Urteil des BVerwG vom 26.05.2011

Ermittlung des Sachverhaltes, Innerdienstliche Weisung, Abberufung, Fürsorgepflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 A 8.09
Verkündet
am 26. Mai 2011
Rüger
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die Personalverfügung der Be-
klagten vom 18. September 2008 rechtswidrig gewesen
ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Ablösung als
Leiter der Residentur des Bundesnachrichtendienstes (BND) in R. Er war als
Soldat seit 1997 im BND tätig und seit Juli 2006 Resident in R. Im September
2007 zog seine ehemalige Lebensgefährtin, eine … Staatsangehörige, in seine
Wohnung ein. Bereits Anfang September 2007 hatte der Kläger eine Überprü-
fung seiner Lebensgefährtin beim … Verfassungsschutz durchführen lassen.
Nachdem dieser unter dem 5. Oktober 2007 die sicherheitliche Unbedenklich-
keit der Lebensgefährtin des Klägers bescheinigt hatte, zeigte der Kläger dem
BND die Beziehung unter Vorlage der Auskunft des … Partnerdienstes an. Zeit-
gleich zeigte er auch die Beziehung des dem Kläger unterstellten Bürosachbe-
arbeiters mit einer … Staatsangehörigen an, für die ebenfalls bereits eine Aus-
kunft des … Dienstes eingeholt worden war. Die Anzeige des Klägers wurde
vom BND erst im Januar 2008 in Bearbeitung genommen.
Am 26. März 2008 wurde dem Kläger mündlich mitgeteilt, dass er wegen der
Verletzung der Verwaltungsvorschriften über das Verhalten bei Eingehen priva-
ter Beziehungen und der Erschütterung des Vertrauens in ihn als Residenten in
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das Inland zurückversetzt werden solle. In einer Leitungsvorlage vom 21. April
2008 wurde die Notwendigkeit der vorzeitigen Abberufung des Klägers damit
begründet, dass dieser eine private Lebensbeziehung mit einer … Staatsange-
hörigen nicht rechtzeitig angezeigt und den … Partnerdienst vor seinem eige-
nen Dienstherrn informiert habe. Außerdem habe er durch die Billigung des ver-
gleichbaren Verhaltens seines Bürosachbearbeiters seine Aufsichts- und Für-
sorgepflicht verletzt. Hierdurch habe er eine nachrichtendienstliche Angriffsflä-
che geschaffen und negative Auswirkungen für die Zusammenarbeit mit ande-
ren Geheimdiensten in seinem Zuständigkeitsbereich riskiert. Die vorzeitige
Abberufung verfolge nicht zuletzt auch einen disziplinierenden Nebenzweck.
Am 2. Mai 2008 stimmte der Präsident des BND dem Vorschlag zu.
Der Personalrat erhob mit Schreiben vom 25. Juli 2008 durch seinen Vorsitzen-
den und Gruppensprecher der Soldaten mit dem Ziel einer Erörterung Einwen-
dungen gegen die Maßnahme und formulierte Fragen zu dem Vorgang. Nach
einem Erörterungsgespräch am 31. Juli 2008 teilte der Präsident des BND dem
Personalratsvorsitzenden mit, dass er an der geplanten Maßnahme festhalte.
Unter dem 4. August 2008 beantragte der Kläger die Beteiligung der Vertrau-
ensperson nach § 23 SBG. Daraufhin äußerte der Personalratsvorsitzende und
Gruppensprecher der Soldaten telefonisch die Auffassung, das Beteiligungsver-
fahren müsse neu aufgerollt werden. Dies wurde jedoch abgelehnt, weil der
Gruppensprecher der Soldaten in das Verfahren eingebunden gewesen sei und
eine nochmalige inhaltsgleiche Beteiligung einen überflüssigen Formalismus
darstelle. Der Sicherheitsbeauftragte des BND kam in dem Verfahren nach dem
Sicherheitsüberprüfungsgesetz zu dem Ergebnis, der festgestellte Sachverhalt
habe nicht zu einem Vertrauensverlust geführt, der den Entzug des Sicher-
heitsbescheids rechtfertige. Der hierüber unterrichtete Vorsitzende des Perso-
nalrates und Gruppensprecher der Soldaten teilte unter dem 21. August 2008
mit, der Personalrat habe nach Feststellung, dass die Sache weiterhin strittig
sei, nunmehr beschlossen, im Mitwirkungsverfahren keine Sachäußerung ab-
zugeben.
