Urteil des BVerwG vom 07.10.2013

Vorzeitige Entlassung, Bedingung, Zdg, Beendigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 14.12
OVG 1 A 1729/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2011
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 32 480,11 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf eine Grundsatzrügegestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger stand als Soldat auf Zeit im Dienst der Bundeswehr. Die Beteilig-
ten streiten um die Frage, ob der Kläger einen wirksamen Antrag auf vorzeitige
Entlassung aus dem Soldatenverhältnis zum 31. März 2007 gestellt hatte. Sein
Antrag vom Mai 2006 lautete: „Hiermit stelle ich den Antrag auf Dienstzeitver-
kürzung (§ 40.7 SG), ersatzweise den Antrag auf Entlassung (§ 55.3 SG) zum
31.12.06 resp. 30.06.07. Ich beantrage, meine Entlassung mit der Schließung
der Abt. X des Bundeswehrkrankenhauses H. einzuleiten.“ Klage und Berufung
gegen die Entlassung blieben erfolglos.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Entlassungs-
antrag nicht unter einer Bedingung gestellt worden sei, sondern den unbeding-
ten Willen des Klägers zum Inhalt habe, die Bundeswehr verlassen zu wollen.
Aber selbst wenn der Antrag in dem Sinne zu verstehen gewesen wäre, dass
der Kläger die Entlassung nur für den Fall wünsche, dass eine Dienstzeitver-
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kürzung nicht möglich sei, stellte dies keine zur Unwirksamkeit des Entlas-
sungsantrags führende Bedingung dar, weil die Relevanz des Entlassungsan-
trags nicht von äußeren, ungewissen Ereignissen abhängig gemacht würde.
Denn die Entscheidung über die Dienstzeitverkürzung habe in der Hand des-
selben Dienstherrn gelegen.
2. Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam
im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob ein Antrag auf Entlassung aus der Bundeswehr
gemäß §§ 55, 46 Abs. 7 SG mit einem anderen, das Dienstverhältnis betreffen-
den, Antrag dergestalt verbunden werden könne, dass beide Anträge in einem
alternativen oder kumulativen Verhältnis, letzteres als Haupt- und Hilfsantrag,
zueinander stünden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom
Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich
nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der
Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher
Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich
sein wird (stRspr; u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 -
BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde nennt zwei Gestaltungen, in denen die beiden Anträge - zum
einen die Dienstzeitverkürzung und zum anderen die Entlassung - angeblich
zueinanderstehen können. Diese beiden Fallkonstellationen und ihre Unter-
scheidung werden in der Beschwerdebegründung aber nicht weiter erläutert.
Die nicht näher beschriebene Gegenüberstellung von „alternativem“ und „kumu-
lativem“ Verhältnis der beiden Ansprüche macht keinen Sinn. Haupt- und Hilfs-
antrag, die gerade nicht in einem kumulativen Verhältnis stehen, sind ein Fall
der Alternativität. Der Kläger gibt hierdurch für die Prüfung seiner beiden An-
sprüche eine Reihenfolge vor. Dementsprechend legt der Senat die Zulas-
sungsfrage dahingehend aus, ob der Entlassungsantrag zu dem Antrag auf
Dienstzeitverkürzung im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag stehen kann.
Hierauf hat das Berufungsgericht aber nur hilfsweise abgestellt. Ist eine Beru-
fungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe ge-
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stützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begrün-
dungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird
und vorliegt (vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. Juni 1990 --
Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20, vom 20. August 1993 --
Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994
-- Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4).
Daran fehlt es.
Der Entlassungsantrag ist die Grundlage für eine einschneidende Statusverän-
derung. Um Zweifel auszuschließen, bedarf es daher nach der Rechtsprechung
des Senats einer eindeutigen, bestimmten und vorbehaltlosen Erklärung des
Beamten oder Soldaten (Urteil vom 24. Januar 1985 - BVerwG 2 C 12.84 - in-
soweit in Buchholz 237.6 § 38 LBG Niedersachsen Nr. 1 nicht abgedruckt, juris
Rn. 29). Diese Erklärung unterliegt der Auslegungsregel des § 133 BGB (Urteil
vom 24. Januar 1985 a.a.O. juris Rn. 31). Hiervon ausgehend ist das Beru-
fungsgericht im Rahmen seiner - den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bin-
denden - Auslegung des Antrags zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antrag
hinreichend bestimmt sei und den unbedingten Willen erkennen lasse, die Bun-
deswehr zu verlassen. Dass die Entlassung (nur) „ersatzweise“ gegenüber der
Dienstzeitverkürzung beantragt worden sei, stelle den unbedingten Willen, die
Bundeswehr verlassen zu wollen, nicht in Frage. Mit der gewählten Formulie-
rung werde lediglich im Sinne einer (rechtlichen) Alternative, dieses Ziel zu er-
reichen, auf zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen Bezug genommen. Das
der Sache nach erstrebte Ziel, nämlich das unbedingte Verlassen der Bundes-
wehr durch eine „vorzeitige“ Beendigung des Soldatenverhältnisses, bleibe bei
beiden hierfür in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten ohne Ein-
schränkung dasselbe. Dies bestätige im Übrigen auch das Verhalten des Klä-
gers nach der Antragstellung.
Soweit der Kläger gegen diese Auslegung seines Entlassungsantrags im Rah-
men seiner Nichtzulassungsbeschwerde ausführt, dass das Berufungsgericht
nicht am Wortlaut hängen bleiben dürfe und bei Zweifeln kein Entlassungsan-
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trag gestellt sei, lässt sich mit derartigen einzelfallbezogenen Angriffen das Vor-
liegen einer rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nicht begründen.
Das Revisionsgericht ist bei der Auslegung einer Erklärung grundsätzlich an die
nach den Grundsätzen derdurch das Berufungsgericht erfolg-
te Auslegung gebunden, da es sich bei der Ermittlung des „gewollten“ Inhalts
materiellrechtlich erheblicher Willenserklärungen um Tatsachenfeststellungen
im Sinne deshandelt (vgl. Urteile vom 27. Mai 1981
-- Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 17 S. 4 <5 f.>, vom
19. Februar 1982 --<69>, vom 1. Dezem-
ber 1989 --<162>, vom 19. Januar 1990
--<264 f.>, vom 23. Oktober 1996
-- Buchholz 448.11 § 24 ZDG Nr. 10 S. 1 <6 f.> und vom
20. März 2003 -- Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14).
Dies gilt nur dann nicht, wenn die Auslegung des Tatsachengerichts einen Ver-
stoß gegen revisibles Recht oder gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkge-
setze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (stRspr; vgl. Urteile vom 27. Mai
1981, vom 19. Februar 1982, jeweils a.a.O. m.w.N., vom 1. Dezember 1989
a.a.O., vom 29. April 1993 -- Buchholz 428 § 11 VermG
Nr. 1 S. 1 <3> m.w.N., vom 23. Oktober 1996 a.a.O. S. 7 und vom 20. März
2003 a.a.O.; Beschluss vom 24. Januar 1991 -- Buchholz
316 § 54 VwVfG Nr. 6 S. 11 <13 f.>). Einen solchen Fehler des Berufungsge-
richts bei der Auslegung hat der Kläger weder der Sache nach geltend gemacht
noch dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus Die Festsetzung des
Streitwertes beruht für das Beschwerdeverfahren aufbs. 1 und 3 und
Domgörgen
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