Urteil des BVerwG vom 06.01.2010

Jugend Und Sport, Wissenschaft Und Forschung, Kontradiktorisches Verfahren, Disziplinarverfahren

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 125.09
OVG 80 D 5.08
In dem Disziplinarverfahren
g e g e n
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Januar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Hartung
beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des früheren Studienrats
Wolfgang Stell gegen das Urteil des Oberverwaltungsge-
richts Berlin-Brandenburg vom 17. September 2009 wird
verworfen.
Der frühere Beamte trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
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G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 49 Abs. 3 des Berliner Disziplinargesetzes - DG - i.d.F. von Art. I des
Gesetzes zur Neuordnung des Berliner Disziplinarrechts vom 29. Juni 2004
(GVBl S. 263) werden die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eingeleite-
ten förmlichen Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht fortgeführt. Für die
Anschuldigung und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gilt ebenfalls
das bisherige Recht. Gemäß Art. VIII § 3 Abs. 1 des Neuordnungsgesetzes ist
das Berliner Disziplinargesetz am ersten Tag des auf die Verkündung am 8. Juli
2004 folgenden Kalendermonats, mithin am 1. August 2004 in Kraft getreten.
Davon ausgehend war das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den früheren
Beamten nach bisherigem Recht, d.h. nach der Berliner Landesdisziplinar-
ordnung - LDO - i.d.F. vom 1. März 1979 (GVBl S. 546), zuletzt geändert durch
Art. I § 8 des Gesetzes vom 15. Oktober 2001 (GVBl S. 540) fortzuführen. Denn
es war vor dem 1. August 2004, nämlich durch Verfügung der Senatsverwal-
tung für Bildung, Jugend und Sport (jetzt Senatsverwaltung für Bildung, Wis-
senschaft und Forschung) vom 10. Dezember 2003, zugestellt am
13. Dezember 2003, förmlich eingeleitet worden (§ 35 LDO).
Berufungsurteile des Disziplinarsenats des Oberverwaltungsgerichts, die noch
in gerichtlichen Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht ergehen, werden
mit der Verkündung rechtskräftig (§ 83 LDO). Gegen sie ist folglich kein
Rechtsbehelf oder Rechtsmittel gegeben; die Vorschriften über die Revision
und die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 41 DG, § 69 BDG, §§ 132, 133
VwGO sind unanwendbar. Dies gilt hier für das gegen den früheren Beamten
ergangene Berufungsurteil vom 17. September 2009. Von der Möglichkeit, ge-
mäß Art. 99 GG dem Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung in Landes-
disziplinarsachen für den letzten Rechtszug zuzuweisen, hatte der Landesge-
setzgeber in der Berliner Landesdisziplinarordnung keinen Gebrauch gemacht.
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Diese sich aus der uneingeschränkten Fortgeltung des alten Rechts ergebende
Rechtsfolge verletzt nicht das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1
GG. Dem Landesgesetzgeber bleibt es unbenommen, bei Angleichung des
Landesdisziplinarrechts an das Bundesdisziplinargesetz die gerichtlichen Zu-
ständigkeiten und den Instanzenzug nur für diejenigen Disziplinarverfahren neu
zu ordnen, die bei Inkrafttreten des neuen Rechts nicht nach altem Recht förm-
lich eingeleitet oder bereits gerichtlich anhängig waren. Die unterschiedliche
Behandlung ist sachlich gerechtfertigt: Zum einen wird vermieden, dass ein
förmliches Disziplinarverfahren, das in Anlehnung an strafprozessuale Grund-
sätze eingeleitet und betrieben worden ist, als kontradiktorisches Verfahren
nach verwaltungsprozessrechtlichen Regelungen fortgesetzt werden muss.
Zum anderen ist nach altem Recht dem gerichtlichen Disziplinarverfahren eine
förmliche Untersuchung gemäß §§ 49 ff. LDO vorgeschaltet. Die Kumulation
von förmlicher Untersuchung und zusätzlichem dritten Rechtszug durfte der
Landesgesetzgeber aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung ausschließen
(Beschlüsse vom 20. Mai 2003 - BVerwG 1 DB 8.03 - Buchholz 235.2
LDisziplinarG Nr. 1, vom 28. Juni 2005 - BVerwG 2 B 32.05 - Buchholz 235.2
LDisziplinarG Nr. 3 und vom 30. Mai 2007 - BVerwG 2 B 57.07 - juris Rn. 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des sich
aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 107 Abs. 1 Satz 1 LDO ergebenden Grundsat-
zes.
Herbert Groepper Dr. Hartung
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