Urteil des BVerwG vom 26.09.2014

Verfahrensmangel, Schuldfähigkeit, Zitat, Geldstrafe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 14.14
OVG 80 D 14.10
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. September 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und Dollinger
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 3. Dezember 2013 wird zurückgewie-
sen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die primär auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde des Beklagten bleibt oh-
ne Erfolg.
1. Der 1969 geborene Beklagte steht als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe
A 9) im Dienst des klagenden Landes. Er war überwiegend als Streifenbeamter
verwendet und im Jahr 2005 vorläufig des Dienstes enthoben worden. Wegen
der hierfür maßgeblichen Anlasstat verurteilte ihn das Amtsgericht im Jahr 2008
wegen Beihilfe zur Amtsanmaßung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
Der Beklagte ist durch drei rechtskräftige Strafbefehle vorbelastet: Im Jahr 2003
setzte das Amtsgericht wegen Körperverletzung eine Geldstrafe von 40 Tages-
sätzen fest, im Jahr 2004 verhängte es wegen Beihilfe zum Fahren ohne Fahr-
erlaubnis eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen und im Jahr 2006 sprach es eine
Geldstrafe von 70 Tagessätzen wegen fahrlässigen Zulassens des Fahrens
ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflicht-
versicherungsgesetz aus. Wegen dieser sowie weiterer innerdienstlicher Pflich-
tenverstöße hat der Kläger 2009 Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsge-
richt entfernte den Beklagten 2010 aus dem Beamtenverhältnis, die hiergegen
gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht im Jahr 2013 zurückge-
wiesen.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 41 Disziplinargesetz Berlin
- DiszG - und § 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
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a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Zu-
ständigkeitsmangel in der Unterzeichnung einer Disziplinarklageschrift auch
noch im Berufungsverfahren geheilt werden kann.
Eine Disziplinarklageschrift leidet zwar an einem wesentlichen Mangel, wenn
sie von einer unzuständigen Behörde oder einem Beamten erhoben wird, der
nicht befugt ist, für die zuständige Behörde tätig zu werden. Ein solcher Mangel
kann nach § 41 DiszG i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG indes dadurch geheilt
werden, dass die zuständige Stelle (Behörde oder Dienstvorgesetzter) eine
neue Disziplinarklageschrift in eigenem Namen einreicht. Dies ist gemäß § 41
DiszG i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch noch im Berufungsverfahren mög-
lich. Voraussetzung für eine derartige Nachholung ist allerdings, dass dem Vor-
gehen keine schutzwürdigen Interessen des Beamten entgegenstehen, insbe-
sondere also, dass diese Klageschrift keine neuen belastenden Tatsachen und
Beweismittel enthält (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 -
BVerwGE 146, 98 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 19 jeweils Rn. 63 sowie
zuletzt Beschluss vom 10. Juli 2014 - BVerwG 2 B 54.13 - juris Rn. 7 m.w.N.).
An diesen Maßstäben orientiert hat das Oberverwaltungsgericht in fehlerfreier
Rechtsanwendung festgestellt, dass die von einem unzuständigen Beamten
unterzeichnete Disziplinarklageschrift mit dem Einreichen einer neuen wortlaut-
gleichen Klageschrift durch die zuständige Polizeivizepräsidentin geheilt worden
ist.
b) Die Feststellung, der Beklagte habe vom fehlenden Versicherungsschutz
seines Personenkraftwagens gewusst, hat das Oberverwaltungsgericht verfah-
rensfehlerfrei getroffen.
Die Beweis- und Sachverhaltswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurtei-
lung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler
im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Er-
gebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg
dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene
Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa
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entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen
Tatsachengrundlage basiert. Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung
selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik
(Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Wider-
sprüche enthält (stRspr; vgl. Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 -
Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie zuletzt etwa Beschluss
vom 22. Januar 2014 - BVerwG 2 B 102.13 - juris Rn. 11 m.w.N.). Einen der-
artigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf.
Dies folgt - worauf das Oberverwaltungsgericht auch zutreffend hingewiesen
hat - zunächst schon daraus, dass die Feststellungen auf einem rechtskräftigen
Strafbefehl beruhen, mit dem der Beklagte u.a. wegen eines vorsätzlichen Ver-
stoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz verurteilt worden ist.
Die gerichtliche Aufklärungspflicht in Disziplinarverfahren ist durch § 41 DiszG
i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG eingeschränkt. Danach sind - sofern kein Lö-
sungsbeschluss erfolgt - die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen
Strafurteils für das Disziplinargericht bindend; insoweit ist jedwede neue Ermitt-
lungstätigkeit unzulässig (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 41). Sind die tatsächlichen
Feststellungen in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren - etwa in
einem Strafbefehl - getroffen worden, können sie der Entscheidung gemäß § 41
DiszG i.V.m. § 57 Abs. 2 BDG ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden.
