Urteil des BVerwG vom 25.09.2008

Ortszuschlag, Teilzeitbeschäftigung, Begriff, Tarifvertrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 104.07
OVG 5 LC 41/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 10. Juli 2007 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 2 620,88 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger, der seit dem 1. April 2003 Ruhestandsbeamter ist, begehrt von dem
Beklagten die Gewährung des vollen Familienzuschlags der Stufe 1 seit dem
1. Januar 1999. Seine Ehefrau arbeitete in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis
zum 30. September 2005 als teilzeitbeschäftigte Krankenschwester mit 19,25
Wochenstunden bei einem Kreis- und Stadtkrankenhaus. Hierfür erhielt sie die
Hälfte des für sie maßgeblichen Ortszuschlags der Tarifklasse II (48,74 €) auf
der Grundlage des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT), dessen Höhe um
1,65 € unter der Hälfte des Höchstbetrages der Stufe 1 des Familienzuschlags
nach dem Bundesbesoldungsgesetz liegt (50,39 €). Das Berufungsgericht hat
die Kürzung des Familienzuschlags der Stufe 1 nach § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG
bestätigt: Der Ehefrau des Klägers stünde der Ortszuschlag der Stufe 2 gemäß
§ 29 BAT zu. Dieser Ortszuschlag sei eine „entsprechende Leistung“ i.S.d. § 40
Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 BBesG, die nicht unter den im Besoldungsrecht
verwandten Begriff des „Familienzuschlags der Stufe 1“ falle. Für die Annahme
einer „entsprechenden Leistung“ sei nicht erforderlich, dass sie in derselben
Höhe wie der Familienzuschlag gewährt werde. Es genüge, dass der
Ortszuschlag der Ehefrau in Höhe von mindestens der Hälfte des
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Höchstbetrages der Stufe 1 des Familienzuschlags „zustünde“, Kürzungen auf-
grund ihrer Teilzeitbeschäftigung seien außer Betracht zu lassen.
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche
Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden all-
gemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Recht-
sprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren
bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer,
diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG
8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr). Hieran fehlt es. Die vom Kläger
aufgeworfene Frage lässt sich anhand der Rechtsprechung des erkennenden
Senats und des Wortlauts des Gesetzes hinreichend sicher beantworten, ohne
dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Die Beschwerde benennt als klärungsbedürftig die Frage,
ob der in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG verwendete Begriff „stün-
de zu“, soweit er sich auf die letzte Alternative bezieht, so zu
interpretieren ist, dass bei der Ermittlung der fiktiven „entspre-
chenden Leistung“ lediglich die Kürzungsvorschrift des § 29
Abs. 5 BAT (bzw. vergleichbarer Vorschriften) auszublenden
ist, nicht jedoch Bestimmungen, die zu einer Kürzung auf-
grund einer Teilzeitbeschäftigung führen.
Die Beschwerde scheitert nicht schon daran, dass die aufgeworfenen Rechts-
fragen ausgelaufenes Recht betreffen. Denn die Regelungen des Bundesange-
stelltentarifvertrags wurden nicht gekündigt, sondern durch den inzwischen gül-
tigen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) nur für die Bereiche abge-
löst, die im Tarifvertrag zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ) geregelt sind.
Die Regelung des § 29 BAT über die Gewährung eines Ortzuschlags wird
weiter angewandt (Beschluss vom 18. September 2007 - BVerwG 2 B 27.07 -).
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Nach dem Urteil des beschließenden Senats vom 1. September 2005 - BVerwG
2 C 24.04 - (Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 S. 12 <14>) „entspricht“ der den
Angestellten des öffentlichen Dienstes gezahlte Ortszuschlag gemäß § 29 BAT
nach Leistungszweck, Leistungsvoraussetzungen und Leistungsmodalitäten
dem Familienzuschlag gemäß §§ 39, 40 BBesG. Dies folgt für sämtliche nach
diesen Bestimmungen zu gewährenden familienbezogenen Leistungen daraus,
dass sie - wie der tarifrechtliche Ortszuschlag - dasselbe sozialpolitische Ziel
verfolgen, nämlich einen Ausgleich für familienbezogene finanzielle Belastun-
gen zu schaffen. Zwar hatte der Senat in dem zitierten Urteil vom 1. September
2005 über finanzielle Belastungen zu befinden, die aus der Erziehung und
Betreuung von Kindern herrührten, und nicht über den Familienzuschlag der
Stufe 1, doch handelt es sich bei beiden familienbezogenen Ge-
haltsbestandteilen um vergleichbare Leistungen. Der Familienzuschlag der Stu-
fe 1 knüpft ausdrücklich an den Familienstand an und besitzt - ebenso wie der
Familienzuschlag der Stufe 2 - in erster Linie eine soziale, nämlich familienbe-
zogene Ausgleichsfunktion (vgl. dazu Urteile vom 15. November 2001
- BVerwG 2 C 69.00 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 29 und vom 29. Septem-
ber 2005 - BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 <229> m.w.N. sowie Be-
schluss vom 18. September 2007 - BVerwG 2 B 27.07 -).
