Urteil des BVerwG vom 14.02.2005

Gleichheit im Unrecht, Pflicht des Beamten, Beamter, Haftpflichtversicherung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 105.04
VGH 4 S 2258/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und G r o e p p e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 22. September 2004 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 4 477,38 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
bleibt ohne Erfolg.
1. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO zu.
Vor dem Hintergrund, dass der Kläger vom Beklagten wegen falschen Betankens
eines Dienstfahrzeugs zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens herangezo-
gen worden ist, bezeichnet die Beschwerde die Rechtsfrage als klärungsbedürftig,
"Unter welchen Umständen ist es dem beamtenrechtlichen Dienstherrn ver-
wehrt, von einer eigenen Verwaltungspraxis, Beamte in gleichgelagerten Fällen
(z.B. der Fehlbetankung von Dienstfahrzeugen) nicht zum beamtenrechtlichen
Regress heranzuziehen, im Einzelfall abzuweichen?"
Diese Frage ist schon von ihrer Formulierung her auf den Einzelfall zugeschnitten
und entzieht sich somit einer generellen, fallübergreifenden Beantwortung in einem
Revisionsverfahren. Hiervon abgesehen setzt sie einen Sachverhalt voraus, den das
Berufungsgericht so nicht festgestellt hat und der daher nicht Grundlage des Revisi-
onsverfahrens sein könnte (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat es viel-
mehr für unerheblich gehalten und deshalb nicht weiter aufgeklärt, ob der Beklagte in
vergleichbaren anderen Fällen davon abgesehen hat, von Beamten Schadensersatz
zu verlangen; angesichts der gesetzlichen Pflicht des Beamten, Schadensersatz zu
leisten, könne sich der Kläger auf eine Gleichheit im Unrecht nicht berufen.
Die weitere Frage,
"Kann ein beamtenrechtlicher Dienstherr bei der von ihm veranlassten Verän-
derung dienstlicher Abläufe (hier Anschaffung von Dieselfahrzeugen statt Ben-
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zinfahrzeugen) für die Beurteilung eines beamtenrechtlichen Regresses auch
dann von grober Fahrlässigkeit ausgehen, wenn die Beamten die damit ver-
bundenen Veränderungen massenhaft (in mehreren hundert Fällen) nicht be-
achtet haben (hier: Fehlbetankungen)?",
rechtfertigt ebenfalls die Zulassung der Revision nicht. Zum einen beruht sie, wie die
erste Frage, auf einem vom Berufungsgericht so nicht festgestellten Sachverhalt,
zum anderen betrifft sie die rechtliche Bewertung eines tatsächlichen Vorgangs, die
dem Tatsachengericht vorbehalten ist. Eine Notwendigkeit, den Begriff der groben
Fahrlässigkeit einer rechtsgrundsätzlichen Überprüfung zu unterziehen, wird von der
Beschwerde nicht dargelegt; sie ergibt sich insbesondere auch nicht aus der (unter-
stellten) Tatsache, dass das dem Kläger zur Last gelegte Fehlverhalten kein Einzel-
fall war. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, dass grobe Fahrlässigkeit bereits dann
ausscheidet, wenn das Fehlverhalten nicht auf Einzelfälle beschränkt ist.
Schließlich führt auch die Frage,
"Unter welchen Voraussetzungen ist ein beamtenrechtlicher Dienstherr berech-
tigt, Regressansprüche gegenüber einem Beamten geltend zu machen, wenn
er Dienstabläufe verändert, den Beamten aber nicht auf die Möglichkeit des
Abschlusses einer privaten Haftpflichtversicherung, die erhebliche Schäden
aufgrund der Umstellung der Dienstabläufe abdecken kann, hinweist?",
nicht zur Zulassung der Revision. Die Frage geht von der Unterstellung aus, der
Dienstherr sei verpflichtet, seine Beamten bei jeder Veränderung des Dienstablaufs
(und hierzu rechnet der Kläger auch den Austausch von Dienstfahrzeugen) auf die
Möglichkeit des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung hinzuweisen. Dass eine
solche Verpflichtung des Dienstherrn besteht, legt die Beschwerde ebenso wenig dar
wie Gründe, weshalb ein im Polizeidienst stehender Beamter nicht bereits von sich
aus eine derartige Versicherung abgeschlossen hat.
2. Ohne Erfolg rügt der Kläger im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die angegrif-
fene Entscheidung habe grobe Fahrlässigkeit angenommen, wenn es sich "um ein
schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten handelt, welches das gewöhnliche Maß
erheblich übersteigt" und sich damit in Gegensatz gesetzt zum Rechtssatz des Bun-
desverwaltungsgerichts, wonach ein Beamter dann grob fahrlässig handelt, "wenn er
die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in besonders schwerem
Maße verletzt, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt oder beiseite schiebt
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und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall sich jedem hätte aufdrängen müs-
sen".
Eine zur Zulassung der Revision führende Abweichung liegt nur dann vor, wenn das
Berufungsgericht mit einem eigenen Rechtssatz von einem Rechtssatz des Bundes-
verwaltungsgerichts abgewichen ist, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwen-
dung derselben Vorschrift aufgestellt hat. Eine Divergenz in diesem Sinne scheidet
hier bereits deshalb aus, weil sich das Berufungsgericht zur Begründung seiner Ent-
scheidung auf beide von der Beschwerde zitierten Sätze gestützt und damit deutlich
gemacht hat, dass es sich keineswegs im Gegensatz zur Auffassung des Bundes-
verwaltungsgerichts befindet. Eine etwa unterlaufene unrichtige Anwendung eines
Satzes des Bundesverwaltungsgerichts begründet keine Divergenz.
3. Schließlich greift auch die Rüge mangelhafter Aufklärung und Verletzung des
rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1, § 138 Nr. 3 VwGO) nicht
durch. Der Kläger rügt in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht hätte Be-
weis darüber erheben müssen, ob die dem Beklagten in Rechnung gestellten Repa-
raturkosten in voller Höhe gerechtfertigt gewesen seien. Dieser Frage nachzugehen
wäre das Berufungsgericht jedoch nur dann verpflichtet gewesen, wenn die Auskünf-
te, die der Beklagte hierzu von der mit der Reparatur beauftragten Werkstatt einge-
holt hatte, unschlüssig oder widersprüchlich gewesen wären. Dass dies nicht der Fall
war, hat das Berufungsgericht eingehend dargelegt. Die Beschwerde lässt nicht er-
kennen, wieso auf der Grundlage der für die Prüfung der Aufklärungsrüge maßgebli-
chen Rechtsansicht des Berufungsgerichts eine weitere Aufklärung erforderlich war.
Dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung das rechtliche Gehör des Klä-
gers verletzt hätte, wird in der Beschwerde nicht einmal ansatzweise dargelegt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 3 GKG.
Albers Dr. Kugele Groepper