Dieses gerichtliche Ermessen ist beschränkt und hat sich am Zweck der Er-
mächtigung zu orientieren. Er besteht darin, divergierende Entscheidungen von
Straf- und Disziplinargerichten über dieselbe Tatsachengrundlage nach Mög-
lichkeit zu vermeiden (Beschluss vom 15. März 2013 - BVerwG 2 B 22.12 -
NVwZ-RR 2013, 557 Rn. 14). Diese Möglichkeit endet, wenn die Indizwirkung
des Strafbefehls entkräftet wird und der Vortrag des angeschuldigten Beamten
dem Gericht Anlass zu einer eigenständigen Beweisaufnahme gibt (Beschluss
vom 23. Januar 2013 - BVerwG 2 B 63.12 - juris Rn. 23 m.w.N.). Erforderlich
hierfür ist, dass die Tatsachenfeststellung vom Beamten substantiiert in Zweifel
gezogen worden ist (Urteil vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - DokBer
2012, 260 Rn. 39); hierzu reicht ein bloßes Bestreiten grundsätzlich nicht aus.
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Derartig substantiierte Einwände gegen die Tatsachenfeststellung enthält die
Beschwerde nicht.
Unabhängig hiervon verstößt es nicht gegen Denk- oder allgemeine Würdi-
gungsgrundsätze, dass das Oberverwaltungsgericht den Umstand, dass der
Beklagte den Geschehensablauf im Rahmen des Verfahrens unterschiedlich
und „erheblich gesteigert“ dargestellt hat, bei seiner Würdigung berücksichtigt
hat. Während der Beklagte den - im Tatzeitpunkt seit über 18 Monaten - fehlen-
den Versicherungsschutz ursprünglich damit begründet hatte, er habe nach
seinem Umzug eine Ummeldung des Fahrzeugs versäumt und sei deshalb wohl
nicht über den Versicherungsablauf informiert worden (VG-Urteil S. 4), ist an-
schließend zunächst (gegenüber dem Sachverständigen) von Nachlässigkeiten
seiner Lebensgefährtin die Rede, später (in der mündlichen Verhandlung vor
dem Oberverwaltungsgericht) von einer zielgerichteten Unterdrückung des be-
reits vom Beklagten unterschriebenen Überweisungsträgers durch diese. Die
Annahme, der Vortrag sei unglaubhaft, weist daher eine ausreichende Tatsa-
chengrundlage auf und verstößt nicht gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit
die Beschwerde die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur fehlenden
Nachvollziehbarkeit des vom Beklagten behaupteten Verhaltens seiner Le-
bensgefährtin bemängelt, verkennt sie, dass insoweit keine Tatsachenfeststel-
lungen getroffen sind. Die Erwägungen dienen vielmehr nur dazu, die fehlende
Konsistenz des Vortrags des Beklagten zu illustrieren.
c) Das Oberverwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, dem Befangenheits-
gesuch gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen Folge zu leisten.
Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt,
der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 41
DiszG, § 58 Abs. 3 BDG, § 74 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 2 StPO). Es muss sich
dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ableh-
nenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können,
der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht
unparteiisch gegenüber (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII ZB 32/12 -
NJW-RR 2013, 851 Rn. 10; BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 1998
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- BVerwG 3 B 35.98 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 55 S. 11 f. = NVwZ 1999,
184 Rn. 10). Diese Voraussetzungen hat das Oberverwaltungsgericht verfah-
rensfehlerfrei verneint.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Ober-
verwaltungsgericht (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 2, § 165 ZPO) ist der
Ablehnungsantrag zunächst damit begründet worden, der Sachverständige ha-
be in Tatsachenfragen subjektive Auffassungen zu Lasten des Beklagten ver-
treten; beispielhaft wurde darauf verwiesen, der Sachverständige habe behaup-
tet, der Beklagte habe einen Polizeieinsatz „vorgetäuscht“. Das Oberverwal-
tungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die beanstandete Passage im
schriftlichen Gutachten keine eigene Aussage des Sachverständigen enthält,
sondern ein vom Beklagten ihm gegenüber abgegebenes Zitat. Eine subjektive
Auffassung ist damit bereits nicht geäußert. Unabhängig hiervon ist offen ge-
blieben, ob der Beklagte die Formulierung tatsächlich verwendet hat. Sollte dies
so sein, kann in dem Zitat von vornherein kein Verhalten liegen, dass Anlass für
die Annahme fehlender Unvoreingenommenheit sein könnte. Selbst wenn der
Beklagte die Wendung nicht gebraucht hatte und der Sachverständige die
Schilderung mit dieser Formulierung in eigenen Worten zusammengefasst ha-
ben sollte, könnte hierin indes kein Anhaltspunkt für fehlende Unparteilichkeit
erblickt werden. Die mit der Beschwerde verbundene „subjektive Komponente“
eines Schuldvorwurfs ist mit der Formulierung nicht verbunden. Dass es sich
bei dem Geschehen aber objektiv um einen fingierten - also vorgetäuschten -
Polizeieinsatz gehandelt hatte, wird auch vom Beklagten nicht bestritten. Dem
Zitat lässt sich daher bei vernünftiger Würdigung seines Zusammenhangs keine
nachteilige subjektive Auffassung des Sachverständigen zu Lasten des Beklag-
ten entnehmen.