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Mit Personalverfügung vom 18. September 2008 wurde der Kläger mit Wirkung
vom 6. November 2008 von der Residentur in R. in die Zentrale des BND in B.
umgesetzt.
Nachdem der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli
2009 als unzulässig zurückgewiesen wurde, ist Klage zunächst mit dem Ziel der
Aufhebung der Personalverfügung erhoben worden. Nach der Versetzung des
Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zum 1. November 2010 hat
der Kläger seinen Antrag auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Perso-
nalverfügung umgestellt.
Der Kläger macht geltend, der Antrag sei wegen seines Schadensersatz- und
Rehabilitationsinteresses zulässig. Die Personalverfügung sei aus mehreren
Gründen rechtswidrig: Es fehle an einer Anhörung und einer ausreichenden
Personalratsbeteiligung. Zudem gebe es keinen sachlichen Grund für die Um-
setzung. Die Verfolgung disziplinierender Zwecke durch den BND sei sachwid-
rig. Die Umsetzung sei unverhältnismäßig und verletze die Fürsorgepflicht.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Personalverfügung der Beklagten
vom 18. September 2008 rechtswidrig gewesen sei und
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorver-
fahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet das Bestehen von Schadensersatzansprüchen und ein
Rehabilitationsinteresse. Die Umsetzung sei rechtmäßig. Sie stehe im weiten
Ermessen des Dienstherrn. Der sachliche Grund liege im gestörten Vertrauens-
verhältnis zum Kläger. Dieser habe die Vorschriften zur frühzeitigen Sicher-
heitsanfrage bei der Aufnahme privater Beziehungen zu Staatsangehörigen des
Gastlandes missachtet und den … Partnerdienst vor dem BND eingeschaltet.
Außerdem habe er nicht auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften
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durch seinen Bürosachbearbeiter hingewirkt und so seine Aufsichts- und Für-
sorgepflicht verletzt. Dadurch habe er Angriffspunkte für ausländische Nachrich-
tendienste geschaffen. Über die mögliche Rückversetzung bei Verstoß gegen
die genannten Pflichten sei der Kläger belehrt worden. Es handele sich nicht
um eine Disziplinarmaßnahme. Die Umsetzung sei verhältnismäßig. Sie sei zur
Sicherung der ordnungsgemäßen Dienstausübung geeignet und erforderlich.
Das Ermessen sei nicht durch etwaige berufliche oder persönliche Nachteile
des Klägers oder Vertrauensschutzaspekte eingeschränkt. Es gebe keine gene-
relle Verwaltungspraxis, der zufolge bei Verstößen von Residenturpersonal ge-
gen sicherheitliche Vorschriften grundsätzlich die Abberufung aus dem Ausland
erfolge. Vielmehr erfolge stets eine Einzelfallbetrachtung. Die Bedeutung der
Sicherheitsanfrage für die Abwehr von Gefährdungen durch nachrichtendienst-
liche Ansätze werde unterstrichen. Wegen der exponierten Stellung von Mitar-
beitern im Ausland sei eine besondere Vertrauensbasis zu den Bereichen der
Sicherheit wie zur vorgesetzten Dienststelle unabdingbar. Die Umsetzung sei
nicht formell fehlerhaft: Der Kläger sei mündlich angehört worden. Die Gleich-
stellungsbeauftragte und der Personalrat bzw. die Vertrauensperson seien ord-
nungsgemäß beteiligt worden. Jedenfalls hätte ein etwaiger Beteiligungsfehler
das Ergebnis nicht beeinflusst.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den Verwaltungsvorgang verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Ver-
handlung gewesen sind.
II
Die Klage, über die der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und
letzter Instanz entscheidet, hat Erfolg.
