Urteil des BVerwG vom 07.02.2005

Beamter Und Angestellter, Umdeutung, Richteramt, Gleichstellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 104.04
OVG 6 A 2679/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. September 2004 wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht gegeben. Die Beschwerde wirft keine Frage auf, die
der Entscheidung in einem Revisionsverfahren bedarf.
Die von der Beschwerde bezeichnete Frage,
"ob eine Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels in das zulässige
Rechtsmittel auch dann nicht in Betracht kommt, wenn sich der Rechtsmittel-
führer nicht gem. § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt vertreten
lässt, sondern sich im Rahmen des so genannten Behördenprivilegs gem. § 67
Abs. 1 Satz 3 VwGO durch einen Beamten oder Angestellten mit Befähigung
zum Richteramt oder einen Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lässt",
ist ohne weiteres auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und der bisherigen ge-
festigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beantworten.
Wie der beschließende Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. März 1998
- BVerwG 2 B 20.98 - (Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 2) ausgeführt hat, kann
die von einem Rechtsanwalt gegen die Sachentscheidung eines Verwaltungsge-
richts ohne Zulassung eingelegte Berufung nicht in einen Antrag auf Zulassung des
Rechtsmittels umgedeutet werden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung und die
Berufung betreffen unterschiedliche Gegenstände. Beide Rechtsbehelfe haben un-
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terschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbstständig nebeneinan-
der. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozess-
rechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen. Der
Anwaltszwang (§ 67 VwGO) setzt der Zulässigkeit einer Umdeutung enge Grenzen.
Eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter ab-
gegeben hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich unzugänglich (vgl. etwa Be-
schlüsse vom 29. Januar 1962 - BVerwG 2 C 83.60 -
Nr. 27> und vom 12. September 1988 - BVerwG 6 CB 35.88 -
VwGO Nr. 83>). Jedenfalls kann ein von einem Rechtsanwalt eindeutig eingelegter
Rechtsbehelf dann nicht in einen anderen umgedeutet werden, wenn die Rechtsbe-
helfe unterschiedlichen Zwecken dienen (vgl. Beschluss vom 2. August 1995
- BVerwG 9 B 303.95 - ).
Für die Einlegung eines Rechtsbehelfs durch einen nach § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO
vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten gilt nichts anderes. § 67 Abs. 1
Satz 3 VwGO räumt juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Behörden
das Recht ein, sich vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Bedienstete vertreten
zu lassen, die dieselbe formale Qualifikation aufweisen wie die in § 67 Abs. 1 Satz 1
VwGO bezeichneten Bevollmächtigten (vgl. Beschluss vom 8. Oktober 1998
- BVerwG 3 B 71.97 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 93). Das so genannte Behör-
denprivileg beruht auf der Erwartung, dass ein Beamter und Angestellter mit der Be-
fähigung zum Richteramt sowie ein Diplomjurist im höheren Dienst die Rechtsange-
legenheiten öffentlich-rechtlicher Einrichtungen im Verfahren vor dem Oberverwal-
tungsgericht oder dem Bundesverwaltungsgericht in gleicher Weise wie ein Rechts-
anwalt oder ein Rechtslehrer an einer Hochschule mit Befähigung zum Richteramt
wahrzunehmen vermag. Die in § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO vorgesehene Gleichstel-
lung der persönlichen Kompetenz erstreckt sich nicht ausschließlich auf spezifische
Fachangelegenheiten, sondern umfassend auf die Vertretung der juristischen Per-
son oder Behörde im gerichtlichen Verfahren. Unabdingbare Voraussetzung dieser
Gleichstellung sind Kenntnisse des Verwaltungsprozessrechts. Mit dem Gleichheits-
satz wäre es unvereinbar, unterschiedliche Anforderungen an die Möglichkeit der
Umdeutung von Prozesserklärungen eines Rechtsanwalts einerseits und eines Be-
hördenvertreters nach § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO andererseits zu stellen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streit-
werts beruht auf § 52 Abs. 2, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG (Ersatzstreitwert bei Streit
über eine dienstliche Beurteilung).
Albers Groepper Dr. Bayer