Urteil des BVerwG vom 20.08.2009

Öffentlich, Verjährungsfrist, Finanzen, Erlöschen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 24.09
VGH 3 BV 07.1268
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 26. November 2008 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 132,92 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin, eine Polizeiobermeisterin, verrichtete ihren Dienst bis Ende Au-
gust 2002 in Wechselschicht. Diesen Sachverhalt teilte die Polizeiinspektion
erst unter dem 30. Mai 2006 dem Landesamt für Finanzen mit. Deshalb erhielt
die Klägerin zunächst weiterhin bis einschließlich Juli 2006 eine Wechsel-
schichtzulage. Mit Bescheid vom 13. Juli 2006 forderte das Landesamt die
überzahlte Wechselschichtzulage zurück. Klage und Berufung blieben erfolglos.
Im Berufungsverfahren hat sich die Klägerin nur noch gegen die Rückforderung
für das Jahr 2002 gewandt und insoweit die Auffassung vertreten, der Anspruch
sei verjährt. Dem ist das Berufungsgericht unter Hinweis auf Art. 71 Abs. 1
BayAGBGB, nach dem es auf die Kenntnis der zuständigen Behörde, des Lan-
desamtes für Finanzen, ankommt, nicht gefolgt.
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG) gestützte Beschwerde bleibt ohne
Erfolg.
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Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob sich Rückforderungs-
ansprüche über § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG nach den entsprechenden Verjäh-
rungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs richten oder ob sie in Bayern
nach Art. 71 Abs. 1 Bay-AGBGB zu behandeln sind. Außerdem sei zu klären,
ob Art. 71 Bay-AGBGB verfassungsgemäß sei, weil der Bund seiner Gesetzge-
bungskompetenz für das Besoldungsrecht umfassend nachgekommen sei, so-
dass kein Raum für landesrechtliche Regelungen bleibe; auch das Bürgerliche
Gesetzbuch enthalte keine Öffnungsklauseln.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem
zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im
Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der
Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961
- BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO
Nr. 18; stRspr). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der von der Klägerin
aufgeworfenen Rechtsfragen nicht erfüllt. Die Fragen sind nicht entscheidungs-
erheblich. Der Rückforderungsanspruch des Beklagten wäre auch bei Anwen-
dung der Verjährungsvorschriften nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch im Jahr
2002 noch nicht verjährt gewesen.
Das Berufungsgericht hat die Klage auf der Grundlage des bayerischen Lan-
desrechts entschieden. Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Bay-AGBGB erlöschen auf
eine Geldzahlung gerichtete öffentlich-rechtliche Ansprüche des Freistaates
Bayern, soweit nichts anderes bestimmt ist, in drei Jahren. Nach Art. 71 Abs. 1
Satz 2 Bay-AGBGB beginnt die Frist mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in
dem der Berechtigte Kenntnis von den den Anspruch begründenden Tatsachen
und der Person des Verpflichteten erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit er-
langen müsste, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden ist. Art. 71 Abs. 1 Satz 3 Bay-AGBGB stellt klar, dass es auf die
Kenntnis der zuständigen Behörde ankommt.
Diese Regelungen über das Erlöschen nach Art. 71 Abs. 1 Bay-AGBGB stim-
men hinsichtlich Beginn und Dauer mit den Regelungen über die Verjährung
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nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB überein. Insbesondere stimmt entgegen der Auf-
fassung der Klägerin der Beginn der Erlöschensfrist gemäß Art. 71 Abs. 1
Satz 2 und 3 Bay-AGBGB mit dem Beginn der Verjährungsfrist in
überein. Seit der Änderung der Verjährungsfristen durch das Gesetz zur Mo-
dernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138) ver-
jähren Rückforderungsansprüche nach § 12 BBesG, die nach dem
31. Dezember 2001 entstehen, nicht mehr nach 30 Jahren, sondern nach drei
Jahr. Diese Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jah-
res, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Dienstherr) von den
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (Be-
amter) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsst
Bei Behörden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist hierzu
auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten
Behörde abzustellen; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche
Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für den Rückforderungsan-
spruch zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektie-
ren ist (st Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - VI ZR 294/08 - VersR
2009, 989 <990> m.w.N., der hieran auch ausdrücklich zum neuen Recht
festhält).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Herbert
Dr. Heitz
Thomsen
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