1. Sie ist nach der Versetzung des Klägers in den Ruhestand als Feststellungs-
klage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Das Feststellungsinteresse folgt aus
dem Rehabilitationsinteresse. Die angegriffene Personalmaßnahme ist mit einer
Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses des Dienstherrn zum Kläger in-
folge einer Verletzung dienstlicher Pflichten begründet worden und die Beklagte
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erwartet hiervon Auswirkungen auf das künftige Verhalten anderer Residentur-
mitarbeiter. Damit ist sowohl die Maßnahme als auch ihre für das Ansehen des
Klägers im Kollegenkreis abträgliche Begründung auf ein Bekanntwerden in
diesem Kreis hin angelegt. Hieraus resultiert ein berechtigtes Interesse des Klä-
gers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Dieses Interesse
entfällt nicht durch die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit.
2. Die Klage ist auch begründet.
a. Zwar hat die Beklagte ihre aus der Fürsorgepflicht und der Pflicht zur voll-
ständigen Ermittlung des Sachverhaltes folgende Verpflichtung zur Anhörung
des Klägers erfüllt, weil dieser mehrfach Gelegenheit zur mündlichen Stellung-
nahme zu der beabsichtigten Maßnahme hatte und auch seine schriftlichen
Einwendungen durch Einholung von Stellungnahmen der zuständigen Referate
in Vorbereitung der Personalmaßnahme inhaltlich geprüft wurden.
Der Soldatenvertreter im Personalrat ist in Übereinstimmung mit § 86 Nr. 13,
§ 32 Abs. 3 Satz 2, § 38 Abs. 2 BPersVG in Verbindung mit § 52 Abs. 1, §§ 23,
20 SBG ordnungsgemäß angehört worden. Insbesondere musste die Anhörung
der Soldatenvertreter im Personalrat nicht nach der formellen Stellung des An-
trages nach § 23 SBG wiederholt werden. Denn eine Beteiligung hatte bereits in
der Annahme, dass ein entsprechender Antrag des Klägers vorliege, stattge-
funden. Der Kläger hatte sich laut Schreiben des Personalratsvorsitzenden vom
16. April 2008 bereits vor diesem Datum an den Personalrat gewandt und um
Wahrnehmung seiner Interessen bei der beabsichtigten Ablösung vom Dienst-
posten des Residenten in R. gebeten. Damit hatte er deutlich gemacht, dass er
hinsichtlich der sich konkret abzeichnenden Maßnahme eine Beteiligung dieses
Gremiums wünscht. Eine Wiederholung der schon zuvor durchgeführten Mitwir-
kung hätte keinen zusätzlichen Beitrag zum Schutz der Rechte des Klägers ge-
bracht und durfte daher unterbleiben. Eine zweite Erörterung mit den Soldaten-
vertretern war deshalb nicht erforderlich, weil diese nach dem Beschluss vom
19. August 2008 zwar die Streitigkeit der Angelegenheit festhielten, eine Sach-
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äußerung aber nicht abgaben. Damit ist auch kein zusätzlicher Einwand erho-
ben worden, der eine ergänzende Erörterung notwendig gemacht hätte.
b. Die Wegsetzung des Klägers von der Residentur in R. war rechtswidrig, weil
ermessensfehlerhaft.
aa. Die Entscheidung über die Verwendung des Klägers im Geschäftsbereich
des BND hat dessen Präsidenten bzw. der von ihm beauftragten Stelle oblegen
(vgl. Urteil vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2
GG Nr. 35 Rn. 13 f.).
Der BND ist in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht eine einheitliche Dienst-
stelle. Daher stellen Maßnahmen, bei denen ein Beamter oder Soldat seine Tä-
tigkeit für den BND an einem anderen Ort und auf einem anderen Dienstposten
auszuführen hat, keine Versetzung, sondern eine Umsetzung dar (Urteil vom
28. Februar 2008 - BVerwG 2 A 1.07 - NVwZ-RR 2008, 547 Rn. 24). Eine Um-
setzung ist eine innerdienstliche Weisung, die im Ermessen des Dienstherrn
liegt (Urteil vom 28. Februar 2008 a.a.O. Rn. 25): Sie kann grundsätzlich auf
jeden sachlichen Grund gestützt werden. Die Ausübung des Ermessens wird
begrenzt durch das Recht auf amtsangemessene Beschäftigung oder eine Zu-
sicherung. Daneben sind die Belange des Betroffenen nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 23. Mai 2002
- BVerwG 2 A 5.01 - Buchholz 240 § 18 BBesG Nr. 27 S. 2 m.w.N. und vom
22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <151 ff.> = Buchholz 232
§ 26 BBG Nr. 20 S. 33 ff., stRspr). Die Umsetzung ist ermessensfehlerhaft,
wenn sie auf sachwidrigen Gründen oder einer unzureichenden Abwägung be-
troffener Belange beruht. Diesen Anforderungen müssen auch Umsetzungen
von beim BND eingesetzten Soldaten genügen (vgl. Urteil vom 6. Dezember
1990 - BVerwG 6 A 1.88 - juris Rn. 13 = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 32).
