Urteil des BVerwG vom 04.05.2007

Rechtliches Gehör, Ernennung, Landrat, Bekanntgabe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 24.07
OVG 4 B 11.06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele und Groepper
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 30. November 2006 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 23 945 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde ist unbegründet.
1. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Der Kläger hält folgende Fragen für klärungsbedürftig:
a) Kann der Kreistag als Oberste Dienstbehörde für sich
genommen die Dienstherreneigenschaft mit Außenwir-
kung gegenüber Laufbahnbeamten wahrnehmen, ohne
dass es noch einer den Beschluss umsetzenden Aus-
führung durch das (Außen)Vertretungsorgan Landrat
bedarf?
b) Kommt/Steht dem Kreistag eine (verwaltungsverfah-
rensrechtliche) Handlungsfähigkeit nach § 12 Abs. 1
Nr. 4 VwVfG Bbg zu?
c) Hat/Entfaltet der Beschluss des Kreistags als Oberste
Dienstbehörde, mit dem nach § 16 LBG die Rücknahme
der Ernennung (zum Beamten auf Probe) erklärt wird,
Außenwirkung i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg?
d) Selbst wenn der Beschluss des Kreistags über die Er-
klärung der Ernennungsrücknahme die an das Vorlie-
gen eines Verwaltungsakts hinsichtlich der Außenwir-
kung zu stellenden Anforderungen erfüllt, kann dann
der Kreistagsvorsitzende selbst die für die Bekanntgabe
an den Laufbahnbeamten erforderliche (Verfah-
rens)Handlung der Ausführung des Beschlusses durch
Unterzeichnung und Zustellung des Schreibens vor-
nehmen?
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e) Kann das (einzige) Außenvertretungsorgan Landrat
sich zur Bekanntgabe der Erklärung über die Rück-
nahme der Ernennung (zum Beamten auf Probe) per
(zwingend vorgeschriebener) Zustellung in der Art und
Weise eines Erklärungsboten bedienen, als allein des-
sen Namensnennung und Unterschrift sowie seine
Funktionsbezeichnung im Briefkopf (als Kreistagsvor-
sitzender und somit Nicht-Kreisverwaltungsange-
höriger) angegeben sind?
Der Kläger wirft diese Fragen vor dem Hintergrund auf, dass seine Ernennung
zum Kreisrechtsrat z. A. wegen arglistiger Täuschung durch einen Bescheid zu-
rückgenommen worden ist, den der beklagte Kreistag erlassen und dessen
Vorsitzender unterschrieben hat.
Keine der Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision. Sie betreffen sämtlich
die Frage der Außenvertretung des beklagten Landkreises und damit eine kom-
munalverfassungsrechtliche Frage. Sie ist anhand der Bestimmungen des Lan-
deskommunalverfassungsrechts zu beantworten, die nicht dem Beamtenrecht
zuzurechnen sind und deshalb nicht dem gemäß § 127 Nr. 2 BRRG revisiblen
Recht angehören, selbst wenn sich aus ihrer Auslegung und Anwendung Aus-
wirkungen auf beamtenrechtliche Rechtsverhältnisse ergeben (vgl. Beschlüsse
vom 13. Februar 1985 - BVerwG 2 C 20.83 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 28
S. 14 und vom 7. Juli 2005 - BVerwG 2 B 96.04 - Buchholz 230 § 127 BRRG
Nr. 61; Urteil vom 3. November 2005 - BVerwG 2 C 31.04 - BVerwGE 124, 310
<311>). Dies gilt auch, soweit der Kläger in seinen Fragen Bestimmungen des
gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisiblen Landesverwaltungsverfahrensge-
setzes anführt; denn auch die hierauf bezogenen Fragen zielen nicht auf die
Klärung dieser Bestimmungen, sondern auf die in Anwendung des Kommunal-
verfassungsrechts zu beantwortende Frage, ob der Vorsitzende des Kreistags
anstelle des Landrats den Kreistag nach außen wirksam vertreten konnte. Die
Beschwerde zeigt insoweit keinen Klärungsbedarf hinsichtlich der Auslegung
bestimmter Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes auf, son-
dern rügt nach Art einer Revision deren unrichtige Anwendung durch das Beru-
fungsgericht.
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2. Die Revision kann auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Divergenz zu einer
Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts zugelassen werden
(§ 127 Nr. 1 BRRG, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Zum einen betrifft die von der
Beschwerde als divergierend bezeichnete Entscheidung des Oberverwaltungs-
gerichts Greifswald im Kern ebenfalls eine kommunalverfassungsrechtliche
Frage und damit nichtrevisibles Recht. Beziehen sich Entscheidungen zweier
Oberverwaltungsgerichte auf nichtrevisibles Recht, so kann eine Divergenzrüge
selbst dann keinen Erfolg haben, wenn die behauptete Divergenz tatsächlich
vorliegt. Denn es hätte keinen Sinn, die Revision zuzulassen, wenn die diver-
gierend ausgelegte Vorschrift der Auslegung durch das Revisionsgericht nicht
zugänglich ist. Zum zweiten betrifft die von der Beschwerde behauptete Diver-
genz das Kommunalverfassungsrecht unterschiedlicher Bundesländer. Damit
fehlt es an der für die Zulassung der Revision wesentlichen Voraussetzung,
dass die Auslegung dieselbe Rechtsvorschrift betreffen muss (stRspr, vgl. Be-
schluss vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132
VwGO Nr. 302 m.w.N.).
3. Auch ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensfehler liegt
nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde setzt sich kritisch mit der
Beweiserhebung und der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts auseinan-
der, ohne indessen einen konkreten Verfahrensfehler zu bezeichnen, auf dem
die angegriffene Entscheidung beruht. Dies gilt auch für den Hinweis auf Seite 8
der Beschwerdeschrift, die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger hätte
im Formblatt das Kästchen „körperlich/geistige/seelische Behinderung“ ankreu-
zen müssen, sei „völlig überraschend“. Soweit mit dieser Andeutung die Rüge
erhoben worden sein sollte, das Urteil beruhe auf einem Gesichtspunkt, zu dem
der Kläger unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht habe
Stellung nehmen können (Verfahrensfehler gemäß § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3
VwGO), geht sie fehl. Die Frage, ob der Kläger dieses Kästchen ankreuzen
musste, stand von Anfang an im Mittelpunkt der streitigen Auseinandersetzung.
Der Kläger hat hierzu ausführlich Stellung genommen. Es kann keine Rede
davon sein, das Berufungsgericht habe insoweit eine Überraschungsent-
scheidung getroffen.
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4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 5
Nr. 2 GKG.
Albers Dr. Kugele Groepper
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