. August 2006 - 2 BvR 563/05 - (Rn. 20, DVBl 2006,
1370 ff.) zutreffend darauf hingewiesen, dass das zeitgleiche Betreiben der
Reaktivierung und des Disziplinarverfahrens kein Widerspruch sei. Denn die
Folge des disziplinarischen Vorgehens müsse nicht zwingend die Entfernung
aus dem Dienst sein.
Im Übrigen käme es auf die Frage in einem Revisionsverfahren auch nicht er-
heblich an. Denn die Rechtsfolgen der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
und der Aberkennung des Ruhegehalts sind im Ergebnis gleich.
5. Die Beschwerde rügt Abweichungen vom Beschluss des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 2 B 145.88 - (§ 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO, § 69 BDG) und vom Urteil vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 2 C 7.97 -
(BVerwGE 105, 267). Das Berufungsgericht habe den für die Beurteilung der
Dienstfähigkeit und das Verschulden entscheidungserheblichen Rechtssatz
aufgestellt, es sei schlechterdings ausgeschlossen, für ein bestimmtes, „ge-
nehmes“ Beamtenverhältnis dienstfähig, jedoch für ein anderes Beamten-
verhältnis dienstunfähig zu sein. Dies stehe im Widerspruch zur Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei Beurteilung der Dienstfähigkeit
auf die im konkreten Amt dem Beamten obliegenden Dienstpflichten abzustel-
len sei. Die Belastung durch ein Ausbildungsverhältnis sei nicht vergleichbar mit
der Wahrnehmung des Amtes eines Bahnoberinspektors.
Auch diese Rüge vermag nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn es
handelt sich hierbei um keinen die Entscheidung des Berufungsgerichts tra-
genden Rechtssatz. Das Berufungsgericht hat vielmehr entscheidend auf die
Anforderungen des konkreten Amtes abgestellt. Eine Divergenz im Sinne von
§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 69 BDG setzt voraus, dass das Berufungsgericht in
dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden
abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widerspro-
chen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechts-
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vorschrift aufgestellt hat. Das ist der Fall, wenn das Berufungsgericht einen im
zu entscheidenden Fall erheblichen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts
nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält. Deshalb liegt kein Fall der Diver-
genz vor, wenn das Berufungsgericht zwar einen solchen abstrakten Rechts-
satz aufgestellt hat, seine Entscheidung hierauf aber nicht beruht. Ebenso we-
nig genügt es, wenn das Berufungsgericht einen Rechtssatz des Bundesver-
waltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die
rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdi-
gung geboten sind (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 und vom 3. Juli 2007
- BVerwG 2 B 18.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1).
Das angegriffene Urteil beruht nicht auf dem vom Beklagten beanstandeten
Rechtssatz. Das Berufungsgericht hat zunächst den tragenden Rechtssatz auf-
gestellt, dass Dienstunfähigkeit dann vorliegt, wenn der Beamte aufgrund sei-
nes körperlichen oder geistigen Zustandes außerstande ist, den ihn übertrage-
nen dienstlichen Aufgaben nachzukommen (UA S. 15, 2. Absatz). Hiervon aus-
gehend hat es ausgeführt, dass der sachverständige Zeuge, der Oberbahnarzt,
„die Dienstfähigkeit des Beklagten mit Blick auf den Verwaltungsdienst bei dem
Kläger, gerichtet auf den Dienstposten eines Oberinspektors bei der Bahnver-
sorgung untersucht habe“. Die Aufnahme des juristischen Vorbereitungsdiens-
tes habe den Oberbahnarzt in seiner positiven Einschätzung der Dienstfähigkeit
bestätigt, weil das Referendariat letztlich auch mit einer Verwaltungstätigkeit
verbunden sei (UA S. 17 unten). Sodann heißt es: „Soweit es nicht um beson-
dere Laufbahnen wie etwa die des Polizeivollzugsdienstes geht, ist die Frage
der Dienstfähigkeit nur einheitlich beantwortbar; der Beklagte hat durch die
Aufnahme des juristischen Vorbereitungsdienstes, der in seinen gesundheitli-
chen Anforderungen und hier in Bezug auf die Belastbarkeit eher höhere als
niedrigere Anforderungen an die gesundheitliche Eignung stellt, demonstriert,
dass er selbst auch von seiner Dienstfähigkeit ausging.“ (UA S. 17 unten/
18 oben). Nach dem von der Beschwerde beanstandeten Rechtssatz aus dem
Urteil (UA S. 19, 2. Absatz) folgt der weitere Satz: „Auch ist nicht erkennbar,
dass der juristische Vorbereitungsdienst in beamtenrechtlicher Hinsicht geringe-
re Anforderungen an die Eignung eines Beamten stellen würde als etwa die
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Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes.“ In diesem
Sinne sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichts im Rahmen des Ver-
schuldens zu verstehen (UA S. 23, 2. Absatz). Bei der Bejahung des bedingt
vorsätzlichen Handelns hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht entschei-
dungserheblich auf den von der Beschwerde zitierten Rechtssatz abgestellt.
