Urteil des BVerwG vom 28.09.2006
Rechtsirrtum, Wahlrecht, Verwaltungsakt, Form
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 14.06
VGH 3 BV 03.2888
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. September 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Bayer
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 24. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 17 759 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt
nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzli-
che Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus dem Beschwerdevorbringen
ergibt sich nicht, dass das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung ent-
scheidungserheblicher konkreter Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinaus-
reichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der
Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts höchstrichterlicher Klärung
bedürfen (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE
13, 90 <91 f.>).
Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen:
„1. Steht der Behörde bei der Ablehnung des Begehrens
eines Beamten mit drei oder mehr Kindern auf Gewährung
einer amtsangemessenen Alimentation nach Art. 9 § 1
Abs. 1 Satz 1 BBVAnpG 99 in Verbindung mit der Ent-
scheidung des BVerfG vom 24.11.1998, Az: 2 BvL 29/91,
ein Wahlrecht zu, ob sie über dieses Begehren durch Aus-
gangs- oder Widerspruchsbescheid entscheidet?
2. Führt das sogenannte ‚Meistbegünstigungsprinzip’ in
dem Fall, dass die Behörde statt (richtigerweise) durch Wi-
derspruchsbescheid über das Begehren eines Beamten
mit drei oder mehr Kindern nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1
BBVAnpG 99 in Verbindung mit der Entscheidung des
BVerfG vom 24.11.1998, Az: 2 BvL 29/91, fälschlich in der
Form eines Ausgangsbescheides entscheidet, nicht dazu,
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dass der Beamte ein Wahlrecht hat, ob er entsprechend
der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides Widerspruch
einlegt oder binnen der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO
Klage erhebt?
3. Sind die Besoldungsansprüche eines Beamten mit drei
oder mehr Kindern im Hinblick auf den Anspruch auf amts-
angemessene Besoldung nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1
BBVAnpG 99 in Verbindung mit der Entscheidung des
BVerfG vom 24.11.1998, Az: 2 BvL 29/91, im Hinblick auf
§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBesG einer verbindli-
chen Regelung durch Verwaltungsakt zugänglich?“
würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil der Beklagte nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts den vom Kläger geltend gemachten
Anspruch mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. März 2001 abgelehnt hat.
Die die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides betreffenden Fragen sind einer Prü-
fung durch die Verwaltungsgerichte entzogen. Dass der Bescheid nichtig sein
könnte, ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerde auch nicht dargelegt.
Insbesondere schließen weder das Bundesbesoldungsgesetz noch § 126
Abs. 3 BRRG - jedenfalls nicht „offensichtlich“ - eine Regelung von Besol-
dungsansprüchen durch Verwaltungsakt aus. Auch wenn das Vorverfahren
nach § 126 Abs. 3 BRRG kein besonderes Antragsverfahren voraussetzt (vgl.
Urteil vom 28. Juni 2001 - BVerwG 2 C 48.00 - BVerwGE 114, 350 = Buchholz
230 § 126 BRRG Nr. 21), besagt dies nicht, dass ein solches Antragsverfahren,
wie es der Kläger nach den verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsge-
richtshofs (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) ausdrücklich eingeleitet hat, dem Wider-
spruchsverfahren nicht vorgeschaltet werden darf.
Die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen:
„4. Ist einem Beamten, der sich ebenso wie die zuständi-
gen Behörden und Verwaltungsgerichte bis zur Entschei-
dung des BVerwG vom 28.06.2001, Az: 2 C 48.00 hinsicht-
lich der Bestimmung des Begriffes der ‚Widerspruchsfüh-
rer’ in Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1 BBVAnpG 99 in einem
Rechtsirrtum befand, dann Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist
gegen einen die geltend gemachten Ansprüche ablehnen-
den Bescheid zu gewähren, wenn der Beamte innerhalb
von 2 Wochen nach Kenntniserlangung von der genannten
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Entscheidung mitteilt, dass er weiterhin seine Nachzah-
lungsansprüche geltend mache und somit Widerspruch
gegen den ablehnenden Bescheid einlegt?
Ist in diesem Fall die Behörde nicht zumindest gehalten,
das Verfahren nach Art. 51 VwVfG wieder aufzugreifen?“
lassen nicht erkennen, dass sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeu-
tung berühren könnten. Die Beschwerde greift ausschließlich die Ausführungen
des Verwaltungsgerichtshofs in Würdigung der Umstände des vorliegenden
Falles an. Zu einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutsamkeit der ge-
stellten Fragen enthält die Beschwerde keinen weiteren Vortrag. Dass sich
möglicherweise weitere Personen und Stellen ebenso wie der Kläger in einem
Rechtsirrtum bei der Auslegung des Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1 BBVAnpG 99 be-
funden haben, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die
insoweit allgemein rechtserheblichen Fragen hat der beschließende Senat in
seinem Urteil vom 28. Juni 2001 - BVerwG 2 C 48.00 - (a.a.O.) geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 52 Abs. 3 GKG.
Albers Groepper Dr. Bayer
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