Urteil des BVerwG vom 02.10.2008

Angemessenheit der Kosten, Krankheit, Familie, Vorrang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 139.07
OVG 6 A 3868/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Oktober 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Burmeister
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. September
2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf die Wertstufe bis 300 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Vor dem Hintergrund, dass das Berufungsgericht das beklagte Land verpflichtet
hat, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für ein ärztlich verschriebenes
Medikament zur Behandlung einer erektilen Dystonie zu gewähren, hält das
beklagte Land die Frage für klärungsbedürftig, ob zur Ausfüllung des unbe-
stimmten Rechtsbegriffs der „Notwendigkeit“ in den beihilferechtlichen Bestim-
mungen des Bundes und der Länder die Heilungs- und Behandlungswürdigkeit
einzelner Krankheiten auch dann im normativen „Programm“ der Beihilfevor-
schriften geregelt werden kann, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage
dafür nicht vorhanden ist.
Für die Beantwortung dieser Frage bedarf es keines Revisionsverfahrens; sie
lässt sich auf der Grundlage der Entscheidung des Senats vom 17. Juni 2004
(BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103) ohne weiteres verneinen. Wie der
Senat in dieser Entscheidung ausgeführt hat, sind bei der näheren Ausgestal-
tung der Fürsorge im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beamten
und seiner Angehörigen aufgrund des Gesetzesvorbehaltes zumindest die tra-
genden Strukturprinzipien gesetzlich zu regeln. Der Gesetzgeber selbst hat in
der Bandbreite seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten (vgl. BVerfGE 58,
68 <77 f.>; 79, 223 <235>; 83, 89 <98>; 106, 225 <232>) das Leistungssystem
zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von
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Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, sowie festzulegen, welche „Risiken“
erfasst werden, für welche Personen Leistungen beansprucht werden können,
nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemessen oder ausge-
schlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigun-
gen Vorrang haben.
Wie der Beklagte bereits mit seiner Frage zutreffend erkennt, enthält die hier
maßgebliche Vorschrift des § 88 LBG NRW keinerlei Festlegung, „nach wel-
chen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemessen oder ausgeschlossen
werden“. Soweit das Gesetz überhaupt zu Leistungsausschlüssen unabhängig
von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten ermächtigt, betrifft dies
nur die Bereiche der zahnärztlichen Leistungen, der Beschäftigung von Pflege-
kräften und Hauspflegekräften, der Hilfsmittel, der Aufenthalte in Sanatorien
und Heimen, der Heilkuren, der Behandlungen außerhalb des Wohnortes des
Beihilfeberechtigten sowie der Todesfälle.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und auf § 47
Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Herbert Groepper Dr. Burmeister
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