Denn anderenfalls wäre es nicht lediglich von bedingt vorsätzlichem Handeln,
sondern von einem direkten Vorsatz ausgegangen (vgl. UA S. 20, 3. Absatz).
6. Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO, § 69 BDG) bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
a) Der Beklagte rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht habe seine Aufklä-
rungspflicht dadurch verletzt, dass es keine weitere Beweisaufnahme durchge-
führt habe. Denn das Berufungsgericht hat seine Überzeugung von der Dienst-
fähigkeit des Beklagten auf das Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweis-
aufnahme gestützt.
Hierzu rügt die Beschwerde, dass die Gutachten des Oberbahnarztes Dr. H.
und des Amtsarztes Dr. M. zueinander im Widerspruch stünden. Deshalb habe
das Gericht dem Umstand der Aufnahme des juristischen Vorbereitungsdiens-
tes in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung beigemessen. Dieser
Umstand sei aber unerheblich, da sich die Dienstfähigkeit nur in Bezug auf das
konkrete Amt feststellen lasse, sodass sich dem Gericht die Ladung eines wei-
teren sachverständigen Zeugen hätte aufdrängen müssen. Insbesondere hätte
es seinem Antrag vom 7. August 2007 auf Vernehmung seines langjährigen
Therapeuten nachkommen müssen. Die unterbliebene Beweisaufnahme hätte
höchstwahrscheinlich ergeben, dass er nicht in der Lage gewesen sei, das Amt
eines Bahnoberinspektors zu erfüllen.
Der damit geltend gemachte Verstoß gegen die Pflicht zur umfassenden Sach-
aufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO, § 58 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG
liegt aus mehreren Gründen nicht vor:
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aa) Über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten hat das
Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (vgl. § 98 VwGO, § 412
Abs. 1 ZPO, § 3 BDG). Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens
kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine
weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Das ist wiederum nur dann der
Fall, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen,
dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts
erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die
Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kommt dann in
Betracht, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder
unlösbare inhaltliche Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen
Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde
oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (vgl. u.a. Urteile vom 19. De-
zember 1968 - BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156> und vom 6. Fe-
bruar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> m.w.N.). Die Verpflich-
tung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass
ein Beteiligter ein vorliegendes Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend
hält (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - Buch-
holz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53, vom 17. August 2005 - BVerwG 2 B 39.05 -,
vom 10. November 2005 - BVerwG 2 B 54.05 -, vom 4. Januar 2007 - BVerwG
10 B 20.06 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 und vom 26. Februar
2008 - BVerwG 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <259 f.>).
Das Berufungsgericht ist den Ausführungen des Oberbahnarztes Dr. H. gefolgt.
