Urteil des BVerwG vom 22.08.2007

Verfügung, Behandlung, Rüge, Beihilfe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 37.07
VGH 14 B 03.125
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. August 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele, Groepper
und Dr. Heitz
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 30. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren beträgt 9 970,41 €.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Be-
schwerde ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage auf Gewährung einer Beihilfe für zwei beim
Kläger durchgeführte wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden wegen
der medizinischen Diagnose einer möglicherweise malignen Prostatavergröße-
rung abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, beide
Methoden seien i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV a.F. nicht notwendig, weil sie wis-
senschaftlich nicht allgemein anerkannt seien. Ein Fall, bei dem nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von der Notwendigkeit alter-
nativer Heilmethoden auszugehen sei, liege nicht vor. Denn dem Kläger stün-
den medizinische Standardtherapien, etwa die Prostataektonomie, zur Verfü-
gung. Jedenfalls sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass diese Diagno-
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se- und Therapiemethoden beim Kläger nicht verwendet werden könnten oder
dürften oder dass sie bereits ohne Erfolg eingesetzt worden wären. Der An-
spruch des Klägers lasse sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesver-
fassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - (BVerfGE 115, 25)
herleiten.
Die erhobene Grundsatzrüge scheitert schon an § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Nach dieser Bestimmung muss die grundsätzliche Bedeutung in der Beschwer-
debegründung dargelegt werden. Dies hat der Kläger unterlassen. Er hat in
seiner Beschwerdebegründung vom 2. April 2007 lediglich die Prozessge-
schichte geschildert und speziell auf Seite 2 den die Berufungsentscheidung
tragenden Rechtssatz wiedergegeben, die durchgeführten Behandlungsmetho-
den seien wegen ihrer fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung nicht not-
wendig im Sinne des Beihilferechts.
Davon abgesehen wäre die Grundsatzrüge auch dann unbegründet, wenn der
Kläger diesen Rechtssatz als die aus seiner Sicht rechtsgrundsätzlich zu klä-
rende Fragestellung verstanden wissen möchte. Denn das Bundesverwal-
tungsgericht hat diese Frage bereits entschieden. In dem Urteil vom 29. Juni
1995 - BVerwG 2 C 15.94 - (Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 = DÖV 1996, 37)
hat es den Rechtssatz aufgestellt, dass der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von
Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behand-
lungsmethoden grundsätzlich - von Sonderfällen abgesehen - mit der durch
gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für
den Bereich der Krankenvorsorge durch die Beihilferegelungen konkretisiert
werde, vereinbar sei.
Unbegründet ist auch die Divergenzrüge. Der Kläger macht geltend, das Beru-
fungsgericht interpretiere die gerade zitierte Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts nicht in dessen Sinne. Damit macht der Kläger keine begründete
Divergenzrüge geltend, die darin bestünde, einen Rechtssatz des Bundesver-
waltungsgerichts einem widersprechenden Rechtssatz des Berufungsgerichts
gegenüberzustellen, sondern stellt lediglich die Behauptung auf, das Beru-
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fungsgericht habe einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts fehlerhaft
angewandt.
Schließlich kann die Rüge, das Berufungsurteil beruhe auf einem Verstoß ge-
gen Grundrechte, nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn dieser Vortrag
entspricht nicht den in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Zulas-
sungsgründen. Würde man in diesem Vortrag gleichwohl eine Divergenzrüge
erkennen, würde diese schon daran scheitern, dass Gegenstand des in Bezug
genommenen, oben zitierten Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom
6. Dezember 2005 Normen des Sozialversicherungs- und nicht des Beihilfe-
rechts sind. Wäre der Vortrag, das Berufungsurteil verstoße gegen Grund-
rechtsbestimmungen im Sinne des vom Bundesverfassungsgericht in diesem
Urteil aufgestellten Rechtssatzes, als Grundsatzrüge zu verstehen, so würde
auch diese Rüge nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn der Rechtssatz
des Bundesverfassungsgerichts, es sei mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1
GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ver-
einbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche
oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizini-
schem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, von der
Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode
auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung
oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe,
ist mit demselben Inhalt vom Bundesverwaltungsgericht für das Beihilferecht
aufgestellt worden. Nach der oben zitierten Senatsentscheidung vom 29. Juni
1995 ist Beihilfe auch für wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden u.a.
dann zu gewähren, wenn zur Behandlung einer lebensbedrohlichen oder
regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gerade keine allgemein aner-
kannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Therapien zur Verfü-
gung stehen. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu
überprüfen; denn das Revisionsgericht wäre an die tatsächlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Danach steht
ausdrücklich nicht fest, dass die Erkrankung des Klägers lebensbedrohlich ist.
Ausdrücklich festgestellt ist aber, dass zur Therapie des Klägers herkömmliche,
wissenschaftlich anerkannte Heilungsmethoden zur Verfügung stehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Werts des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Kugele Groepper Dr. Heitz
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