Urteil des BVerwG vom 13.02.2014

Einstellung des Verfahrens, Persönliche Anhörung, Bewaffneter Konflikt, Bundesamt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 10 C 6.13
VGH 20 B 12.30349
Verkündet
am 13. Februar 2014
Werner
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten werden die Nummern I.
und III. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 17. Januar 2013 aufgehoben. Insoweit wird der
Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwie-
sen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
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G r ü n d e :
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Der Kläger begehrt nach rechtskräftiger Einstellung seines Asylverfahrens ge-
mäß §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) die Zuerkennung von unionsrechtlichem
subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG (n.F.) und die Feststellung von nationa-
lem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.). Ferner be-
gehrt er die Aufhebung der gegen ihn mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 ver-
fügten Abschiebungsandrohung.
Der Kläger stellte Ende Mai 2010 einen Asylantrag und gab in einer Nieder-
schrift dazu am 25. Juni 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger, am
31. Dezember 1991 in Buulobarde geboren und am 24. Mai 2010 nach
Deutschland eingereist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bun-
desamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab. Mit Schreiben
vom 23. August 2010 wies es den Kläger darauf hin, dass seine Fingerkuppen
beschädigt und seine Fingerabdrücke daher nicht auswertbar seien. Dies be-
gründe den Verdacht, dass er zu der ihm gesetzlich obliegenden Mitwirkung an
der Überprüfung seiner Identität nicht bereit sei. Er werde daher aufgefordert,
sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Mo-
nats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich „auswertbare Fin-
gerabdrücke“ abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in
welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehal-
ten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abge-
lehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG
(a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte,
wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall
über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder
Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Der Kläger hat sich
in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum
nicht verwertbar waren.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 fest, dass der Asylan-
trag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziffer 1).
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Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7
AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Ziffer 2). Schließlich wurde der Kläger unter
Androhung der Abschiebung in „den Herkunftsstaat“ aufgefordert, die Bundes-
republik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entschei-
dung zu verlassen (Ziffer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentli-
chen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nach-
gekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch
die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen frühe-
ren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach
bs. 2 bis(a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger
kein Herkunftsland habe festgestellt werden können. Der Kläger hat mit Schrift-
satz seines Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2010 Angaben zu seinem Rei-
seweg nach Deutschland gemacht und erklärt, dass er Asylanträge mit Aus-
nahme des verfahrensgegenständlichen nicht gestellt habe. Allerdings kam er
während des von ihm eingeleiteten Klageverfahrens einer erneuten Aufforde-
rung zur erkennungsdienstlichen Behandlung im November 2011 nicht nach.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. lm
Berufungsverfahren erklärte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhand-
lung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe Ziffer 2 des angefochtenen Be-
scheids auf, weil er sich nicht in der Lage sehe, eine positive Feststellung zu
treffen, dass Abschiebungsverbote, wohin auch immer, bestehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert, soweit es
die Einstellung des Verfahrens gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober
2010 betrifft, weil er die Voraussetzungen der §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.)
als erfüllt angesehen hat. Dabei hat er sich maßgeblich auf die Tatsache ge-
stützt, dass der Kläger der Ladung zu einer erneuten erkennungsdienstlichen
Behandlung im November 2011 nicht gefolgt ist und damit sein Asylverfahren
nicht betrieben hat. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Der Verwaltungsge-
richtshof hat die Beklagte aber zugleich entsprechend dem Hilfsantrag des Klä-
gers verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG
(a.F.) hinsichtlich Somalia festzustellen, und die Abschiebungsandrohung in
Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 aufgehoben. Dies hat er im We-
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sentlichen wie folgt begründet: Nach dem übermittelten Akteninhalt und dem
bisherigen Vorbringen des Klägers sowie den zum Gegenstand des Verfahrens
gemachten Auskünften und Stellungnahmen bestünden keine begründeten
Zweifel, dass der Kläger aus Somalia stamme. Das Bundesamt hätte nach Ak-
tenlage entscheiden müssen, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2
bis 5, Abs. 7 AufenthG (a.F.) vorliege. Einer Entscheidung habe es sich nicht
unter Hinweis auf die nicht feststehende Identität des Klägers entziehen dürfen.