Es hat zunächst zutreffend dargelegt, dass der medizinischen Beurteilung des
Amtsarztes, dem der Bahnarzt gleichsteht, aufgrund dessen Neutralität und
Unabhängigkeit vor der Beurteilung des behandelnden Privatarztes grundsätz-
lich Vorrang zukommt (UA S. 15 unten, vgl. Urteile vom 11. April 2000
- BVerwG 1 D 1.99 - juris, vom 9. Oktober 2002 - BVerwG 1 D 3.02 - juris, vom
12. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 2.05 - juris). Die Beschwerde hat keinen Man-
gel dargelegt, der die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich ge-
macht hätte.
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Allein die Tatsache, dass der Amtsarzt Dr. M. die gesundheitliche Eignung des
Beklagten für den juristischen Vorbereitungsdienst im Nachhinein anders beur-
teilt hat, führt zu keinem Mangel im Gutachten des Oberbahnarztes. Dies ergibt
sich bereits daraus, dass die Frage der gesundheitlichen Eignung für den juris-
tischen Vorbereitungsdienst und der Dienstfähigkeit für das Amt eines Oberin-
spektors bei der Bahnversorgung voneinander zu trennen sind. Die gesundheit-
liche Eignungsprognose ist in die Zukunft gerichtet und muss sich auf die kör-
perlichen Anforderungen in den verschiedenen Ämtern der angestrebten Lauf-
bahn beziehen. Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die kör-
perlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und de-
ren Auswirkungen auf sein gegenwärtiges und künftiges Leistungsvermögen
bestimmt werden. Dabei sind ausgehend vom gegenwärtigen Gesundheitszu-
stand und in der Vergangenheit aufgetretener Erkrankungen insbesondere
hieraus resultierende mögliche gesundheitliche Risiken, die erst in der Zukunft
eintreten können, Gegenstand der Prognoseentscheidung. Demgegenüber be-
trifft die Frage der Dienstfähigkeit den gegenwärtigen Gesundheitszustand in
Bezug auf ein konkretes Amt. Hierauf hat auch Dr. M. hingewiesen und - so das
Berufungsgericht weiter - betont, dass er die Stellungnahme des Oberbahnarz-
tes für durchaus stichhaltig halte.
Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang abschließend ausführt,
dass es dem Umstand der Aufnahme des juristischen Vorbereitungsdienstes
entscheidende Bedeutung beimesse (UA S. 18 unten), so resultiert hieraus we-
der ein Mangel in dem Gutachten des Oberbahnarztes noch zeigt dies, dass
dem Gericht selbst Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beklagten geblieben sind,
das Gutachten also nicht geeignet war, die Bildung der für die Entscheidung
notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Vielmehr unterstreicht das
Berufungsgericht an dieser Stelle lediglich das Ergebnis seiner vorherigen Aus-
führungen, in denen es dargelegt hat, warum es der Einschätzung des Ober-
bahnarztes folgt. Der Oberbahnarzt war zu dem Ergebnis gekommen, dass der
Beklagte nicht mehr an der depressiven Störung litt, die zu seiner Zurruheset-
zung geführt hatte. Dies beruhte unter anderem auf einer positiven Selbstein-
schätzung, die sich auch darin äußerte, dass der Beklagte den juristischen
Vorbereitungsdienst aufgenommen hatte, sich also für dienstfähig hielt. Das
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Berufungsgericht hebt weiter hervor, dass beide Tätigkeiten Verwaltungstätig-
keiten seien und der juristische Vorbereitungsdienst keine geringeren Anforde-
rungen an die Dienstfähigkeit stelle als die Tätigkeit bei der Bahnversorgung
(UA S. 19, 2. Absatz).
bb) Im Übrigen - wenn sich eine (weitere) Beweiserhebung nicht aufdrängt - ist
nach ständiger Rechtsprechung die Tatsacheninstanz im verwaltungsgerichtli-
chen Verfahren trotz des Amtsermittlungsprinzips grundsätzlich nicht verpflich-
tet, eine Beweiserhebung vorzunehmen, die eine anwaltlich vertretene Partei
- entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts -
nicht beantragt hat (vgl. u.a. Urteil vom 8. April 1963 - BVerwG 8 C 41.61 -
Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 21, stRspr). Dass der anwaltlich vertretene Be-
klagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen Beweis-
antrag zu der von der Beschwerde vermissten weiteren Aufklärung gestellt hat,
ist entgegen dem Beschwerdevorbringen der Niederschrift über die mündliche
Verhandlung nicht zu entnehmen (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 105 VwGO i.V.m.
