Urteil des BVerwG vom 13.09.2012

Rechtliches Gehör, Akteneinsicht, Befangenheit, Einsichtnahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 AV 11.12 bis 2 AV 20.12, 2 PKH 5.12 bis 2 PKH 16.12
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. September 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Kenntner
beschlossen:
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Die Verfahren BVerwG 2 AV 11.12 bis BVerwG 2 AV
20.12 sowie BVerwG 2 PKH 5.12 bis BVerwG 2 PKH
16.12 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Anträge des Antragstellers auf Gewährung von Pro-
zesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts
werden abgelehnt.
Die mit Schreiben des Antragstellers vom 20. August 2012
erhobenen Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen so-
wie die Anträge auf „Tatbestandsberichtigung“ und Be-
schlussergänzung werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
1. Die Verbindung sämtlicher Verfahren (§ 93 Satz 1 VwGO) erfolgt in Aus-
übung des dem Senat insoweit eingeräumten Ermessens. Hierdurch wird eine
einheitliche Bescheidung und Abwicklung der im Kern übereinstimmenden Ver-
fahren gewährleistet.
2. Die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines
Rechtsanwalts werden abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus
den nachfolgenden Gründen (zu 3.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bie-
tet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
3. Sämtliche im Schreiben des Antragstellers vom 20. August 2012 enthaltenen
(Sach-) Anträge - Anhörungsrügen, Gegenvorstellungen und Anträge auf „Tat-
bestandsberichtigung“ sowie Beschlussergänzung - haben keinen Erfolg.
a) Die Anhörungsrügen (§ 152a VwGO) werden zurückgewiesen. Aus dem
Vorbringen des Antragstellers ergibt sich nicht, dass der Senat in seinen Be-
schlüssen vom 27. Juli 2012 (BVerwG 2 AV 5.12, 2 PKH 1.12; BVerwG 2 AV
6.12, 2 PKH 2.12; BVerwG 2 AV 7.12 bis 2 AV 10.12) sowie in den früheren,
vom Antragsteller ebenfalls angeführten Beschlüssen vom 20. Februar 2012
(BVerwG 2 AV 1.12 und 2 AV 2.12) und vom 22. März 2012 (BVerwG 2 AV
3.12 und 2 AV 4.12) - die Zulässigkeit der Anhörungsrügen insoweit unterstellt -
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den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheb-
licher Weise verletzt hätte (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Der Senat hat
sämtliches entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers in ange-
messener Weise beschieden. Dass der Senat dabei in verschiedener Hinsicht
anderer Rechtsauffassung ist als der Antragsteller, begründet keinen Gehörs-
verstoß. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung rechtlichen Gehörs i.S.v.
Art. 103 Abs. 1 GG bedeutet nicht, dass das Gericht Rechtsansichten eines
Beteiligten folgen muss, die es nicht teilt. Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht in
der unterbliebenen Gewährung von Akteneinsicht in nach Ansicht des Antrag-
stellers beizuziehende Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin; insoweit
wird auf die Ausführungen unter d) bb) verwiesen.
b) Die vom Antragsteller erhobenen Gegenvorstellungen gegen die vorgenann-
ten Beschlüsse des Senats - ihre Zulässigkeit unterstellt - haben ebenfalls kei-
nen Erfolg. Das Vorbringen des Antragstellers gibt dem Senat keinen Anlass,
seine bisherigen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegende Bewertung
der Sach- und Rechtslage zu korrigieren.
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Zwischenverfahren
nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO ausschließlich dazu dient, über
den ursprünglich gestellten Befangenheitsantrag zu entscheiden und die Be-
schlussunfähigkeit des an sich zur Entscheidung berufenen Gerichts zu über-
winden. Ergänzungen der Begründung des ursprünglichen Befangenheitsge-
suchs und gänzlich neue Ablehnungsgründe sind mit dieser beschränkten
Funktion des Zwischenverfahrens unvereinbar. Wegen dieses beschränkten
Gegenstandes des Zwischenverfahrens verpflichtet auch § 86 Abs. 1 VwGO
den Senat nicht zu einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts.
Die vom Antragsteller geltend gemachten Verfahrens- und Grundrechtsverstö-
ße liegen nicht vor.
aa) Der Antragsteller sieht u.a. einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
(Anspruch auf den gesetzlichen Richter) darin, dass der Senat über die bean-
tragte „Tatbestandsberichtigung“ entgegen § 119 Abs. 1 Satz 3 und § 122
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Abs. 1 VwGO unter Mitwirkung eines Richters entschieden habe, der an den
betreffenden Ausgangsentscheidungen (Beschlüsse vom 22. März 2012) nicht
mitgewirkt hatte. Dieser Vorwurf ist unbegründet, weil es sich bei diesem Be-
gehren des Antragstellers nicht um einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung,
sondern um einen Antrag auf Ergänzung der Beschlüsse (im Tenor und in den
Gründen) um Ausführungen zu einem (nach Ansicht des Antragstellers) unbe-
schieden gebliebenen Antrag handelt. Dies unterfällt nicht §§ 119 und 122
Abs. 1 VwGO, sondern §§ 120 und 122 Abs. 1 VwGO, die keine Vorgaben zur
Besetzung des Gerichts machen. An seiner Auffassung, dass die Beschlüsse
vom 22. März 2012 keiner weiteren Änderung in dem vom Antragsteller begehr-
ten Sinne bedürfen, hält der Senat fest.