Der Kläger habe bereits am 25. Juni 2010 Angaben zu seinem Herkunftsland,
Geburtstag, Geburtsort und zu seiner Religion gemacht und sich dadurch als
Asylbewerber aus Somalia zu erkennen gegeben. Darüber hinaus habe er mit
Anwaltschreiben vom 29. Oktober 2010 gegenüber dem Bundesamt Angaben
zu seinem Reiseweg gemacht und vorgetragen, Asylanträge mit Ausnahme des
verfahrensgegenständlichen nicht gestellt zu haben. Diesen Angaben sei das
Bundesamt nicht nachgegangen und habe den Kläger hierzu auch nicht persön-
lich angehört.
Der Kläger könne die Feststellung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz
beanspruchen, weil in zentralen Regionen Somalias ein Bürgerkrieg herrsche,
der zu permanenten Gefährdungen der dort ansässigen Bevölkerung führe. Die
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sei jedenfalls insoweit auf-
zuheben, als dem Kläger die Abschiebung in sein „Herkunftsland“, hier Somalia,
angedroht werde.
Die Beklagte rügt mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, der Verwal-
tungsgerichtshof habe keine ausreichenden Feststellungen zu den Vorausset-
zungen eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2
AufenthG (a.F.) (jetzt: subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG
) getroffen, insbesondere im Hinblick auf das Bestehen einer Kriegslage
in der Heimatregion des Klägers und die erforderliche Gefahrendichte für ein
Schadensrisiko für alle am Ort Aufhältigen. Davon unabhängig dürfe das Bun-
desamt nicht zur Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet werden,
wenn nicht feststehe, welches der Herkunftsstaat des Klägers sei und ob ihm
schon ein anderer Staat internationalen Schutz gewährt habe. Im Rahmen des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sei vorrangig zu klären, welcher Mit-
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gliedstaat für die Prüfung des Schutzbegehrens überhaupt zuständig sei. Sei
dem Kläger in einem anderen Mitgliedstaat bereits internationaler Schutz ver-
sagt worden, könne er in Deutschland nicht erneut die Prüfung der Vorausset-
zungen für den internationalen Schutzstatus verlangen. Entsprechendes gelte,
wenn ihm von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt wor-
den sei. Sei ihm derartiger Schutz bereits gewährt worden, bestehe auch kein
Sachentscheidungsinteresse an der Feststellung nationaler Abschiebungsver-
bote. Hierzu könnten auch keine Feststellungen getroffen werden, weil der Her-
kunftsstaat des Klägers nicht feststehe.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vertritt die
Auffassung, nach Inkrafttreten der Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes
zum 1. Dezember 2013 habe das Bundesamt gemäß § 32 AsylVfG nur noch
über nationalen Abschiebungsschutz zu entscheiden, hingegen nicht mehr über
unionsrechtlichen subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG. Über nationale Ab-
schiebungsverbote könne nur dann entschieden werden, wenn ein Zielstaat für
die Abschiebung bekannt sei. Das sei hier nicht der Fall. Dem Kläger fehle hier-
für das Sachbescheidungsinteresse.
II
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die
Voraussetzungen für das Vorliegen von unionsrechtlichem Abschiebungsschutz
nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) mit einer Begründung bejaht, die Bun-
desrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher
Feststellungen im Berufungsurteil zu den Voraussetzungen des sich nunmehr
nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bestimmenden subsidiären Schutzes kann der
Senat weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend ent-
scheiden. Daher ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzu-
verweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist
grundsätzlich das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom
2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Be-
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kanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide zuletzt geändert
durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August
2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung
eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsge-
richt, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. Septem-
ber 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60
Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asyl-
verfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach
§ 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt sei-
ner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste
es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit hier-
von keine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach Inkrafttreten der Änderungen
des Asylverfahrensgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Dezember
2013 das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem sub-
sidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), hilfsweise die Feststellung von
nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.), sowie
die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober
2010 verfügten Abschiebungsandrohung in sein Herkunftsland. Hierfür hat der
Kläger das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Denn er gibt an, somalischer
Staatsangehöriger zu sein und aufgrund der ihm in Somalia drohenden Gefah-
ren die Voraussetzungen für die Gewährung von unionsrechtlichem subsidiä-
rem Schutz und von nationalem Abschiebungsschutz zu erfüllen.
