Urteil des BVerwG vom 04.06.2014

Überprüfung, Slv, Soldat, Leistungsklage

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 108.13
OVG 2 LB 6/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Kenntner
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Oberverwaltungsgerichts vom 23. September 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 16 241,16 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) des Klägers ist unbegründet.
1. Der 1977 geborene Kläger stand bis Ende 2010 als Soldat auf Zeit, zuletzt im
Rang eines Oberbootsmanns, im Dienst der Beklagten. Im Juni 2010 wurde der
Kläger zum Stichtag 30. September 2009 - letztmals - planmäßig beurteilt. Im
August 2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Umwandlung sei-
nes Dienstverhältnisses in das eines Berufssoldaten ab. Die nach erfolgloser
Beschwerde erhobene Klage auf Feststellung, dass die Ablehnung seines An-
trags auf Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis rechtswidrig war, hat in
beiden Instanzen keinen Erfolg gehabt. Zur Begründung hat das Oberverwal-
tungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Bei der Auswahl der zu Berufssoldaten zu ernennenden Hauptbootsleute habe
sich die Beklagte ohne Ermessensfehler für einen Konkurrenten des Klägers
entschieden. Dessen Eignungs- und Leistungsbild sei günstiger als das des
Klägers. Bei dieser Auswahlentscheidung habe die Beklagte die dienstliche Be-
urteilung des Klägers vom Juni 2010 zugrunde legen dürfen. Da der Kläger sei-
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ne Beurteilung nicht mit der Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung
angefochten habe, sei diese in Bestandskraft erwachsen und entfalte eine ma-
terielle Tatbestandswirkung. Wegen der Bestandskraft dieser Beurteilung sei
ihre inzidente Prüfung im gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung der Aus-
wahlentscheidung ausgeschlossen.
2. Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der
Frage,
„ob die Beurteilung eines Soldaten bei nicht fristgerechter
Anfechtung im Beschwerdeweg in formelle und materielle
Bestandkraft erwächst und damit im Rahmen von Aus-
wahl- und Perspektivbestimmungsverfahren ohne (inzi-
dente) Prüfung zugrunde gelegt werden kann“.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache
nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätz-
liche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im
Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung
des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung
des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr; u.a. Beschluss vom
2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Die von der
Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die dienstliche Beurteilung eines Soldaten
in Bestandskraft erwachsen kann, rechtfertigt die Zulassung der Revision nach
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Denn sie ist in der Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts im Sinne des Urteils des Oberverwaltungsgerichts ge-
klärt. Ihre neuerliche grundsätzliche Bedeutung ist nicht dargelegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erwächst
die dienstliche Beurteilung eines Soldaten, die nicht fristgerecht angefochten
wird, in Bestandskraft (Beschlüsse vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB
90.00 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 12 S. 22, vom 3. Juli 2001 - BVerwG
1 WB 18.01 -, vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 - Rn. 17 f. und vom
23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - BVerwGE 136, 119 = Buchholz 449.2
§ 2 SLV 2002 Nr. 17 jeweils Rn. 49), sofern sie nicht ausnahmsweise entspre-
chend den Grundsätzen des § 44 VwVfG nichtig ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom
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4. Juli 1990 - BVerwG 1 WB 103.89 - und vom 2. März 1994 - BVerwG 1 WB
25.93 -). Für die Rechtsbehelfe Beschwerde, weitere Beschwerde und Antrag
auf Entscheidung des Truppendienstgerichts sind die Fristen der § 6 Abs. 1,
§ 16 Abs. 1 sowie § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO maßgeblich. Die Bestandskraft hat
nicht nur zur Folge, dass die dienstliche Beurteilung nicht mehr mit Rechtsbe-
helfen angegriffen werden kann. Die dienstliche Beurteilung ist auch ohne in-
haltliche Überprüfung anderen Entscheidungen, wie insbesondere im Rahmen
von Auswahl- und Perspektivbestimmungsverfahren, zugrunde zu legen. Nach
Eintritt der Bestandskraft kann der Soldat nur unter den Voraussetzungen der
entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 51 VwVfG eine Entscheidung über
die Änderung oder Aufhebung der Beurteilung beanspruchen (vgl. Beschlüsse
vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 65.06 - Rn. 26, vom 28. Mai 2008
- BVerwG 1 WB 11.08 - Rn. 22 und vom 25. Juni 2008 - BVerwG 1 WB 28.08 -
Rn. 15). Im Übrigen kommt nur die Überprüfung im Wege der allein im öffentli-
chen Interesse wahrgenommenen Dienstaufsicht in Betracht (vgl. Beschluss
vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62
Rn. 18 = NZWehrr 2007, 252). Ist, wie hier, für eine Klage aus dem Wehr-
dienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben, tritt nach § 23 Abs. 1
WBO das Beschwerdeverfahren an die Stelle des Vorverfahrens, so dass eine
Maßnahme, die nicht innerhalb der genannten Fristen angefochten worden ist,
in anderen Rechtsbehelfsverfahren auch nicht inzident auf ihre Rechtmäßigkeit
überprüft werden kann (Beschluss vom 23. Februar 2010 a.a.O. Rn. 58).
