Urteil des BVerwG vom 09.01.2004

Neue Beweismittel, Bindungswirkung, Einfluss, Unfall

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 22.03
VGH 10 UE 1380/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. K u g e l e
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 11. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen entweder nicht vor oder sind nicht in einer den
Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise bezeichnet.
Die Grundsatzbeschwerde nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist unzulässig. Sie ent-
spricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Nach
dieser Vorschrift muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, inwiefern in
dem erstrebten Revisionsverfahren eine im Interesse der Einheit des Rechts oder
seiner Fortbildung klärungsbedürftige - konkrete - Rechtsfrage zu beantworten sein
wird (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buch-
holz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Eine solche Rechtsfrage arbeitet die Be-
schwerde nicht heraus. Sie beschränkt sich vielmehr - einer Berufungsbegründung
vergleichbar - auf eine inhaltliche Kritik der Berufungsentscheidung.
Mit der Divergenzrüge macht die Beschwerde geltend, der angefochtene Beschluss
weiche von der im vorliegenden Verfahren ergangenen zurückverweisenden Ent-
scheidung des Senats ab. Sie rügt damit der Sache nach einen vermeintlichen Ver-
stoß gegen die Bindungswirkung der zurückverweisenden Entscheidung (§ 144
Abs. 6 VwGO). Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung stellt keine Divergenz im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar, sondern ist ein Verfahrensmangel im Sinne
des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (stRspr; vgl. u.a. Beschlüsse vom 21. August 1997
- BVerwG 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8 m.w.N. und vom
16. Februar 1998 - BVerwG 11 B 5.98 - Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 6 S. 67). Mit
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der entsprechend zu würdigenden Verfahrensrüge kann die Klägerin jedoch nicht
durchdringen, weil das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung des Revisions-
gerichts nicht widersprochen hat.
Die Verfahrensrüge der unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 132 Abs. 2
Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet. Die Beschwerde sieht diesen Ver-
fahrensfehler darin begründet, dass der ergänzende Befund des Fachradiologen
Dr. Reiner vom 31. August 2000 zu seinem Gutachten vom 22. August 1999 vom
Berufungsgericht nicht als solcher gewürdigt, sondern als bloße Rechnung berück-
sichtigt worden sei. Daraus resultiere, so die Beschwerde, die fehlerhafte Beru-
fungsentscheidung.
Nach der bei der Verfahrensrüge maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des
Berufungsgerichts besteht ein Anspruch auf das Wiederaufgreifen eines Verwal-
tungsverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 HVwVfG nur, wenn neue Beweismittel
vorgelegt werden, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt
haben würden. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies mit der Begründung verneint, die
neu vorgelegten Beweismittel hätten lediglich bereits bekannte Tatsachen enthalten.
Denn die Probleme in ihrem Kauapparat seien der Klägerin schon acht Wochen nach
dem Unfall bekannt gewesen. Dies ergebe sich schon aus der handschriftlichen
Rotstift-Notiz auf dem Gutachten Dr. Reiner vom 31. August 2000. Dass das
Berufungsgericht dieses Gutachten irrtümlich als Rechnung bezeichnet hat, hat auf
diese Feststellung keinen Einfluss und ist deshalb unschädlich.
Im Übrigen macht die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 14. April 2003
keine Verfahrensfehler geltend, sondern setzt sich inhaltlich mit den im Einzelnen
bezeichneten Gutachten auseinander.
Soweit sie in ihrer Beschwerdebegründung vom 19. November 2003 ihr bisheriges
Vorbringen nicht nur wiederholt oder vertieft, sondern zusätzliche Beschwerdegründe
geltend macht, ist die Beschwerde verfristet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Der
Antrag, ein zahnmedizinisches Gutachten einzuholen, ist unzulässig, weil das Bun-
desverwaltungsgericht als Revisionsgericht nicht befugt ist, Tatsachen zu ermitteln
(§ 137 Abs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streit-
werts ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Kugele