Dem Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiä-
rem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) steht die Einstellung des Verfahrens
gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 nicht entgegen. Zwar er-
fasst eine Einstellungsentscheidung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG in der seit
dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung nicht allein - wie bisher - die Flücht-
lingseigenschaft, sondern auch den unionsrechtlichen subsidiären Schutz. Die
gesetzliche Neuregelung findet aber auf die streitgegenständliche Einstellungs-
entscheidung in Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010, die vor Inkraft-
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treten der Neuregelung erlassen wurde, keine Anwendung. Denn die Einstel-
lungsentscheidung aus dem Jahr 2010 bezieht sich nur auf das Verfahren der
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, nicht hingegen auf die erst in Ziffer 2
des Bescheids getroffene Entscheidung zum unionsrechtlichen subsidiären
Schutz und nationalen Abschiebungsschutz. Würde man dem Einstellungsbe-
scheid eine über dessen Inhalt hinausreichende Bedeutung beimessen, wie das
der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schriftsätz-
lich vertreten hat, käme der gesetzlichen Neuregelung eine echte Rückwirkung
zu, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre. Der Kläger kann sein
Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz daher
weiterhin verfolgen, das allerdings nunmehr auf Zuerkennung der Rechtsstel-
lung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gerichtet ist. Das fortbestehende Rechts-
schutzbedürfnis des Klägers an einer Entscheidung über die Feststellung von
nationalem Abschiebungsschutz ergibt sich für den Fall der Versagung unions-
rechtlichen Schutzes nunmehr aus § 32 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (n.F.).
2. Die Beklagte ist verpflichtet zu prüfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für
die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1
AsylVfG (n.F.) - hilfsweise für die Feststellung von nationalem Abschiebungs-
schutz - erfüllt. Dem steht die unionsrechtliche Zuständigkeitsregelung für die
Prüfung von Asylanträgen nach der Dublin-Verordnung nicht entgegen. Maßge-
blich ist im vorliegenden Fall die Dublin-Verordnung vom 18. Februar 2003
(Verordnung Nr. 343/2003, ABl EG Nr. L 180 S. 1) - Dublin-II-VO. Denn
die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31)
- Dublin-III-VO - ist nach ihrem Art. 49 nur auf Anträge zur Erlangung internatio-
nalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach
ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden. Hier wurde
der Asylantrag aber schon im Mai 2010 gestellt.
Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-II-VO wird ein Asylantrag, den ein Dritt-
staatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
stellt, von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapi-
tels III als zuständiger Staat zu bestimmen ist. Der Zuständigkeit Deutschlands
für die Prüfung des Begehrens auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiä-
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rem Schutz können die Regelungen der Dublin-II-VO schon deshalb nicht ent-
gegenstehen, weil sich die Verordnung nur auf das Verfahren der Zuerkennung
der Flüchtlingseigenschaft bezieht (vgl. die Definition des „Asylantrags“ in Art. 2
Buchst. c Dublin-II-VO). Erst nach der hier noch nicht anwendbaren Dublin-III-
VO umfasst ein Asylantrag auch das Begehren auf Zuerkennung des unions-
rechtlichen subsidiären Schutzes (vgl. Art. 2 Buchst. b Dublin-III-VO). Der Ent-
scheidung über die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz stehen
die unionsrechtlichen Regelungen des Dublin-Verfahrens schon deshalb nicht
entgegen, da sich diese nur auf die Gewährung internationalen Schutzes be-
ziehen, nicht hingegen auf zusätzliche nationale Abschiebungsverbote.