Hiervon ausgehend beantwortet sich die Frage, ob die Kürzungsregelung des
§ 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG auch dann eingreift, wenn der Ehegattenanteil, wie
im Fall des Klägers, geringfügig weniger als die Hälfte des Höchstbetrages
eines Familienzuschlags der Stufe 1 beträgt, ohne Durchführung eines Revisi-
onsverfahrens unmittelbar aus dem Gesetz. Da der den Angestellten des öf-
fentlichen Dienstes gezahlte Ortszuschlag gemäß § 29 BAT eine „entsprechen-
de Leistung“ ist, gilt hierfür, dass er den genannten Mindestbetrag erreichen
muss (Beschluss vom 18. September 2007 - BVerwG 2 B 27.07 -).
Aus den Worten „stünde zu“ in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG folgt außerdem, dass
auch bei teilzeitbeschäftigten Ehegatten abzustellen ist auf den Betrag des fa-
milienbezogenen Vergütungsbestandteils, der dem Ehegatten ohne die auf-
grund der Teilzeitbeschäftigung oder anderer Konkurrenzregelungen erfolgten
Kürzungen dieses Gehaltsbestandteils zustünde. Hierfür spricht der Umstand,
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dass auch der Familienzuschlag der Stufe 1 eine leistungsbezogene Kompo-
nente enthält (Urteil vom 29. September 2005 a.a.O. S. 229 f.). Bei einem an-
deren Verständnis des Wortlauts im Sinne des Klägers würde in den Fällen, in
denen aufgrund der leistungsbezogenen Komponente ein Ehegatte lediglich
einen ehegattenbezogenen Vergütungsanteil unter der Hälfte des Höchstbetra-
ges des Familienzuschlags der Stufe 1 erhält, der andere Ehegatte daneben
den ungekürzten Familienzuschlag der Stufe 1 erhalten. Dies widerspricht of-
fenkundig dem Sinn und Zweck der Konkurrenzregelung, wie er in § 40 Abs. 4
BBesG zum Ausdruck gekommen ist. Der ehegattenbezogene Besoldungs-
bzw. Vergütungsanteil soll Ehegatten, die beide im öffentlichen Dienst sind,
insgesamt nur einmal gewährt werden, und zwar dergestalt, dass beide jeweils
die Hälfte des für den jeweiligen Ehegatten maßgeblichen Familienzuschlags
erhalten. Zusätzlich hat der Gesetzgeber in § 40 Abs. 4 Satz 2 BBesG vorge-
sehen, dass § 6 BBesG auf den jeweiligen Betrag keine Anwendung findet,
wenn einer der Ehegatten vollbeschäftigt oder nach beamtenrechtlichen
Grundsätzen versorgungsberechtigt ist oder beide Ehegatten mit jeweils min-
destens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt sind. Dies bewirkt,
dass die Teilzeitbeschäftigung des Ehegatten über die hälftige Kürzung des den
Ehegatten jeweils zustehenden ehegattenbezogenen Besoldungsbestandteils
infolge der Konkurrenzregelung nicht zu einer weiteren Kürzung dieses
Bestandteils führt. Hierdurch hat der Gesetzgeber für den Bereich des Besol-
dungsrechts klar zum Ausdruck gebracht, dass die leistungsbezogene Kompo-
nente des Familienzuschlags - nämlich die Teilzeitbeschäftigung - bei der Be-
rechnung des Familienzuschlags zurückzustehen hat. Dementsprechend hat
der Senat bereits im Urteil vom 29. September 2005 (a.a.O. S. 228) entschie-
den, dass Besoldungsempfänger, die miteinander verheiratet sind, danach nicht
mehr als jeweils die Hälfte des für sie maßgebenden ehegattenbezogenen
Bestandteils des Familienzuschlags erhalten können. Diese Kappungsgrenze
darf nicht überschritten werden, da der Familienzuschlag den Ehegatten nicht
mehrfach und insgesamt nicht höher als in dem gesetzlich bestimmten Umfang
gezahlt wird.
