Urteil des BVerwG vom 14.07.2010

Beamtenverhältnis, Dienstzeit, Versorgung, DDR

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 109.09
OVG 1 L 40/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. August 2009
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger bezieht eine Altersrente in Höhe von 831,59 € und begehrt höhe-
re Versorgungsbezüge. Er war zunächst als Grenzbeamter und dann als Volks-
polizist in der ehemaligen DDR tätig. Von 1988 bis 1990 war er inoffizieller Mit-
arbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Nach der Wiedervereinigung war
er kurze Zeit als Angestellter und vom Juli 1991 bis zur Vollendung seines
60. Lebensjahres im Jahre 2001 als Beamter im Polizeidienst des beklagten
Landes tätig.
Während das Verwaltungsgericht seiner Klage stattgegeben hat, hat das Beru-
fungsgericht die Klage abgewiesen. Die Versorgungsbezüge sind nach Auffas-
sung des Berufungsgerichts wie folgt zu berechnen: Nach § 55 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 Buchst. b, § 12a BeamtVG seien Zeiten der Tätigkeit beim Ministerium für
Staatssicherheit von der ruhegehaltfähigen Dienstzeit vorab abzuziehen, so
dass nur die Zeit vom 1. April 1990 bis zum Eintritt des Versorgungsfalles am
30. September 2001 als ruhegehaltfähige Dienstzeit zugrunde zu legen sei. Die
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so errechnete fiktive ruhegehaltfähige Dienstzeit nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in
Höhe von 20,63 v.H. ergebe Versorgungsbezüge in Höhe von 531,36 €. Da die-
se sowohl das amtsbezogene als auch das amtsunabhängige Mindestruhege-
halt unterschritten, sei der höhere der beiden Beträge, nämlich 1 196,44 € (§ 14
Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG), als Höchstgrenze i.S.d. § 55 Abs. 2 BeamtVG
zugrunde zu legen und hiervon die Altersrente abzuziehen; daraus ergebe sich
der zu zahlende Betrag der Versorgungsbezüge (364,85 €).
2. Der Kläger wendet sich gegen diese Auslegung der §§ 55, 14 und 12a
BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG. Er sieht darin einen Verstoß gegen den allgemei-
nen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Versorgung eines Beamten sei
nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5
GG) aus dem letzten Amt zu bestimmen. Hiermit sei es unvereinbar, wenn der
Beamte nach dem Eintritt in den Ruhestand unabhängig vom erreichten Amt
lediglich eine Versorgung in Höhe der amtsunabhängigen Mindestversorgung
erhalte und diese ihm wegen der Anrechnung seiner Altersrente auch nur in
Teilen ausgezahlt werde. § 12a BeamtVG könne nur dann zur Anwendung
kommen, wenn ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit später in
ein Beamtenverhältnis übernommen werde. Ansonsten stünde ein nicht entlas-
sener Beamter schlechter als ein belasteter Beamter, der aus dem Dienst ent-
fernt und nachversichert werde. Insofern sei klärungsbedürftig,
ob § 55 BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG und § 12a BeamtVG
eine Verletzung der hergebrachten Grundsätze des Be-
rufsbeamtentums aufgrund der damit verbundenen Kür-
zungen der Versorgungsbezüge der Ruhestandsbeamten
in sich berge.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu ent-
scheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Inte-
resse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der
Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, Beschluss vom 2. Oktober
1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132
VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier. Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist teil-
weise schon höchstrichterlich geklärt und lässt sich im Übrigen anhand des ein-
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deutigen Gesetzeswortlauts im vom Berufungsgericht dargestellten Sinne be-
antworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens
bedarf.
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist über die Regelung
des § 55 Abs. 2 BeamtVG, in dessen Rahmen die Vorschriften über die Min-
destversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG gelten, sichergestellt,
dass die Gesamtversorgung des Beamten ausnahmslos zumindest das Niveau
der beamtenrechtlichen Mindestversorgung erreicht und damit in jedem Falle
dem Gebot der amtsangemessenen Versorgung nach Art. 33 Abs. 5 GG ge-
nügt.
Etwas anders folgt auch nicht aus § 12a BeamtVG (i.V.m. § 30 BBesG). Die
Bestimmung betrifft diejenigen Beamten, die - wie der Kläger - im Beitrittsgebiet
erst seit dem 3. Oktober 1990 in ein Beamtenverhältnis getreten sind. Da § 12a
BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG an davor liegende Zeiten bzw. Tätigkeiten an-
knüpft, sind Beamte umso mehr von der Regelung betroffen, je lebens- bzw.
dienstälter sie in das Beamtenverhältnis getreten sind. In diesen Fällen haben
sie nur eine kurze Dienstzeit im aktiven Beamtenverhältnis verbracht, so dass
dann die amts(un)abhängige Versorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 oder 2
BeamtVG zu zahlen ist. Aus diesem Grunde hat § 12a BeamtVG bei Beamten,
die - wie der Kläger - sehr geringe, nämlich weniger als derzeit 20 Dienstjahre
(35 v.H. ./. 1,79375 v.H., vgl. § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG; beim Kläger:
10 Jahre und 69 Tage) aufweisen können, im Ergebnis keine Rechtswirkung,
weil das Ruhegehalt nicht nach § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern nach § 14
Abs. 4 Satz 1 oder 2 BeamtVG berechnet wird. Auch hierauf hat das Beru-
fungsgericht bereits zutreffend hingewiesen. Aus dem Alimentationscharakter
der Mindestversorgung folgt zugleich, dass auch sie im Beamtenstatus „erdient"
ist und sich demgemäß nicht von der Versorgung nach Maßgabe des § 14
Abs. 1 BeamtVG unterscheidet (Urteile vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C
25.04 - BVerwGE 124, 19 = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4 und vom