3. Die Beklagte darf eine Sachentscheidung über den begehrten subsidiären
Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) - hilfsweise nationalen Abschiebungs-
schutz - auch nicht deshalb verwehren, weil aufgrund der fehlenden Identitäts-
klärung nicht auszuschließen ist, dass dem Kläger der begehrte Schutz in ei-
nem anderen EU-Mitgliedstaat bereits verweigert oder gewährt wurde. Die Be-
klagte beruft sich für den Fall, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat unionsrechtli-
chen subsidiären Schutz bereits abgelehnt hat, darauf, dass die Dublin-III-VO
einer erneuten Sachentscheidung deutscher Behörden entgegenstehen könnte.
Die Dublin-III-VO ist jedoch - wie bereits dargelegt - im vorliegenden Fall gar
nicht anwendbar, die hier maßgebliche Dublin-II-VO erfasst den subsidiären
Schutz hingegen nicht.
Hingegen kann einem Asylbewerber das Sachbescheidungsinteresse für eine
Entscheidung über die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz
nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) und für die Feststellung von nationalem Ab-
schiebungsschutz in Deutschland fehlen, wenn ihm ein anderer EU-Mitglied-
staat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären
Schutz zuerkannt hat. Im vorliegenden Fall steht aber nicht fest, ob dem Kläger
bereits internationaler Schutz gewährt wurde. Auch wenn der Kläger durch
Verweigerung der Mitwirkung an seiner Identitätsklärung einen Beitrag dazu
geleistet hat, die Klärung dieser Frage zu erschweren, rechtfertigt das keine
Abweichung von der in §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) normierten und nach
neuem Recht fortbestehenden gesetzlichen Verpflichtung, über den Antrag des
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Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz, hilfsweise
auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz, in der Sache zu ent-
scheiden. Es kann hier offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Vo-
raussetzungen gesetzliche Regelungen über einen Voraufenthalt in einem si-
cheren Drittstaat einer Sachentscheidung über das Begehren des Klägers ent-
gegenstehen. Denn es steht schon nicht fest, dass der Kläger die danach erfor-
derliche Sicherheit in einem anderen Staat erlangt hat.
4. Ist die Beklagte danach zu einer Sachentscheidung über das Begehren des
Klägers verpflichtet, hat sie das Berufungsgericht jedoch zur Feststellung der
Voraussetzungen für das Vorliegen von unionsrechtlichem Abschiebungsschutz
nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) (heute: unionsrechtlicher subsidiärer
Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ) mit einer Begründung verpflichtet, die
in zweifacher Hinsicht Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO).
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat die Feststellung, dass der Kläger aus Soma-
lia stammt, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen. Das verstößt gegen
Bundesrecht (vgl. dazu Urteil vom 19. Juli 2012 - BVerwG 10 C 2.12 -
BVerwGE 143, 369 = Buchholz 402.242 § 28 AufenthG Nr. 4, jeweils Rn. 13;
Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200, 210 ff. =
Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 21 <28 ff.>). Beruht die Beweiswürdi-
gung des Gerichts auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage, stellt dies
einen materiellen Rechtsverstoß dar (Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. S. 213
bzw. 30).
Die Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7
Satz 2 AufenthG (a.F.) setzt voraus, dass dem Ausländer in seinem Herkunfts-
land die in der Vorschrift näher beschriebene Gefahr droht. Das Abstellen auf
das Herkunftsland (Land der Staatsangehörigkeit des Ausländers) ergibt sich
für die zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgebliche Rechtslage aus
einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl. Art. 2
Buchst. e und k der Richtlinie 2004/83/EG - Qualifikationsrichtlinie) und ist jetzt
ausdrücklich in § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) so geregelt.