Eine bereits höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage ist zwar dann wieder klä-
rungsbedürftig, wenn neue Gesichtspunkte von Gewicht vorgebracht werden,
die die bisherige Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute höchstrich-
terliche Entscheidung geboten erscheinen lassen (Beschluss vom 25. Novem-
ber 1992 - BVerwG 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224
m.w.N.). Dies ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Die Beschwerde führt zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts an,
aus denen die erneute Klärungsbedürftigkeit der als rechtsgrundsätzlich be-
zeichneten Frage folgen soll: Zum einen habe das Urteil vom 13. Dezember
2012 - BVerwG 2 C 11.11 - (BVerwGE 145, 237) zu einer Stärkung des Leis-
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tungsgrundsatzes im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG im Soldatenrecht geführt und
zum anderen habe das Bundesverwaltungsgericht das Soldatenrecht durch den
Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - (Buchholz 449 § 3 SG
Nr. 60) weiter an die Rechtsprechung zum Beamtenrecht angenähert. Damit
werden aber keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, die die bisherige Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestandskraft einer dienstlichen
Beurteilung eines Soldaten als in einem Revisionsverfahren überprüfungsbe-
dürftig erscheinen lassen.
Die mit den vorbezeichneten Entscheidungen in Bezug genommenen Aussagen
des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung des Leistungsgrundsatzes des
Art. 33 Abs. 2 GG bei der Besetzung von Berufssoldatenstellen im Hinblick auf
das früher bei der Bundeswehr praktizierte System des Aufrufens nach Ge-
burtsjahrgängen oder das Erfordernis der Aktualität von dienstlichen Beurtei-
lungen von Soldaten bei Auswahlentscheidungen für die Besetzung von militä-
rischen Dienstposten haben keine Bedeutung für die Anwendung von Fristen-
regelungen des Soldatengesetzes und die Folgen der Versäumung dieser Fris-
ten.
Auch die Darlegungen der Beschwerde zur - gegenüber dem Soldatenrecht -
abweichenden Behandlung von dienstlichen Beurteilungen von Beamten be-
gründen nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung des vorliegenden Verfah-
rens, bei dem es auf die dienstliche Beurteilung eines Soldaten ankommt. Der
damit angesprochene Unterschied hat seinen Grund allein darin, dass für
Beamte andere Rechtsnormen maßgeblich sind als für Soldaten.
Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts mangels einer Regelung mit bestimmten unmittel-
baren Rechtswirkungen kein Verwaltungsakt. Für sie besteht nicht die Notwen-
digkeit baldigen Eintritts der Unanfechtbarkeit und deshalb einer Befristung der
Anfechtbarkeit (Urteile vom 9. November 1967 - BVerwG 2 C 107.64 -
BVerwGE 28, 191 <192> = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 12, vom 13. November
1975 - BVerwG 2 C 16.72 - BVerwGE 49, 351 <353 ff.> = Buchholz 237.1 Art.
118 BayBG Nr. 1 und vom 18. April 2002 - BVerwG 2 C 19.01 - Buchholz
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237.95 § 20 SHLBG Nr. 2 S. 2). Der Beamte kann in den durch die Grundsätze
der Verwirkung gezogenen Grenzen seine Einwendungen gegen die dienstliche
Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt, etwa in einem Konkurrentenstreitver-
fahren, geltend machen und damit die dienstliche Beurteilung einer inzidenten
Rechtmäßigkeitsprüfung zuführen. Die Vorschriften des 8. Abschnitts der Ver-
waltungsgerichtsordnung über den Lauf der Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 sowie § 58 Abs. 2 VwGO) finden keine Anwendung auf Wi-
dersprüche von Beamten, die gemäß § 126 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 BRRG
i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG (sowie § 126 Abs. 2 BBG und § 54 Abs. 2
BeamtStG) einer allgemeinen Leistungsklage oder einer Feststellungsklage aus
dem Beamtenverhältnis vorgeschaltet sind. Denn der Lauf dieser Fristen wird
nur durch die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts in Gang gesetzt. Daher kann
ein sog. Feststellungs- oder Leistungswiderspruch nur dann als verspätet ver-
worfen werden, wenn der Beamte bei der Erhebung die Widerspruchsbefugnis
verwirkt hat (Urteil vom 31. März 2011 - BVerwG 2 A 3.09 - Buchholz 402.8 § 5
SÜG Nr. 24 Rn. 21 zum Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung). Dies ist anzu-
nehmen, wenn er innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untä-
tig geblieben ist, unter denen bei vernünftiger Betrachtung etwas zur Wahrung
der Rechtsstellung unternommen zu werden pflegt. Die Jahresfrist des § 58
Abs. 2 VwGO bietet hierfür eine zeitliche Orientierung, ihre Einhaltung stellt
aber keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Widerspruchs dar (Urteil vom
13. November 1975 a.a.O. S. 358).
Demgegenüber gelten im Bereich des Soldatenrechts für sämtliche Maßnah-
men des Dienstherrn die Fristenregelungen der § 6 Abs. 1, § 16 Abs. 1 sowie
§ 17 Abs. 4 Satz 1 WBO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG n.F.
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