§ 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 3 BDG). Dass dieses Protokoll die vom Vertreter des
Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge nicht vollständig
wiedergibt, trägt auch die Beschwerde nicht vor.
cc) Letztlich richten sich die Angriffe der Beschwerde gegen die Beweiswürdi-
gung. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist aber vom Senat als Revisionsge-
richt nur daraufhin überprüfbar, ob Beweiswürdigungsgrundsätze wie etwa Aus-
legungsregeln (§§ 133, 157 BGB), gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und
allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind (stRspr; vgl. Urteile vom 6. Februar
1975 - BVerwG 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <361>, vom 27. November 1980
- BVerwG 2 C 38.79 - BVerwGE 61, 176 <188>). Ein Verstoß gegen die Denk-
gesetze liegt nur dann vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik
schlechthin nicht gezogen werden kann. Es reicht nicht aus, dass das Gericht
andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrens-
beteiligten hätten gezogen werden müssen.
Das Berufungsgericht hat die Gutachten und die Stellungnahmen der beiden
Amtsärzte und auch die sonstigen ihm vorliegenden Unterlagen, etwa das vom
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behandelnden Psychotherapeuten erstellte Konzept zur Wiedereingliederung,
plausibel und nachvollziehbar gewürdigt. Es hat sich mit den scheinbaren Wi-
dersprüchen in den Aussagen des Oberbahnarztes und des Amtsarztes aus-
einander gesetzt und mit den Einwänden des Beklagten. Demgegenüber hat
der Beklagte einen Verstoß gegen einen Grundsatz der Beweiswürdigung nicht
dargelegt. Insbesondere hat er nicht aufgezeigt, in welcher Hinsicht das Amt
eines Oberbahninspektors bei der Bahnversorgung höhere Anforderungen an
die psychische Belastbarkeit stellen könnte als die im juristischen Vorberei-
tungsdienst zu absolvierenden Tätigkeiten.
b) Auch mit den weiteren Ausführungen wird ein Verstoß gegen das Gebot um-
fassender Beweiswürdigung, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 3 BDG nicht darge-
legt.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 3 BDG entscheidet das Gericht nach sei-
ner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeu-
gung. Dieser Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Überzeugungsgrundsatz)
verpflichtet das Gericht, den gesamten Prozessstoff wie etwa Beweismittel, Er-
klärungen der Verfahrensbeteiligten, Akteninhalt oder gerichtskundige Tatsa-
chen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und ihren Aussage- und Be-
weiswert zu bestimmen. Sofern keine gesetzlichen Beweisregeln bestehen, ist
das Gericht bei der Würdigung der verschiedenen Bestandteile des Prozess-
stoffes lediglich an Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze gebunden und muss
gedankliche Brüche und Widersprüche vermeiden (Urteil vom 3. Mai 2007
- BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50; stRspr). Ein
Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 3 BDG liegt vor, wenn das Gericht
bei seiner Beweiswürdigung von einem unrichtigen oder unvollständigen Sach-
verhalt ausgeht (Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE
68, 338 <339> = Buchholz 448.0 § 25 WPflG Nr. 147; Beschluss vom 4. August
2006 - BVerwG 2 B 35.06 - juris Rn. 4; stRspr). Das Gericht ist aber nicht
gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wieder-
zugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108
Abs. 1 Satz 2 VwGO).
