Urteil des BVerwG vom 11.08.2009

Disziplinarverfahren, Akteneinsicht, Verfahrenskosten, Ermessen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 AV 3.09
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. August 2009
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:
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Das Verfahren wird eingestellt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfah-
rens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Der Antragsteller hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die
Antragsgegnerin hat dem nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des
die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widersprochen (§ 3 BDG
i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Danach ist das Verfahren entsprechend § 3
BDG, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 3, § 77 Abs. 1 und 3
BDG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Verfahrens-
kosten zu entscheiden.
Es entspricht billigem Ermessen, die Verfahrenskosten dem Antragsteller auf-
zuerlegen. Sein nach § 62 Abs. 1 Satz 1 BDG zulässiger Antrag hätte voraus-
sichtlich keinen Erfolg gehabt, weil er zum gestellten Zeitpunkt nicht begründet
war. Zwar geht das Gesetz in § 62 Abs. 1 Satz 1 BDG davon aus, dass die Be-
hörde das Disziplinarverfahren innerhalb von sechs Monaten abschließt. Diese
Frist ist jedoch keine absolute; sie ist vielmehr Ausdruck des das Disziplinar-
recht beherrschenden Beschleunigungsgrundsatzes und soll die für die Durch-
führung des Disziplinarverfahrens zuständige Dienstbehörde veranlassen, das
Verfahren ohne unangemessene Verzögerungen durchzuführen; es soll sie
insbesondere daran hindern, nach Einleitung des Verfahrens untätig zu bleiben
(Köhler/Ratz, BDG, § 62 Rn. 10). Die Vorschrift steht damit in einem Span-
nungsverhältnis zu der gleichfalls bestehenden Pflicht, den disziplinarrechtlich
relevanten Sachverhalt umfassend zu ermitteln (§ 21 Abs. 1 BDG) und dem
Beamten, gegen den ermittelt wird, die Möglichkeit zur Äußerung zu geben
(§ 30 Satz 1 BDG). Gestalten sich die Ermittlungen schwierig oder umfangreich,
so lässt sich die in § 62 Abs. 1 BDG genannte Frist unter Umständen nicht
einhalten, ohne die Aufklärungs- und die Anhörungspflicht zu verletzen. Bereits
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zu der vergleichbaren Vorschrift des § 66 BDO hatte das Bundesverwal-
tungsgericht deshalb verlangt, dass ein eventuelles säumiges Verhalten der für
die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständigen Behörde schuldhaft
sein musste (Beschluss vom 23. Mai 1977 - BVerwG 1 DB 4.77 -; vgl. Köhler/
Ratz, BDO, § 66 Rn. 11 und Köhler/Ratz, BDG, § 62 Rn. 11).
Hier lässt sich eine schuldhafte Verfahrensverzögerung nicht feststellen. Das
Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ist am 9. Mai 2008 eingeleitet
worden. Hierzu hat der Antragsteller am 30. Juni 2008 umfassend Stellung ge-
nommen. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung von insgesamt 28 Zeugen
(davon zwei im schriftlichen Verfahren) hat den Zeitraum vom 24. Juli bis zum
2. September 2008 eingenommen. Das Ergebnis der Ermittlungen wurde dem
Antragsteller am 31. Oktober 2008 eröffnet; hierzu hat der Antragsteller am
12. Januar 2009 mit einem 86-seitigen Schriftsatz Stellung genommen, den er
wegen unzureichend gewährter Akteneinsicht als „Zwischenbemerkung" be-
zeichnet und dessen Ergänzung er nach weiterer Akteneinsicht angekündigt
hat. Die Stellungnahme schließt mit der Ankündigung, er werde einen Antrag
nach § 62 Abs. 1 BDG stellen, wenn ihm nicht bis zum 28. Februar 2009 die
Mitteilung der Antragsgegnerin vorliege, welche Handlungen aus dem Diszipli-
narverfahren ausgeschieden und welche Ermittlungen noch als erforderlich an-
gesehen würden. Den Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens durch
Erhebung der Disziplinarklage hatte der Antragsteller demnach bis zu diesem
Zeitpunkt selbst nicht als geboten angesehen.
Angesichts des Umfangs der Stellungnahme des Antragstellers vom 12. Januar
2009 ist keine schuldhafte Verfahrensverzögerung darin zu erblicken, dass die
Antragsgegnerin die gerichtliche Disziplinarklage mit Schriftsatz vom
25. Februar 2009, bei Gericht eingegangen am 3. März 2009, erhoben hat.
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Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, weil Gerichtskosten für die-
ses Verfahren nicht erhoben werden (§ 78 i.V.m. § 85 Abs. 11 BDG).
Groepper
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