Entsprechendes gilt für die im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines
schriftlichen Gutachtens abgegebene Einschätzung des Sachverständigen, eine
Persönlichkeitsstörung der geschilderten Art hätte bereits im Rahmen der Ein-
stellungsuntersuchung auffallen müssen. Die Aussage ist in sachlicher Hinsicht
richtig, weil bei derartigen Beeinträchtigungen die für eine Einstellung erforderli-
che gesundheitliche Eignung nicht vorliegt (Urteil vom 25. Juli 2013 - BVerwG
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2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 = Buchholz 232.01 § 9 BeamtStG Nr. 1 jeweils
Rn. 10). Der Sache nach betrifft die Rüge damit die Frage, ob der Sachverstän-
dige zutreffende Kenntnisse vom Umfang der gesundheitlichen Eignungsprü-
fung für Einstellungsbewerber besitzt („keine Ahnung hat, ob und falls ja, in
welchem Umfang Gesundheitsuntersuchungen bei der Einstellung in den An-
wärterdienst vorgenommen werden“; Beschwerdebegründung S. 10). Hieraus
können sich aber in keinem Falle objektive Anhaltspunkte für eine Voreinge-
nommenheit gegen die Person des Beklagten ergeben.
Auf vom Beklagten nicht benannte Beispiele möglicher Wertungen („lediglich
exemplarisch“) musste das Oberverwaltungsgericht nicht eingehen.
d) Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Oberverwaltungsgericht ein Ober-
gutachten hätte einholen müssen.
Nach § 41 DiszG, § 58 Abs. 1 BDG und § 3 DiszG i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1
VwGO hat das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts
wegen zu ermitteln. Fehlt dem Gericht die hierfür erforderliche Sachkunde,
muss es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen. Kommt es maßgeblich auf
den Gesundheitszustand eines Menschen an, ist daher regelmäßig die Inan-
spruchnahme ärztlicher Fachkunde erforderlich. Für die hier entscheidungser-
heblichen medizinischen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entspre-
chende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des
Richters (vgl. Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 11 und zuletzt etwa Beschluss
vom 26. Mai 2014 - BVerwG 2 B 69.12 - IÖD 2014, 172 = ). Dem-
gemäß hat das Oberverwaltungsgericht seine Feststellungen zum gesundheitli-
chen Zustand des Beklagten und einer hieraus folgenden Einschränkung seiner
Schuldfähigkeit auf die Feststellungen und Erläuterungen eines gerichtlich be-
stellten Gutachters gestützt.
Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach
seinem Ermessen (§ 3 DiszG, § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unter-
lassene Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrens-
fehlerhaft sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen
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vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen
Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bil-
dung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Lie-
gen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema
vor, muss es ein zusätzliches Gutachten deshalb nur einholen, wenn die vor-
handene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen
ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass
zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht
(Beschluss vom 29. Mai 2009 - BVerwG 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 BDG
Nr. 5 Rn. 7 m.w.N.).
Das Vorliegen eines solchen Mangels zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit
auf die Erwägungen aus dem Schriftsatz vom 2. September 2013 im wörtlichen
Zitat verwiesen ist, erfüllt das Vorbringen bereits nicht die Darlegungsanforde-
rungen aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Rügefähig ist nicht das Gutachten
selbst, sondern ein Verfahrensmangel der angegriffenen Entscheidung (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Mit den vom Beklagten im Schriftsatz vom 2. September
2013 vorgebrachten Argumenten hat sich das Oberverwaltungsgericht indes
ausführlich auseinandergesetzt und im Einzelnen dargetan, warum es ihnen
nicht folgt. Der Rekurs auf den Schriftsatz vom 2. September 2013 ohne Be-
rücksichtigung der hierzu vom Oberverwaltungsgericht gegebenen Erläuterun-
gen ist daher nicht geeignet, einen Verfahrensmangel der angegriffenen Ent-
scheidung aufzuzeigen.