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aa) Die Beschwerde rügt, das Urteil des Berufungsgerichts lasse nicht erken-
nen, dass die nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG erforderliche umfassende Ge-
samtabwägung aller be- und entlastenden Umstände erfolgt sei. Das Gericht
führe an keiner Stelle die zugunsten des Beklagten vorliegenden Milderungs-
gründe auf. Insbesondere wäre - wie vom Verwaltungsgericht Hannover im Be-
schluss über die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge ausdrücklich ange-
sprochen - als Milderungsgrund zu berücksichtigen gewesen, dass der Be-
schwerdeführer zunächst vom Verwaltungsgericht Hamburg im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren rechtsschutzlos gestellt worden sei. Weiter sei zu be-
rücksichtigen gewesen, dass der Vorwurf, einer Reaktivierung nicht Folge zu
leisten, die nur erfolge, um den Beamten endgültig aus dem Beamtenverhältnis
zu entfernen, anders zu beurteilen sei als ein Dienstvergehen, bei dem der Be-
amte die Erwartung seines Dienstherrn über die künftige Erfüllung seiner
Treuepflichten enttäusche. Mit diesem Vorbringen wird schon nicht dargelegt,
dass das angegriffene Urteil auf einem unrichtigen oder unvollständigen Sach-
verhalt beruht.
Davon abgesehen wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der umfassenden Be-
weiswürdigung nicht dargetan. Das zeitgleiche Betreiben der Reaktivierung und
des Disziplinarverfahrens sind kein Widerspruch, da die Folge des diszipli-
narischen Vorgehens nicht zwingend die Entfernung aus dem Dienst sein muss.
Dieses Vorgehen des Dienstherrn hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung
des Dienstvergehens, sodass sich das Berufungsurteil hierzu nicht verhalten
musste. Auch der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom
11. Dezember 2002 bedurfte keiner besonderen Berücksichtigung durch das
Berufungsgericht im Sinne eines entlastenden Umstandes. Dieser Umstand
hätte allenfalls dann im Rahmen der Frage eines Verbotsirrtums Berücksichti-
gung finden müssen, wenn der Beklagte zunächst diesen Beschluss abgewartet
und sich sodann unverzüglich bei seinem Dienstherrn gemeldet hätte, um der
Reaktivierung Folge zu leisten. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Hamburg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erging rund eine Woche,
nachdem der Beamte dem Reaktivierungsverlangen hätte nachkommen sollen.
Sie beruhte auf der Rechtsprechung des Disziplinarsenats (Beschluss vom
19. Juni 2000 - BVerwG 1 DB 13.00 - BVerwGE 111, 246 <253>). Danach han-
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delt es sich bei der auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 BBG ergangenen
Aufforderung um eine unselbstständige Verfahrenshandlung im Sinne von
§ 44a Satz 1 VwGO. Trotz der negativen Entscheidung des Verwaltungsge-
richts kam der Beklagte dem Reaktivierungsverlangen aber erst mit einem unter
dem 17. März 2003 datierten Schreiben nach.
Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit der Frage des Rechts-
irrtums, in dem sich der Beklagte befunden haben mag, befasst und deren
Auswirkungen auf das Verschulden (vgl. UA S. 22) oder als Entschuldigungs-
grund und damit entlastender Milderungsgrund (vgl. UA S. 23 f.). Dieses Er-
gebnis hat es sodann noch einmal unter Bezugnahme auf diese vorherigen
Ausführungen zusammenfassend im Rahmen der Gesamtwürdigung als Fehlen
gewichtiger Entlastungsgründe, die die von der Schwere des Dienstvergehens
ausgehende Indizwirkung entfallen lassen könnten, festgehalten (UA S. 25, 26).