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Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Herkunftsland stützen
sich ausschließlich auf die in der Niederschrift zum Asylantrag vom 25. Juni
2010 aufgenommenen Angaben des Klägers zu seinem Namen, Geburtsdatum,
Geburtsort, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit sowie auf die Angaben
seines Prozessbevollmächtigten zum Reiseweg. Die Angaben zum Reiseweg
beschränken sich auf die Mitteilung, dass der Kläger „über Äthiopien, Dubai und
schließlich Frankfurt am Main Flughafen ins Bundesgebiet eingereist“ sei; es
fehlen jedoch Angaben dazu, wie er von seinem Heimatort nach Äthiopien ge-
langt ist. Die vom Berufungsgericht für seine Entscheidung herangezogenen
Tatsachen waren nicht detailreich genug, um darauf eine den Maßstäben des
§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechende Überzeugungsbildung zu stützen.
Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidungsfindung der Sache nach zu-
grunde gelegte Beweismaßreduktion lässt sich den maßgeblichen Vorschriften
nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus den in § 15 Abs. 2 AsylVfG normier-
ten Pflichten des Asylbewerbers zur Vorlage seines Passes oder Passersatzes
sowie sonstiger Urkunden und Unterlagen, die in seinem Besitz sind, dass die-
se Unterlagen als regelmäßig erforderlich angesehen werden, um über einen
Asylantrag sowie Antrag auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem
Schutz und nationalem Abschiebungsschutz zu entscheiden. Auf keinerlei der-
artige Unterlagen konnte der Verwaltungsgerichtshof seine Überzeugungsbil-
dung stützen, weil sie ihm nicht vorlagen. Daher wäre es erforderlich gewesen,
diesen Mangel an Grundlagen für die Feststellung zum Herkunftsland des Klä-
gers jedenfalls durch eine persönliche Anhörung des Klägers auszugleichen.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist das Bundesamt verpflichtet, den Sachver-
halt aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben. In diesem Rahmen
ist es nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG grundsätzlich zu einer persönlichen An-
hörung des Asylbewerbers verpflichtet. Kommt das Bundesamt dieser Verpflich-
tung nicht nach - etwa weil es sich an einer Sachentscheidung gehindert sieht -,
muss das Gericht, wenn es eine Entscheidung zur Sache für geboten hält, die
gesetzlich gebotenen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts durchfüh-
ren. Jedenfalls nachdem das Bundesamt Zweifel an den Angaben des Klägers
zu seinem Herkunftsland vorgetragen und u.a. darauf hingewiesen hat, dass die
vom Kläger gebrauchte Sprache auch in den an Somalia angrenzenden Lan-
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desteilen von Äthiopien und Kenia gebräuchlich sei, hätte der Verwaltungsge-
richtshof die Feststellung, dass der Kläger aus Somalia stammt, nicht ohne ei-
gene Sachaufklärung treffen dürfen, insbesondere nicht ohne persönliche An-
hörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung.
Von der Verpflichtung, sich um verlässliche Tatsachenfeststellungen zum Her-
kunftsland des Klägers zu bemühen, ist das Gericht nicht wegen der erfolgten
Weigerung des Klägers entbunden, an der Feststellung seiner Identität mitzu-
wirken. Weder die Behörde noch das Gericht dürfen sich der Verpflichtung ent-
ziehen, Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für subsidiären
Schutz und erforderlichenfalls von nationalem Abschiebungsschutz zu treffen.
Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Beklagten ist nicht zu folgen. Lässt
sich das Herkunftsland nicht mit der für die behördliche und gerichtliche Über-
zeugungsbildung erforderlichen Gewissheit feststellen, weil der Kläger die Mit-
wirkung an der Klärung seiner Identität verweigert, ist dies im Rahmen der Be-
weiswürdigung zu berücksichtigen und gegebenenfalls eine negative Feststel-
lung zum subsidiären Schutz und zum nationalen Abschiebungsschutz zu tref-
fen, wie dies das Bundesamt ursprünglich in Ziffer 2 seines Bescheids vom
18. Oktober 2010 getan hat.
b) Das Berufungsgericht hat weiterhin dadurch gegen Bundesrecht verstoßen,
dass es die Voraussetzungen für den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz
nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.), die mit denen des nunmehr maßgebli-
chen unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
AsylVfG (n.F.) übereinstimmen, unter Verkennung des Begriffs der erheblichen
individuellen Gefahr im Sinne dieser Vorschrift ohne hinreichende Feststellun-
gen zur individuellen Betroffenheit des Klägers von den in Somalia drohenden
Gefahren bejaht hat.