Der Kläger verweist ferner auf Urteile des Bundesarbeitsgerichts. Dieses vertritt
in den Urteilen vom 6. August 1998 - 6 AZR 166/97 - und vom 13. Dezember
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2001 - 6 AZR 712/00 - zu § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT die Auffassung, dass in
den Fällen, in denen der dem Ehegatten des Angestellten gewährte ehegatten-
bezogene Anteil im Orts- bzw. Familienzuschlag aufgrund Teilzeitbeschäftigung
nicht mindestens die Hälfte des dort genannten Betrages erreicht, eine Kürzung
nicht zulässig ist, da beide Ehegatten zusammen mindestens einen vollen Ver-
heiratetenzuschlag erhalten sollen.
Auch dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Revision. Zwar kann eine
den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht erfül-
lende Abweichung von der Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesge-
richts die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen (Beschlüs-
se vom 11. Mai 1966 - BVerwG 8 B 109.64 - BVerwGE 24, 91 , und vom
22. Juni 1984 - BVerwG 8 B 121.83 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 225). Dies
setzt aber voraus, dass sich die Entscheidung des anderen oberen Bundesge-
richts auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht. Eine bloße Gleichartigkeit der
Rechtsfrage in verschiedenen Gesetzen bei im Wesentlichen gleichem Wortlaut
der in Frage stehenden Bestimmungen genügt nicht (vgl. zum Zulassungsgrund
der Divergenz: Beschluss vom 10. April 1963 - BVerwG 8 B 16.62 - BVerwGE
16, 53, stRspr.).
Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RsprEinhG für die Einleitung eines
Vorlegungsverfahrens gemäß §§ 11 ff. RsprEinhG sind nicht gegeben. Die Ur-
teile des Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 1998 - 6 AZR 166/97 - und vom
13. Dezember 2001 - 6 AZR 712/00 - beruhen nicht auf der unterschiedlichen
Beantwortung einer identischen Rechtsfrage im Sinne von § 2 Abs. 1
RsprEinhG. Nach dieser Vorschrift muss sich die Rechtsfrage auf der Grundla-
ge von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich überein-
stimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind (Gemeinsamer Senat
der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 6. Februar 1973
- GmS-OGB 1/72 - BVerwGE 41, 363 <365> und vom 12. März 1987
- GmS-OGB 6/86 - BVerwGE 77, 370 <373>). Daran fehlt es hier, weil zwei
Vorschriften zu betrachten sind, nämlich eine aus dem Tarifrecht und eine aus
dem Bundesbesoldungsgesetz, die zwar einen ähnlichen Wortlaut haben mö-
gen, aber einerseits in § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT für Angestellte und anderer-
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seits in § 40 Abs. 4 BBesG für Beamte selbständige materiellrechtliche Rege-
lungen enthalten. Auch das Bundesarbeitsgericht betont im Urteil vom
6. August 1998 - 6 AZR 166/97 -, dass es sich um eine eigenständige Tarifre-
gelung in § 29 BAT handelt. Das Bundesarbeitsgericht hat zudem in dem Urteil
vom 27. April 2006 - 6 AZR 437/05 -, auf das der Kläger ebenfalls Bezug nimmt,
klarstellend ausgeführt, dass § 29 Abschn. B Abs. 5 Satz 1 BAT für die Anwen-
dung der Kürzungsregelung genügen lässt, dass dem Ehegatten ein
Ortszuschlag der Stufe 2 in der sich aus der Anlage zum jeweils gültigen Vergü-
tungstarifvertrag ergebenden Höhe zustünde. Dies kann, so das Bundesar-
beitsgericht weiter, dazu führen, dass die Summe aus zwei hälftigen Anteilen
nicht mehr den Betrag erreicht, der dem Ehegattenanteil einer Person ent-
spricht, deren Ehegatte keinen Ortszuschlag erhält.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung
des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1
GKG.
Herbert
Thomsen
Dr. Burmeister
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