bb) Mit den weiteren Ausführungen rügt die Beschwerde im Wesentlichen eine
einseitige Beweis- und Tatsachenwürdigung. Dies gelte für die Annahme des
bedingten Vorsatzes. Die Vorwerfbarkeit sei als gering einzustufen. Der Beamte
sei nur deshalb der Reaktivierung nicht nachgekommen, weil er sich aufgrund
seiner privatärztlichen Gutachten für dienstunfähig gehalten habe und nicht, um
den juristischen Vorbereitungsdienst fortzusetzen. Hierin habe ihn die
personalärztliche Begutachtung vom November 2002 bestätigt. Deshalb könne
nicht allein aufgrund des Gutachtens des Oberbahnarztes vom April 2002 auf
einem bedingten Vorsatz geschlossen werden. Auch die Prüfung schuldaus-
schließender Gesichtspunkte erfolge einseitig. Er habe sich auf zwei amtsärztli-
che Gutachten stützen können und lediglich die Einschätzung des Oberbahn-
arztes als nicht verbindlich empfunden. Der Nachweis psychischer Erkrankun-
gen sei nur unter großen Schwierigkeiten zu führen, sodass auch gegen den
Grundsatz des in dubio pro reo verstoßen werde. Außerdem interpretiere das
Berufungsgericht die verwaltungsprozessualen Schritte einseitig. Die Subsum-
tion zum unvermeidbaren Verbotsirrtum beschränke sich auf einen Satz, sei
ebenfalls einseitig und beruhe auf der unzutreffenden Annahme, die Tätigkeit
als Referendar dokumentiere die allgemeine Dienstfähigkeit.
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Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht Umstände,
die es hätte in seine Würdigung einbeziehen müssen, übersehen hat. Dass der
Beamte die von ihm in der Beschwerde genannten Umstände naturgemäß an-
ders gewürdigt wissen will, ist zwar nachvollziehbar, begründet aber nicht den
behaupteten Verfahrensfehler.
Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Diszipli-
narsenats (Urteile vom 9. April 2002 - BVerwG 1 D 17.01 - Buchholz 232 § 73
BBG Nr. 25 und vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 2.05 - juris Rn. 52) zu
dem Ergebnis gelangt, dass der Beamte mit bedingtem Vorsatz gehandelt ha-
be. Es hätte sich dem Beklagten aufdrängen müssen, dass seine Dienststelle
auf das Gutachten des Oberbahnarztes abstellen würde, seine Dienstfähigkeit
für erwiesen halte und die Reaktivierung habe durchsetzen wollen. Da er sich
im juristischen Vorbereitungsdienst befunden habe, habe er gewusst, dass er
den Anforderungen an ein Beamtenverhältnis gewachsen sei. Diese Würdigung
ist nicht verfahrensfehlerhaft. Das Berufungsgericht stellt im Übrigen nicht allein
auf das Gutachten des Oberbahnarztes ab, sondern auf eine Vielzahl weiterer
Umstände insbesondere aus dem Verhalten des Dienstherrn, aufgrund derer
der Beklagte es zumindest ernsthaft für möglich hätte halten müssen, dass er
dienstfähig sei und es billigend in Kauf genommen habe, dem Reaktivierungs-
verlangen rechtswidrig nicht nachzukommen.
Weiter hat das Berufungsgericht in der Sache einen vermeidbaren Verbotsirr-
tum des Beklagten im Sinne vom § 17 Satz 1 StGB verneint. Der Beklagte sei
sich über die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens im Klaren gewesen; er habe
Umfang und Inhalt seiner Pflicht, wieder Dienst leisten zu müssen, erfasst (Ur-
teil vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 11.05 - ZBR 2006, 385 <387>). Der
Schuldvorwurf entfalle nicht deshalb, weil der Beklagte hätte annehmen dürfen,
dass er einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis unter Hinweis auf
die Fortdauer der Dienstunfähigkeit nicht Folge leisten müsse. Der Beamte sei
mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der Dienstherr seine Auffassung
nicht teile und die schuldhafte Weigerung disziplinarisch ahnden wolle, sodass
er bewusst das Risiko eingegangen sei, dem Reaktivierungsverlangen rechts-
widrig nicht Folge zu leisten. Die rechtliche Wertung, ein unvermeidbarer Ver-
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botsirrtum liege nicht vor, geht von der Rechtsprechung des Senats aus. Die
zugrunde liegende Würdigung der Umstände des Falles lässt einen Verfah-
rensfehler nicht erkennen.