Die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG
(a.F.) setzt voraus, dass der Ausländer in seinem Herkunftsland als Angehöri-
ger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder
Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder inner-
staatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Das Berufungsgericht hält hier-
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für der Sache nach für ausreichend, dass im Herkunftsstaat des Ausländers ein
innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, der zu permanenten Gefährdun-
gen der Bevölkerung und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Damit
bleibt außer Acht, dass es für die individuelle Betroffenheit einer Feststellung
zur Gefahrendichte bedarf, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quanti-
tative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst (vgl. Urteile vom
27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = Buchholz 451.902
Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 38, jeweils Rn. 33 und vom 17. November 2011
- BVerwG 10 C 13.10 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 58 Rn.
22 f.). Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gesamtzahl der in dem
betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher
Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von
Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, ist eine wertende Gesamtbe-
trachtung zur individuellen Betroffenheit des Klägers möglich, für den keine in-
dividuellen gefahrerhöhenden Umstände festgestellt worden sind (vgl. Urteil
vom 17. November 2011 a.a.O. Rn. 23).
5. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober
2010, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 34 AsylVfG bestimmt, begegnet nicht
deshalb Bedenken, weil es der Androhung der Abschiebung in den „Herkunfts-
staat“ an der notwendigen Bestimmtheit mangelte. Dies macht die Androhung
nicht unwirksam. § 59 Abs. 2 AufenthG sieht die Zielstaatsbestimmung nur als
Soll-Regelung vor. Ein konkreter Zielstaat braucht bei fehlender Klärung der
Staatsangehörigkeit des Ausländers nicht benannt zu werden (vgl. Urteil vom
25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 42.99 - BVerwGE 111, 343 <346 ff.> = Buchholz
402.240 § 50 AuslG Nr. 10 S. 4 ). Die Rechtmäßigkeit der Abschie-
bungsandrohung hängt im Übrigen von der offenen Frage ab, ob dem Kläger
unionsrechtlicher subsidiärer Schutz oder hilfsweise nationaler Abschiebungs-
schutz zu gewähren ist.
6. Da das Revisionsgericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht
selbst treffen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung gemäß § 144 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird
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das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiä-
rem Schutz nunmehr an § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) zu messen sein und das Be-
gehren auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz an § 60 Abs. 5
und 7 AufenthG (n.F.). Der Verwaltungsgerichtshof wird zunächst die notwendi-
gen Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Kläger somalischer Staatsan-
gehöriger ist. Sollte das zu bejahen sein, ist die notwendige quantitative Ermitt-
lung des Tötungs- und Verletzungsrisikos nachzuholen, um darauf aufbauend
eine wertende Gesamtbetrachtung zur individuellen Betroffenheit des Klägers
von den ihm in Somalia drohenden Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 AsylVfG (n.F.) vorzunehmen. Dabei wird der Verwaltungsgerichtshof auch
zu berücksichtigen haben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte in einem Urteil vom 5. September 2013 unter umfangreicher Auswertung
von Auskünften und Erkenntnissen aus unterschiedlichen Staaten zu dem Er-
gebnis gekommen ist, dass sich die Lage jedenfalls in der somalischen Haupt-
stadt Mogadishu seit 2011 in einer Weise verbessert hat, dass die Abschiebung
eines Somalis, der keine gefahrerhöhenden Merkmale aufweist, nicht gegen
Art. 3 EMRK verstößt (Nr. 886/11 - K.A.B./Schweden Rn. 86 - 97).