bb) Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt ein Verstoß gegen Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG auch nicht deshalb vor, weil der Senat über Anträge des An-
tragstellers in Verfahren entschieden hätte, die nach dem Geschäftsvertei-
lungsplan des Bundesverwaltungsgerichts dem 5. Revisionssenat zugewiesen
sind. Dies betrifft die vom Antragsteller in seinem Schreiben vom 15. Juni 2012
unter Ziff. 5 und 6 aufgeführten Anträge zu Klageverfahren betreffend „Ansprü-
che auf Schadensersatz und Entschädigung insbesondere nach § 15 Abs. 1
und 2 AGG“ wegen der Bewerbungsabsage der Präsidentin des Oberverwal-
tungsgerichts Bremen vom 28. April 2011 (VG Bremen 6 K 1458/11) sowie der
Bewerbungsabsage des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Bremen vom 9. Juni 2011. Über diesen Ausschnitt seines Rechtsschutzbegeh-
rens hat der beschließende Senat in seinen Beschlüssen vom 27. Juli 2012
nicht entschieden, worauf der Antragsteller bereits unter dem 14. August 2012
hingewiesen worden ist. Sie sind Gegenstand des inzwischen ergangenen Be-
schlusses des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2012
(BVerwG 5 AV 1.12).
c) Aus den vorstehenden Gründen zu b) aa) müssen auch die im Schreiben
vom 20. August 2012 enthaltenen neuerlichen Anträge auf „Tatbestandsberich-
tigung“ bzw. Beschlussergänzung ohne Erfolg bleiben. Auch über sie hat der
Senat nicht in der Besetzung der jeweiligen Ausgangsentscheidung zu befin-
den, weil es sich wiederum nicht um Anträge nach §§ 119 und 122 Abs. 1
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VwGO handelt. Das Vorbringen des Antragstellers gibt auch keinen Anlass für
eine Ergänzung der früheren Entscheidungen um weitere Ausführungen. Der
Senat hat das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, soweit zulässigerwei-
se erhoben, in allen Punkten in einem der Sache angemessenen Umfang be-
schieden.
d) Sämtliche verfahrensbezogenen Anträge des Antragstellers werden zurück-
gewiesen.
aa) Für eine Wiedereinsetzung in Begründungsfristen (sei es in den AV-, sei es
in den PKH-Verfahren) sowie für die Einräumung der Gelegenheit zu weiterem
Vortrag besteht mit Blick auf den Streitgegenstand (s.o. unter b) kein Grund.
Der Antragsteller hat hinreichend Zeit und Gelegenheit zu ausführlichem Vor-
trag gehabt. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten, in dem ihm bescheinigt
wird, „arbeitsunfähig“ zu sein, ergibt sich nicht, dass er gehindert gewesen wä-
re, sein Rechtsschutzbegehren zu verfolgen und mit dem Gericht zu korrespon-
dieren. Dies wird auch durch die zahlreichen Schreiben belegt, die der Antrag-
steller seit dem 20. August 2012 per Telefax an das Bundesverwaltungsgericht
gesandt hat.
bb) Da Gegenstand des Zwischenverfahrens nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m.
§ 45 Abs. 3 ZPO nur die ursprüngliche Begründung des Ablehnungsgesuchs
ist, hat der Senat keinen Anlass, den Anträgen des Antragstellers auf Beizie-
hung von Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und auf Gewährung von
Akteneinsicht in diese Behördenakten sowie in (inzwischen wieder an das Aus-
gangsgericht zurückgesandte) Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und des
Oberverwaltungsgerichts Bremen zu entsprechen. Auch die gerichtliche Aufklä-
rungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zwingt nicht zur Beiziehung von Behördenak-
ten, die das Gericht nach seiner materiellrechtlichen Rechtsauffassung zur Ent-
scheidung über den Streitgegenstand nicht benötigt. Hiernach bedurfte der Se-
nat weder für eine Bescheidung der neuerlichen Anträge des Antragstellers
vom 20. August 2012 der vorstehend bezeichneten Behörden- und Gerichtsak-
ten noch bestand Anlass, dem Antragsteller im h i e s i g e n Zwischenverfah-
ren in diese Einsicht zu ermöglichen.
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cc) Seinen Antrag auf Einsichtnahme in die Gerichtsakten des Bundesverwal-
tungsgerichts der mit seinen Anträgen vom 20. August 2012 eingeleiteten neu-
erlichen Verfahren hat der Antragsteller nach richterlichem Hinweis, dass diese
Akten nichts weiter enthalten als seine eigenen Schreiben sowie die (ihm über-
sandten) dienstlichen Äußerungen der von ihm wegen Besorgnis der Befan-
genheit abgelehnten Richter des Senats, nicht weiter aufrechterhalten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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