bb. Die Beklagte hat das ihr hiernach eingeräumte Ermessen nicht pflichtgemäß
ausgeübt. Die Umsetzungsentscheidung beruht vielmehr auf einer unzurei-
chenden Abwägung betroffener Belange.
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Als innerbehördliche Organisationsmaßnahme dient die Umsetzung der Siche-
rung, Erleichterung oder Verbesserung der Aufgabenerledigung der Behörde.
Ein sachlicher Grund liegt auch dann vor, wenn die Aufgabenerledigung auf
dem bisherigen Dienstposten durch den Amtswalter nicht in ausreichendem
Maße gewährleistet und der Dienstbetrieb dadurch beeinträchtigt ist. Mangeln-
de Bewährung auf einem Dienstposten bildet grundsätzlich einen sachlichen
Grund für die Umsetzung. Der Dienstherr handelt in aller Regel nicht sachwid-
rig, wenn er eine Beeinträchtigung des für die reibungslose Zusammenarbeit
erforderlichen Vertrauens in die Integrität und die ordnungsgemäße Erfüllung
dienstlicher Pflichten durch einen weitgehend selbstständig im Ausland agie-
renden Residenturleiter zum Anlass für eine Umsetzung nimmt. Eine Vertrau-
ensbeeinträchtigung kann auch aus der Verletzung sicherheitsrechtlicher Vor-
schriften oder Weisungen gefolgert werden. Die pflichtgemäße Ausübung von
Ermessen erfordert aber eine gleichmäßig geübte Verwaltungspraxis der Reak-
tion auf Verletzungen dienstlicher Pflichten exponierter Mitarbeiter, die sowohl
der Bedeutung der verletzten Pflicht als auch den konkreten Umständen des
jeweiligen Einzelfalles ausgewogen Rechnung trägt.
Hieran fehlt es. Die Erwägungen, die für die Ermessensausübung der Beklag-
ten leitend waren, finden sich zum einen in der Leitungsvorlage vom 21. April
2008. Zum anderen werden sie im Vortrag der Beklagten im Verfahren wieder-
gegeben. Es kann dahinstehen, ob der angeführte Grund einer Beeinträchti-
gung des notwendigen Vertrauens des Dienstherrn in einen Mitarbeiter auf dem
exponierten Dienstposten eines Residenturleiters nur vorgeschoben war, um
die Verfolgung eines sachfremden Zweckes - die Ausübung der Disziplinarbe-
fugnis, die bei Soldaten nicht in die Zuständigkeit des BND fällt - zu verschlei-
ern. Denn auch wenn man davon ausgeht, die Beklagte habe allein die Siche-
rung der ordnungsgemäßen Erledigung der Aufgaben des konkreten Dienstpos-
tens angestrebt, fehlt es an einer pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens.
Die Beklagte hat zwar erläutert, welchem Zweck die Pflicht zur frühzeitigen Si-
cherheitsanfrage für Angehörige des BND im Ausland dient. Ihre Ausführungen
verdeutlichen die hohe Bedeutung, die die Beklagte den unstreitig auch vom
Kläger verletzten Dienstanweisungen beimisst. Nach ihrem Vortrag gibt es aber
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keine generelle Verwaltungspraxis, nach der bei Verstößen von Residenturper-
sonal gegen die Anfragepflicht grundsätzlich die Abberufung aus dem Ausland
erfolgt. Vielmehr sei eine Einzelfallbetrachtung unter Würdigung aller Umstände
erforderlich. Die Einzelfallbetrachtung, die die Beklagte zutreffend für erforder-
lich hält, hat hier aber nicht unter Einbeziehung aller in die Ermessensentschei-
dung einzubeziehenden Gesichtspunkte stattgefunden.