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass unionsrechtlicher
subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG zu verneinen ist, wird es die Vo-
raussetzungen für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz gemäß
§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) zu prüfen haben. Hierbei wird das Gericht mit
den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuklären haben, ob dem Kläger in
Somalia Gefahren drohen, vor denen die genannten Vorschriften Abschie-
bungsschutz gewähren. Die Feststellung ist auch dann zu treffen, wenn nicht
mit hinreichender Überzeugungsgewissheit festzustellen ist, dass der Kläger
somalischer Staatsangehöriger ist, da nationaler Abschiebungsschutz auch für
einen potentiellen Zielstaat gewährt werden kann, dessen Staatsangehörigkeit
der Kläger nicht besitzt. Ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür besteht, weil der
Kläger behauptet, aus Somalia zu stammen und die Beklagte dies jedenfalls für
möglich hält und eine Abschiebung dorthin nicht ausgeschlossen hat. Insofern
unterscheidet sich die Sachlage von derjenigen, die den von der Beklagten zi-
tierten Urteilen des 1. Senats vom 4. Dezember 2001 (BVerwG 1 C 11.01 -
BVerwGE 115, 267 <270 f.> = Buchholz 240 § 53 AuslG Nr. 52 S. 88
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- 15 -
) und vom 12. April 2005 (BVerwG 1 C 3.04 - Buchholz 402.242 § 60
Abs. 1 AufenthG Nr. 2) zugrunde lag. Im Übrigen weist der Senat darauf hin,
dass das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG auch vor
Gefahren für Leib und Leben schützt, die seitens nichtstaatlicher Akteure dro-
hen (Urteil vom 13. Juni 2013 - BVerwG 10 C 13.12 - NVwZ 2013, 1489).
7. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Kraft
Fricke
Dr. Maidowski
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Asylrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
AufenthG
§ 59 Abs. 2; § 60 Abs. 5 und 7
AsylVfG
§ 4 Abs. 1; § 15 Abs. 2; § 24 Abs. 1;
§§ 32, 33 Abs. 1; §§ 34, 77 Abs. 1
Richtlinie 2004/83/EG
Art. 2 Buchst. e und k
Richtlinie 2013/32/EU
Art. 33 Abs. 2 Buchst. a
Dublin-II-VO
Art. 2 Buchst. c; Art. 3 Abs. 1
Dublin-III-VO
Art. 2 Buchst. b;
VwGO
§ 108 Abs. 1 Satz 1; § 137 Abs. 1;
§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
Stichworte:
Abnahme von Fingerabdrücken; Änderung des Asylverfahrensgesetzes; Betrei-
bensaufforderung; Dublin-Verfahren; Einstellung des Asylverfahrens; fehlende
Identitätsklärung; Gefahrendichte; innerstaatlicher bewaffneter Konflikt; Mitwir-
kungspflichten; nationaler Abschiebungsschutz; quantitative Ermittlung des Ge-
fährdungsrisikos; Sicherheit im Drittstaat; Sachentscheidung; unionsrechtlicher
subsidiärer Schutz; unzureichende Tatsachengrundlage.
Leitsätze:
1. Der Asylbewerber hat bei einer Einstellung seines Asylverfahrens nach
§§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) vor Inkrafttreten der Änderung des Asylverfah-
rensgesetzes zum 1. Dezember 2013 weiterhin grundsätzlich einen Anspruch
auf Entscheidung über unionsrechtlichen subsidiären Schutz (nunmehr nach
§ 4 Abs. 1 AsylVfG) und hilfsweise über nationalen Abschiebungsschutz.
2. Für die vom Gericht zu treffende Feststellung, aus welchem Herkunftsland
ein Asylbewerber stammt, bedarf es der vollen Überzeugungsgewissheit (§ 108
Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies erfordert die Ermittlung und Würdigung aller durch
gerichtliche Aufklärungsmaßnahmen erreichbaren relevanten Tatsachen.
Urteil des 10. Senats vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13
I. VG Regensburg vom 13.12.2011 - Az.: VG RO 7 K 10.30455 -
II. VGH München vom 17.01.2013 - Az.: VGH 20 B 12.30349 -