Urteil des BVerwG vom 14.01.2004

Kritik, Eltern, Unterlassen, Beweisantrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 30.03
OVG 2 LB 39/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. K u g e l e
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsge-
richts vom 2. April 2003 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 25 435 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zu-
lassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
sind nicht gegeben.
Die Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) greift nicht
durch. Das Berufungsgericht durfte das im Verwaltungsverfahren eingeholte amts-
ärztliche Gutachten vom 4. August 1997 und die ergänzenden gutachtlichen Stel-
lungnahmen des Amtsarztes vom 3. April 2001 und 16. Mai 2002 sowie das psychiat-
rische Gutachten vom 7. Juli 1997 und das psychologische Gutachten vom 14. Juli
1997 im Wege des Urkundenbeweises zur Grundlage seiner Beurteilung machen
(vgl. u.a. Beschluss vom 4. Dezember 1991 - BVerwG 2 B 135.91 - Buchholz 310
§ 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238 S. 67 m.w.N.). Die Art der Beweismittel und den Umfang
der Beweisaufnahme bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur
Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) von Amts wegen nach seinem tatrichterlichen
Ermessen. Das gilt auch für die Frage, ob es die Einholung eines weiteren Gutach-
tens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten für erforderlich hält. Die Nichteinho-
lung eines weiteren Gutachtens stellt nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn
sich die weitere Beweiserhebung dem Tatsachengericht hätte aufdrängen müssen
(stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38
<41>; Beschluss vom 7. Juni 1995 - BVerwG 5 B 141.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 268 S. 14 m.w.N.). Das ist nur dann der Fall, wenn das bereits vorliegende
Gutachten auch für die nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, z.B. unlös-
bare Widersprüche enthält, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht
oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gut-
achters besteht (vgl. u.a. Urteil vom 6. Februar 1985, a.a.O. S. 45; Beschluss vom
7. Juni 1995, a.a.O. S. 14). Derartige offenbare Mängel der vom Berufungsgericht im
angefochtenen Urteil eingehend gewürdigten Gutachten vermag die Beschwerde
nicht aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, aus welchen
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Gründen die von ihm verwerteten Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen des
Amtsarztes sowie des Landeskrankenhauses die - völlige - Dienstunfähigkeit des
Klägers zumindest seit seiner Untersuchung im Landeskrankenhaus zweifelsfrei be-
stätigten. Es hat des Weiteren ausgeführt, dass gegen diese Gutachten keine durch-
greifenden Bedenken bestehen und dass insbesondere weder die vom Kläger vorge-
legte Stellungnahme seines Hausarztes Dr. L. vom 14. Juni 2000 noch die Gutachten
des Dr. Z. vom 7. Juli 1995 und der Amtsärztin Dr. H. vom 2. Oktober 1996 geeignet
seien, die Überzeugungskraft der Gutachten der spezialisierten Ärzte des Landes-
krankenhauses zu erschüttern, die sich auf eingehende Fachkenntnisse und Erfah-
rungen stützen könnten. Das Berufungsgericht hat ferner dargelegt, aus welchen
Gründen überdies auch das Ergebnis der im Ermittlungsverfahren durchgeführten
Beweiserhebung die Dienstunfähigkeit des Klägers bestätige und auch das vom Klä-
ger behauptete "Mobbing" ausschließe, zumal der Kläger an drei Schulen durch sein
Verhalten gleichermaßen massive Kritik von Schülern, Eltern und Schulleitern her-
vorgerufen habe. Die Annahme des Berufungsgerichts, es bedürfe danach keiner
weiteren Sachaufklärung durch Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens
und durch Vernehmung (sachverständiger) Zeugen, weil die Frage der Dienstunfä-
higkeit bereits eindeutig geklärt sei, hält sich im Rahmen seines tatrichterlichen Er-
messens. Dies gilt umso mehr, als der anwaltlich vertretene Kläger die nunmehr von
ihm vermisste Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungs-
gericht ausweislich der Sitzungsniederschrift selbst nicht beantragt hat. Ein Tatsa-
chengericht verletzt nämlich regelmäßig seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung
des Sachverhalts nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwalt-
lich vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom
22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4 S. 11
m.w.N.). Beweisanträge, die eine Partei zumutbarerweise vor dem Tatsachengericht
stellen konnte, aber zu stellen unterlassen hat, können nicht nachträglich durch die
Verfahrensrüge unterlassener Sachverhaltsaufklärung ersetzt werden (vgl. Beschluss
vom 2. November 1978 - BVerwG 3 B 6.78 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 116 S. 15). Dass sich dem Berufungsgericht auch ohne einen Beweisantrag die
Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, kann die
Beschwerde nicht dartun.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung be-
ruht auf § 13 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Buchst. a GKG.
Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Kugele