12. November 2009 - BVerwG 2 C 29.08 - IÖD 2010, 67 f.).
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b) Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist außerdem
geklärt, dass es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gibt,
wonach Renten auf die Versorgungsbezüge nicht in der in § 55 BeamtVG vor-
gesehenen Art angerechnet werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
16. März 2009 - 2 BvR 1003/08 - ZBR 2009, 381 m.w.N.). Der Dienstherr kann
sich von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versor-
gungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist,
sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und
seiner Familie zu dienen bestimmt sind. Bei den Renten im Sinne des § 55
Abs. 1 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um solche auf die Versorgungsbezüge
anrechenbare Leistungen aus einer anderen öffentlichen Kasse. Es ist insbe-
sondere nicht sachwidrig, wenn der Gesetzgeber bei Rente beziehenden Ver-
sorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anordnet, um eine
Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigen-
leistung des Versorgungsempfängers, sondern dadurch entstanden ist, dass
Rentenrecht und Beamtenversorgungsrecht nicht hinreichend aufeinander ab-
gestimmt sind. Anderenfalls erhielte der Beamte mit einer Mischlaufbahn grund-
los eine überproportionale Versorgung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März
2009 a.a.O. m.w.N.).
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass im Fall des Klä-
gers eine nach dem Maßstab des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2
BeamtVG ausgesprochen kurze Dienstzeit im Beamtenverhältnis von lediglich
10 Jahren und 69 Tagen ruhegehaltfähig ist und im Übrigen nur noch ein Zeit-
raum im Angestelltenverhältnis von 293 Tagen, so dass ein Zeitraum von ledig-
lich insgesamt knapp 12 Jahren im versorgungsrechtlichen Sinne im öffentli-
chen Dienst zugebracht wurde. Vor diesem Hintergrund ist es verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den Kläger versorgungs-
rechtlich im Ergebnis nicht anders behandelt als einen „Nur-Beamten“, der
gleichfalls letztlich nur die amtsunabhängige Mindestversorgung erhält.
c) Auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
GG legt die Beschwerde nicht dar.
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Der Regelfall des § 55 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG führt im
Ergebnis dazu, dass gerechnet ab dem vollendeten 17. Lebensjahr von einer
fiktiven ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 40 Jahren auszugehen und das Ru-
hegehalt nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 BeamtVG mit einem Faktor von der-
zeit 1,79375 zu berechnen ist, so dass der Höchst-Ruhegehaltssatz in Höhe
von derzeit 71,75 v.H. erreicht ist und danach die Höchstgrenze gemäß § 55
Abs. 2 BeamtVG bemessen wird.
Die Anwendung von § 12a BeamtVG i.V.m. § 30 BBesG führt nach Maßgabe
von § 55 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG im Ergebnis demge-
genüber dazu, dass sich nach dem Berechnungsmodus des § 14 Abs. 1 oder
§ 14 Abs. 4 Satz 1 bzw. 2 BeamtVG in der Regel eine geringere Höchstgrenze
als der Höchst-Ruhegehaltssatz ergibt. Von diesen Regelungen negativ betrof-
fen sind indes lediglich diejenigen Beamten, mit denen trotz Vorliegens der in
§ 30 BBesG geregelten Tatbestände ein Beamtenverhältnis begründet oder
aufrecht erhalten wurde.
Eine im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG sachwidrige Ungleichbehandlung ist inso-
weit - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht in Bezug auf diejenigen Per-
sonen gegeben, mit denen ein Beamtenverhältnis (etwa aus den Gründen des
§ 30 BBesG) gar nicht erst begründet oder die aus diesem wieder entlassen
bzw. entfernt wurden. Denn diese Personen beziehen keine Versorgungsleis-
tungen des Dienstherrn, was die Ungleichbehandlung rechtfertigt. Auch hierauf
hat das Berufungsgericht bereits hingewiesen.
Auch durfte der Gesetzgeber die in § 12a BeamtVG angeführten Zeiten, die
nach § 30 BBesG für das Besoldungsdienstalter nicht berücksichtigt werden,
als nicht ruhegehaltfähig und damit im Rahmen des § 55 BeamtVG zugleich als
nicht berücksichtigungsfähig bestimmen. Insofern ist für § 30 BBesG bereits
höchstrichterlich geklärt, dass die dort genannten Zeiten nicht besoldungsstei-
gernd zu berücksichtigen sind. Grundgedanke von § 30 Abs. 1 BBesG ist,
Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR, die durch eine in verschiedener
Weise herausgehobene Nähe zum Herrschaftssystem der DDR gekennzeichnet
sind, von der - besoldungssteigernden - Anrechnung auf das Besoldungs-
dienstalter auszuschließen. Die Regelung geht davon aus, dass solche Dienst-
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zeiten, während derer der Beamte außerhalb des Rahmens einer rechtsstaatli-
chen Verwaltung tätig geworden ist, nicht mit Tätigkeiten in der rechtsstaatli-
chen Grundsätzen verpflichteten öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik
Deutschland gleichgestellt und deshalb bei der Festsetzung des Besoldungs-
dienstalters nicht besoldungssteigernd berücksichtigt werden dürfen (BVerfG,
Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310; BVerwG, Urteil
vom 19. April 2004 - BVerwG 2 C 5.03 - Buchholz 240 § 30 BBesG Nr. 2). Die-
sen Grundgedanken hat § 12a BeamtVG lediglich aufgegriffen, indem die vor-
genannten Zeiten ebenfalls nicht versorgungssteigernd wirken sollen, wobei
§ 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG in jedem Falle im System der Beamtenver-
sorgung sicherstellen, dass Beamte die amts(un)abhängige Mindestversorgung
erhalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
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Thomsen
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