Urteil des BVerwG vom 07.03.2012

Feststellungsklage, Widerspruchsverfahren, Rechtswidrigkeit, Abberufung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 A 6.11
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2012
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 3 VwGO
beschlossen:
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Das Verfahren wird eingestellt.
Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Ver-
fahrens je zur Hälfte.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten der Klägerin für
das Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Streitwert wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Das Klageverfahren ist in der Hauptsache erledigt, weil die Klägerin mit Schrift-
satz vom 7. Februar 2012 die Erledigung erklärt und die Beklagte dieser Erklä-
rung nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklä-
rung enthaltenden Schriftsatzes widersprochen hat. Die Beklagte ist auf diese
Rechtsfolge hingewiesen worden (§ 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Daher ist das
Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß
§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu ent-
scheiden.
Billigem Ermessen entspricht es, die Gerichtskosten und die außergerichtli chen
Kosten der Beteiligten hälftig zu teilen. Dies folgt daraus, dass der Erfolg der
Klage bei streitigem Fortgang ungewiss gewesen wäre.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat die Klägerin, eine Beamtin mit einem
Amt der Besoldungsgruppe A 11, mit Wirkung vom 1. April 2010 von dem die-
ser Besoldungsgruppe zugeordneten Auslandsdienstposten als Leiterin einer
Residentur des BND in H. auf einen Dienstposten in der Zentrale in P. umge-
setzt. Er hat dies damit begründet, die Klägerin sei nicht mehr tragbar gewesen,
weil sie durch die fehlerhafte Führung der Dienstgeschäfte den Dienstbetrieb
der Residentur beeinträchtigt habe. Nach disziplinarischen Vorermittlungen hat
der BND davon abgesehen, ein Disziplinarverfahren gegen die Klägerin einzu-
leiten. Daraufhin hat die Klägerin im November 2010 ihre „Rückumsetzung“ auf
den Auslandsdienstposten beantragt. Dies hat der Präsident des BND durch
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Schreiben vom 11. Januar 2011 abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin mit An-
waltsschreiben vom 13. April 2011 Widerspruch eingelegt.
Am 14. Juli 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag erhoben,
die Beklagte zur erneuten Bescheidung des Umsetzungsantrags zu verpflich-
ten. Der BND hat mit Schriftsatz vom 5. August 2011 mitgeteilt, der Dienstpos-
ten des Residenturleiters in H. sei im Juni/Juli 2011 höher bewertet, nämlich der
Besoldungsgruppe A 14 zugeordnet worden. Daraufhin hat die Klägerin zu-
nächst beantragt festzustellen, dass der Bescheid vom 11. Januar 2011
rechtswidrig gewesen ist, schließlich die Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Feststellungsklage ist zulässig gewesen:
Die Klägerin hat rechtzeitig nach Bekanntgabe des Schreibens vom 11. Januar
2011 (Ablehnung der „Rückumsetzung“) Widerspruch eingelegt. Nach der Ab-
lehnung konnte nicht sogleich Klage erhoben werden. Vielmehr war nach § 126
Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG zunächst der
Rechtsbehelf des Widerspruchs eröffnet, weil der geltend gemachte Anspruch
auf Umsetzung seine Rechtsgrundlage im Beamtenrecht hat (stRspr, vgl. Urteil
vom 31. März 2011 - BVerwG 2 A 3.09 - NVwZ-RR 2011, 682 Rn. 18). Ein Wi-
derspruch, der einer allgemeinen Leistungsklage oder Feststellungsklage aus
dem Beamtenverhältnis vorgeschaltet ist, kann nur dann als verspätet verwor-
fen werden, wenn der Beamte die Widerspruchsbefugnis verwirkt hat (Urteil
vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 21).
Die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage
wegen Nichtbescheidung des Widerspruchs haben bereits zum Zeitpunkt der
Klageerhebung vorgelegen. Der Übergang von dem Klageantrag auf Neube-
scheidung zum Feststellungsantrag stellt nach § 264 Nr. 2 ZPO, § 173 Satz 1
VwGO keine Klageänderung dar. Die Klägerin hat damit auf die Höherbewer-
tung der Leitung der Residentur in H. reagiert, durch die ihr Klagebegehren auf
Neubescheidung über die „Rückumsetzung“ nach H. gegenstandslos geworden
ist. Mit der Antragsänderung hat die Klägerin ersichtlich das Ziel verfolgt, die
Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Abberufung als Residenturleiterin zu er-
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reichen. Die Rechtswidrigkeit dieser Umsetzung wäre auch Voraussetzung für
einen Anspruch auf Neubescheidung des Umsetzungsantrags gewesen.
Das Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO ergibt sich aus
dem Rehabilitationsinteresse der Klägerin. Die Umsetzung ist angesichts ihrer
Begründung geeignet, das Ansehen der Klägerin im Dienst herabzusetzen und
sich nachteilig auf ihren weiteren beruflichen Werdegang auszuwirken (vgl. Ur-
teil vom 26. Mai 2011 - BVerwG 2 A 8.09 - Buchholz 232 § 55 BBG Nr. 16
Rn. 13).
Es ist nicht möglich, eine Aussage über die Begründetheit der Feststellungskla-
ge zu treffen:
Die Rechtmäßigkeit der Abberufung der Klägerin aus H. hängt davon ab, ob die
tragenden Gründe im Wesentlichen zutreffen, d.h. der Klägerin zu Recht erheb-
liche Defizite bei der Führung der Dienstgeschäfte als Residenturleiterin zur
Last gelegt worden sind (vgl. Urteil vom 26. Mai 2011 a.a.O. Rn. 21). Ob dies
der Fall ist, kann auf der Grundlage des schriftlichen Vortrags der Beteiligten
und der dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht abschließend beurteilt wer-
den. Wie der Verzicht auf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zeigt, hat
der BND jedenfalls keine erheblichen Verstöße der Klägerin gegen Dienstpflich-
ten festgestellt. Bei streitigem Fortgang des Klageverfahrens hätte der Senat
zum einen den entscheidungserheblichen Sachverhalt nach § 86 Abs. 1 VwGO
weiter aufklären und Beweise erheben, zum anderen die Beanstandungen, so-
weit nachgewiesen, rechtlich würdigen müssen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Widerspruchsverfahren war
notwendig im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Klägerin durfte anwalt-
lichen Beistand vorgerichtlich schon deshalb für erforderlich halten, weil die Sa-
che in tatsächlicher Hinsicht schwierig und aufwändig war.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Heitz
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