Auch soweit die Beschwerde Einwände gegen die vom Oberverwaltungsgericht
gegebene Begründung anführt, ist ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt. Zu
Recht hat das Oberverwaltungsgericht darauf verwiesen, dass der Gutachter
mit der Verneinung eines Gesundheitsdefektes im Sinne des § 20 StGB zu-
gleich auch eine Stellungnahme zur verminderten Schuldfähigkeit abgegeben
hat. Denn die verminderte Schuldfähigkeit setzt gemäß § 21 StGB eine Vermin-
derung „aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe“ voraus. Die Vorschrift ist
damit zweistufig aufgebaut und kommt nur bei Vorliegen eines der benannten
Defekte in Betracht (Kaspar, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl.
2014, § 21 Rn. 4). Im Übrigen hat der Gutachter ausweislich der angegriffenen
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Entscheidung in seiner Erläuterung auch Aussagen über eine mögliche Ver-
minderung der Schuldfähigkeit getroffen (UA S. 34).
Der Gutachter hat sich auch mit dem Konsiliarbericht der ehemaligen Psycho-
therapeutin des Beklagten auseinandergesetzt. Die hierzu getroffene Einschät-
zung, die von der Therapeutin abgegebene Diagnose füge sich in die gutachter-
liche Stellungnahme ein, ist nachvollziehbar und kann ohne medizinische Sach-
kunde nicht als unplausibel eingestuft werden. Die Angriffe der Beschwerde
erschöpfen sich aber im Ergebnis darin, ihre eigene Sichtweise an die Stelle
derjenigen des sachkundigen Gutachters zu setzen.
e) Soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom
20. Dezember 2013 - BVerwG 2 B 35.13 - (NVwZ-RR 2014, 314) reklamiert,
das Oberverwaltungsgericht habe die familiäre Belastungssituation des Beklag-
ten nicht ausreichend berücksichtigt, betrifft dies die Einzelfallwürdigung. Ein
die Rüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO eröffnender verfahrensrechtlicher Feh-
ler ist nicht benannt. Die Darlegung enthält auch keine Divergenzrüge, weil eine
Übereinstimmung im Ansatz konzediert wird.
Entsprechendes gilt für die Angriffe auf die Würdigung des Gerichts, hinrei-
chende Anhaltspunkte für eine kausale Verknüpfung der Lebensumstände des
Beklagten und den von ihm begangenen Pflichtverletzungen lägen nicht vor.
Auch insoweit begnügt sich die Beschwerde damit, ihre Wertungen an diejeni-
gen des Gerichts zu stellen. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht aufgezeigt. Im
Übrigen könnte die Entscheidung auf einem entsprechenden Verfahrensmangel
auch nicht beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 VwGO). Denn das Oberverwal-
tungsgericht hat eine Kausalität hilfsweise und eigenständig tragend zugunsten
des Beklagten unterstellt (UA S. 46).
Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass eine schwierige,
inzwischen überwundene Lebensphase auch dann mildernd zu berücksichtigen
ist, wenn sich der Pflichtenverstoß nicht als Folge dieser Lebensumstände dar-
stellt (Beschluss vom 20. Dezember 2013 a.a.O. Rn. 29), trifft in sachlicher Hin-
sicht nicht zu. Es hat diesen Rechtssatz vielmehr ausdrücklich benannt (UA
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S. 45 a.E.). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht nachfolgend - wie be-
reits dargestellt - einen entsprechenden Zusammenhang unterstellt.
f) Auch die Frage, ob und ggf. wie die Dauer des Disziplinarverfahrens bei der
Maßnahmebemessung berücksichtigt werden kann, rechtfertigt die Durchfüh-
rung eines Revisionsverfahrens nicht. Es ist in der Rechtsprechung vielmehr
geklärt, dass selbst eine überlange Verfahrensdauer nicht zum Absehen der
disziplinarrechtlich gebotenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen
kann. Ein Beamter, der wegen eines gravierenden Fehlverhaltens nicht mehr
tragbar ist, kann nicht deshalb im Beamtenverhältnis bleiben, weil das Diszipli-
narverfahren unangemessen lange gedauert hat (stRspr; vgl. Urteil vom
28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 = Buchholz 235.2
LDisziplinarG Nr. 19 jeweils Rn. 44 ff. m.w.N.; hierzu auch BVerfG, Kammerbe-
schluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12 - NVwZ 2013, 788 <789>). Neu-
en oder zusätzlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 DiszG, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154
Abs. 2 VwGO.
Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil
sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt
(§ 41 DiszG, § 78 Satz 1 BDG i.V.m. Nr. 10 und 62 der Anlage zu diesem Ge-
setz).
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