cc) Schließlich rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen die Rechtsschutzga-
rantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da dem Beamten vom Verwaltungsgericht
Hamburg gegen die Aufforderung, einer erneuten Berufung in das Beamten-
verhältnis Folge zu leisten, kein Rechtsschutz gewährt worden sei. Dies strahle
in das Disziplinarverfahren ein und hätte berücksichtigt werden müssen. Denn
der Beklagte habe sofort, nachdem wenigstens eine summarische Prüfung der
Rechtmäßigkeit des Reaktivierungsverlangens im Rahmen der Entscheidung
über den Verlust der Versorgungsbezüge (Beschluss des Verwaltungsgerichts
Lüneburg vom 6. März 2003 - 1 B 6/03 -) erfolgt sei, der Reaktivierung Folge
geleistet. Statt der erforderlichen Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ha-
be ihn das Verwaltungsgericht Hamburg vor die Wahl gestellt, entweder der
Aufforderung nachzukommen, was ihn vor vollendete Tatsachen gestellt hätte,
oder aber das Risiko zu tragen, durch die Nichtbefolgung ein Dienstvergehen
zu begehen. Dies sei eine unzulässige Rechtsschutzverkürzung, die noch in
das Berufungsverfahren fortgewirkt habe. Denn wäre durch das Verwaltungsge-
richt Hamburg bereits im Dezember 2002 eine summarische Prüfung erfolgt
und die Rechtmäßigkeit des Reaktivierungsverlangens bestätigt worden, so
wäre er bereits im Dezember 2002 der Aufforderung zum Dienstantritt nachge-
kommen und hätte dann kein Dienstvergehen begangen. Dies hätte das Beru-
fungsgericht berücksichtigen müssen.
Auch mit diesen Ausführungen wird kein Verfahrensfehler aufgezeigt, sondern
die Richtigkeit der Entscheidung angezweifelt. Im Übrigen gilt: Wenn der Be-
klagte in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg eine unzulässige
Rechtsschutzverkürzung gesehen hätte, hätte er hiergegen in das Rechtsmittel
der Beschwerde gehen müssen. Davon abgesehen besteht kein unmittelbarerer
Zusammenhang zwischen dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg
und dem Urteil des Berufungsgerichts. Aber auch der vom Beklagten
konstruierte mittelbare Zusammenhang, dass der Beklagte dem Reaktivie-
rungsverlangen sofort nach einer summarischen Prüfung der materiellen
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Rechtslage durch ein Gericht nachgekommen wäre, ist weder festgestellt noch
hat der Beklagte dies im Disziplinarklageverfahren geltend gemacht; gegen die
insoweit bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts sind keine Verfah-
rensrügen erhoben worden, § 137 Abs. 2 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat
(im Urteil vom 29. Juni 2006) ausgeführt, dass der Beschluss des Verwaltungs-
gerichts Hamburg zwar nicht gerade hilfreich bei der Klärung der Rechtslage
gewesen sei, jedoch hätte dem Beklagten klar sein müssen, dass er diesem
gerichtlichen Beschluss und mithin der Anordnung der sofortigen Vollziehung
hätte Folge leisten müssen, sofern im Rechtsmittelverfahren keine andere Ent-
scheidung ergehe. Ähnlich argumentiert das Berufungsgericht, das jedoch auf
den - nicht geltend gemachten - Umstand der nicht erfolgten materiellen Prü-
fung durch das Verwaltungsgericht Hamburg nicht noch einmal eingeht. Es ist
nicht möglich, im Revisionsverfahren Versäumnisse der Beteiligten - hier die
fehlende Beschwerdeeinlegung gegen den verwaltungsgerichtlichen Eilbe-
schluss und die fehlende Geltendmachung eines weiteren Umstandes - über
Verfahrensrügen zu heilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Ge-
richtsgebühren werden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht erhoben.
Herbert Dr. Heitz Thomsen
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