Zunächst hat der BND nicht begründet, dass ein Verstoß gegen die Anfrage-
pflicht bei einer Tätigkeit in einem Partnerstaat der EU und der NATO in Bezug
auf Angehörige dieses Staates generell als so schwerwiegend zu bewerten ist,
dass der Betroffene nicht auf dem Dienstposten verbleiben kann.
Darüber hinaus hat der BND das Gewicht des Fehlverhaltens des Klägers nicht
in den Blick genommen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Kläger die
Pflicht zur Personenanfrage bezüglich seiner damaligen Lebensgefährtin zwar
nicht rechtzeitig und nicht in der richtigen Reihenfolge der Beteiligung seines
eigenen Dienstherrn und eines ausländischen Partnerdienstes erfüllt, sich über
sie aber nicht vollständig hinweggesetzt hat. Vielmehr hat die Beklagte gerade
durch die nachträgliche Erfüllung der entsprechenden Pflicht auch von dem
Verstoß in der Art und Weise der Anfrage erfahren. Dasselbe gilt für die Auf-
sicht über den dem Kläger unterstellten Bürosachbearbeiter und das parallele
Vorgehen in Bezug auf dessen Lebensgefährtin. Vor diesem Hintergrund hätte
eine pflichtgemäße Ermessensausübung sich auch damit auseinandersetzen
müssen, warum trotz der geringeren Schwere der Pflichtverletzung von der ein-
schneidenden Maßnahme einer vorzeitigen Abberufung vom Dienstposten ei-
nes Residenten Gebrauch gemacht werden musste.
Auch hätte der BND einbeziehen müssen, dass der Sicherheitsbeauftragte den
Kläger trotz des Verstoßes nicht als Sicherheitsrisiko im Sinne von § 5 Abs. 1
SÜG eingestuft hat. Dem entspricht, dass der BND erst mehrere Monate nach
Bekanntwerden des Verstoßes reagiert hat. Schließlich hätte er in die Ermes-
senserwägungen einstellen müssen, dass es sich um einen einmaligen „Aus-
rutscher“ eines als pflichtbewusst bekannten Soldaten gehandelt hat.
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3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nicht ge-
mäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil der Wider-
spruch von der Beklagten zutreffend als unzulässig zurückgewiesen wurde (vgl.
bereits Urteil vom 31. März 2011 - BVerwG 2 A 3.09 - juris Rn. 44). Die Umset-
zung als innerbehördliche Organisationsmaßnahme stellt keinen Verwaltungs-
akt dar. Der Kläger fällt als Soldat auch nicht in den Anwendungsbereich von
§ 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO soll dem vor dem Verwal-
tungsgericht erfolgreichen Beteiligten auch die anwaltlichen Kosten des Vorver-
fahrens erstatten, wenn dies zur Rechtsverfolgung erforderlich war. Hieran fehlt
es, wenn ein Vorverfahren weder gesetzlich vorgesehen ist noch von der Be-
hörde etwa durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung der Eindruck er-
weckt wurde, dies sei der Fall.
Herbert Dr. Heitz Thomsen
Dr. Hartung Dr. Eppelt
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Beamtenrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
VwGO
§§ 43, 50 Abs. 1 Nr. 4
BPersVG
§ 32 Abs. 3 Satz 2, § 38 Abs. 2, § 86 Nr. 13
SBG
§§ 20, 23, 52 Abs. 1
Stichworte:
Feststellungsklage; Feststellungsinteresse; Rehabilitationsinteresse; Umset-
zung; Wegsetzung; Ermessen; BND; Soldat; Residentur; Verhältnismäßigkeits-
prinzip; innerbehördliche Organisationsmaßnahme; Vertrauensbeeinträchti-
gung; Sicherheitsanfrage; Sicherheitsrisiken; Personenanfrage; Einzelfallbe-
trachtung; Abwägung; generalpräventive Gründe.
Leitsatz:
Die Abberufung eines Residenturleiters des BND im Ausland wegen verspäteter
Anzeige einer Beziehung mit einer Staatsangehörigen des Gastlandes setzt
voraus, dass bei der Ermessensausübung das generelle Gewicht, die fallbezo-
genen Umstände und die Auswirkungen des Pflichtverstoßes berücksichtigt
werden.
Urteil des 2. Senats vom 26. Mai 2011 - BVerwG 2 A 8.09