Urteil des BVerwG vom 13.11.2013

Unterhaltsbeitrag, Ermessen, Rente, Öffentlich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 10.13
OVG 2 LB 21/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. November 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
Dr. Hartung
beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 23. November 2012 und des
Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom
27. Dezember 2011 sind wirkungslos.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen
Rechtszügen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 931,20 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Vorentschei-
dungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist gemäß § 161 Abs. 2
VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-
und Streitstandes zu entscheiden. In Anlehnung an das in § 154 Abs. 1 VwGO
normierte Grundprinzip des Kostenrechts, nach dem der unterliegende Teil die
Verfahrenskosten zu tragen hat, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen,
die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussicht-
lich unterlegen wäre (Urteil vom 6. April 1989 - BVerwG 1 C 70.86 - BVerwGE
81, 356 <363>).
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Danach entspricht es billigem Ermessen, dass der Kläger als Rechtsnachfolger
der verstorbenen früheren Klägerin die Kosten des Verfahrens trägt. Denn die
Nichtzulassungsbeschwerde der in beiden Vorinstanzen unterlegenen früheren
Klägerin wäre voraussichtlich erfolglos geblieben.
Der mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage,
ob der Dienstherr den Unterhaltsbeitrag in Höhe der bis-
herigen Unterhaltszahlungen des verstorbenen schuldhaft
geschiedenen Beamten in voller Höhe an den Berechtig-
ten auszuzahlen hat, ohne Kranken- und Pflegeversiche-
rungsbeiträge einzubehalten und an die Sozialversiche-
rungsträger abzuführen,
kam die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Es hätte keiner
Klärung in einem Revisionsverfahren bedurft, ob von einem Unterhaltsbeitrag
nach § 125 Abs. 2 BBG in der bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Fassung
vom 17. Juli 1971 (BGBl I S. 1181 <1200>) Beiträge zur Kranken- und Pflege-
versicherung abzuführen sind. Diese Frage wäre unmittelbar aufgrund des Ge-
setzeswortlauts zu beantworten gewesen.
§ 86 Abs. 1 BeamtVG bestimmt, dass die Gewährung von Unterhaltsbeiträgen
an geschiedene Ehegatten sich nach den bis zum 1. Juli 1976 geltenden beam-
tenrechtlichen Vorschriften richtet, wenn die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschie-
den, aufgehoben oder für nichtig erklärt worden ist. Nach § 125 Abs. 2 BBG in
der bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Fassung vom 17. Juli 1971 (BGBl I
S. 1181 <1200>), der für das auf dem Schuldprinzip beruhende Scheidungs-
recht vor 1977 konzipiert worden ist, ist der schuldlos oder aus überwiegendem
Verschulden des Ehemannes geschiedenen Ehefrau eines verstorbenen Beam-
ten oder Ruhestandsbeamten, die im Falle des Fortbestehens der Ehe Witwen-
geld erhalten hätte, ein Unterhaltsbeitrag bis zur Höhe des Witwengeldes inso-
weit zu gewähren, als ihr der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt zu
leisten hätte.
Nach § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben die Zahlstellen der Versorgungsbezüge
bei Versicherungspflichtigen, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversi-
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cherung beziehen, die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an
die zuständige Krankenkasse zu zahlen; Entsprechendes gilt wegen der Ver-
weisung des § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI auf § 256 SGB V auch für die Pflege-
versicherung. Versorgungsbezüge im Sinne des Sozialgesetzbuch Fünftes
Buch sind nach der Legaldefinition in § 229 Abs. 1 SGB V der Rente vergleich-
bare Einnahmen, wozu nach § 229 Abs. 1 Nr. 1 SGB V u.a. auch Versorgungs-
bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zählen, soweit sie we-
gen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterblie-
benenversorgung gezahlt werden.
Damit erfasst der Begriff der Versorgungsbezüge nach dem Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch sowohl die Hinterbliebenenversorgung als auch einen Unterhalts-
beitrag an einen geschiedenen Ehegatten nach § 125 Abs. 2 BBG a.F. (vgl. § 2
Nr. 2 BeamtVG „Hinterbliebenenversorgung“ und § 2 Nr. 1 BeamtVG „Unter-
haltsbeitrag“). Der Unterhaltsbeitrag nach § 125 Abs. 2 BBG a.F. ist - wie die
Unterhaltsbeiträge nach geltendem Recht, vgl. §§ 15, 22 BeamtVG - keine Un-
terhaltsleistung, sondern eine Versorgungsleistung. Als solche unterliegt sie im
Fall des § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI der Abfüh-
rungspflicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Auch in der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Dienstherr mit
dem Unterhaltsbeitrag nach § 125 Abs. 2 BBG a.F. nicht Rechtsnachfolger des
verstorbenen Beamten wird und nicht in dessen Rechtsstellung eintritt, sondern
ein neuer, rechtlich selbstständiger öffentlich-rechtlicher Anspruch der schuldlos
geschiedenen Ehefrau gegen den Dienstherrn des verstorbenen Beamten be-
gründet wird. Der Unterhaltsbeitrag nach § 125 Abs. 2 BBG a.F. hat keinen Ali-
mentationscharakter, sondern ist ein beamtenrechtlicher Versorgungsanspruch
(Urteil vom 29. November 1972 - BVerwG 6 C 6.70 - BVerwGE 41, 207
<209 f.>).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Domgörgen Dr. von der Weiden Dr. Hartung
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