Urteil des BVerwG vom 04.08.2006

Verfahrensmangel, Absicht, Mitgliedschaft, Beamtenverhältnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 35.06
OVG 7 R 1/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele und Dr. Heitz
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Saarlandes vom 22. Februar 2006 wird zurückgewie-
sen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf den Revisionszulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 69
BDG gestützte Beschwerde ist nicht begründet. Die von dem Beklagten geltend
gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Das Oberverwaltungsgericht hat dem Beklagten in dem Berufungsurteil, durch
das es dessen vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis bestätigt hat, unter anderem zur Last gelegt, er habe seine
außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht gemäß § 54 Satz 3 BBG zumindest grob
fahrlässig dadurch verletzt, dass er enge private und wirtschaftliche Be-
ziehungen zu einem Mitglied der „Hells Angels“ unterhalten habe. Als Zollfahn-
dungsbeamter habe der Beklagte nicht den Verdacht wecken dürfen, enge
Kontakte zu einer problematischen Gruppierung wie den „Hells Angels“ zu un-
terhalten.
Der Beklagte sieht einen Verfahrensmangel zum einen darin, dass das Beru-
fungsgericht ihm ohne Vernehmung seines früheren Bekannten … Z. als Zeu-
gen angelastet habe, von dessen Verwicklung in kriminelle Aktivitäten der „Hells
Angels“ gewusst zu haben. Diese Vernehmung hätte ergeben, dass der
Beklagte keine Kenntnisse über Straftaten der „Hells Angels“, insbesondere
ihres Mitglieds … Z. gehabt habe.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte mit diesem Vortrag in der Sache
eine Verletzung der - vorrangig in § 58 Abs. 1 BDG verankerten - gerichtlichen
Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung oder eine Verletzung des Grundsatzes
der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Beweiswür-
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digung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt. Dieser Grundsatz ist verletzt,
wenn das Gericht bei seiner Beweiswürdigung von einem unrichtigen oder un-
vollständigen Sachverhalt ausgeht (Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C
134.81 - BVerwGE 68, 338 <339>).
Die Verfahrensrüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dem Beru-
fungsurteil eine tatsächliche Feststellung des Inhalts, der Beklagte habe Kennt-
nis von kriminellen Aktivitäten Z. oder der „Hells Angels“ gehabt, nicht zugrunde
liegt. Vielmehr hat das Berufungsgericht dem Beklagten in tatsächlicher Hin-
sicht lediglich vorgeworfen, er habe Kenntnis von der Mitgliedschaft Z. bei den
„Hells Angels“ gehabt. Lediglich diese Kenntnis hat das Berufungsgericht seiner
rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Beklagten zugrunde gelegt. Dies
ergibt sich unmissverständlich aus den Entscheidungsgründen des Berufungs-
urteils:
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe geltend gemacht,
selbst keine negativen Erfahrungen mit Z. gemacht und auch keine Kenntnis
davon gehabt zu haben, dass es hinsichtlich der Gruppierung der „Hells Angels“
in S. besondere Auffälligkeiten gegeben oder dass Z. selbst im Visier poli-
zeilicher Ermittlungen gestanden habe. Damit habe er behauptet, für ihn sei Z.
zwar ein Mitglied der „Hells Angels“, aber dennoch ein ganz normaler Bekann-
ter gewesen, gegen den er keinerlei Argwohn gehegt habe. Ausschließlich auf
der Grundlage dieses tatsächlichen Vorbringens des Beklagten hat das Beru-
fungsgericht die rechtliche Schlussfolgerung gezogen, der Beklagte habe seine
außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht zumindest grob fahrlässig verletzt (vgl.
Seite 23 der Urteilsgründe).
Auch bei seinen Ausführungen zur Frage der angemessenen Disziplinarmaß-
nahme geht das Berufungsgericht von dem tatsächlichen Vorbringen des Be-
klagten aus, wonach diesem hinsichtlich der „Hells Angels“ S. damals und heute
nichts Bedenkliches bekannt sei und Z. ein ganz normaler verlässlicher Be-
kannter gewesen sei, dem er ohne Argwohn entgegengetreten sei (Seite 29 der
Urteilsgründe).
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Zum anderen sieht der Beklagte einen Verfahrensmangel darin, dass das Beru-
fungsgericht seiner Bemerkung in der Berufungsverhandlung nicht nachgegan-
gen sei, er habe entgegen seiner ursprünglichen Absicht nur aufgrund einer
Notsituation wieder als Türsteher gearbeitet. Das Berufungsgericht habe die
Notsituation weiter aufklären müssen, um diesen Umstand als Milderungsgrund
berücksichtigen zu können.
Diese Verfahrensrüge kann keinen Erfolg haben, weil sie den Darlegungserfor-
dernissen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 69 BDG nicht genügt. Die Be-
zeichnung einer Aufklärungsrüge erfordert es anzugeben, welche Tatsachen
sich bei der unterbliebenen Sachaufklärung des Gerichts voraussichtlich erge-
ben hätten (stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 22. Mai 2006 - BVerwG 2 B
19.06 -). Vorliegend enthält die Beschwerdebegründung keinen Hinweis darauf,
wie der Beklagte den tatsächlichen Umstand der Notsituation auf Nachfragen in
der Berufungsverhandlung nachvollziehbar konkretisiert hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Albers Dr. Kugele Dr. Heitz
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