Urteil des BVerwG vom 12.09.2007

Verkündung, Ermessen, Auflage, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 C 39.07 (bisher: 1 C 16.07)
BVerwG 10 PKH 16.07 (bisher: 1 PKH 30.07)
VGH 13a B 06.31012
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. September 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozess-
kostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird
abgelehnt.
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 23. Februar 2007 und das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichts München vom 15. September 2006
sind wirkungslos.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen
Rechtszügen.
G r ü n d e :
1. Dem Kläger kann die Prozesskostenhilfe, die er zusammen mit der am
14. März 2007 eingelegten Revision beantragt hat, nicht bewilligt werden, weil
seine Revision gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu
dem für die Beurteilung der Erfolgsaussichten maßgeblichen Zeitpunkt keine
Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Kläger hat mit
seiner Revision allein gerügt, das Berufungsgericht habe verkannt, dass seine
Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 2a AsylVfG nur im Wege einer Ermes-
sensentscheidung hätte widerrufen werden dürfen. Die damit aufgeworfene
Frage der Auslegung und Anwendung von § 73 Abs. 2a AsylVfG auf vor dem
Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. Januar 2005 ausgesprochene Anerken-
nungen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits durch Urteil vom 20. März
2007 - BVerwG 1 C 21.06 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssamm-
lung BVerwGE vorgesehen, AuAS 2007, 164) im anderen Sinne, also zu Lasten
des Klägers, entschieden. Ob für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der
Rechtsverfolgung im Prozesskostenhilfeverfahren der Zeitpunkt der Entschei-
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dung des Gerichts (BGH, Beschluss vom 27. Januar 1982 - IVb ZB 925/80 -
MDR 1982, 564; OVG Koblenz, Beschluss vom 27. Januar 1993 - 12 A
10776/91 - NVwZ-RR 1994, 123) oder der frühere Zeitpunkt der Entschei-
dungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage
2005, § 166 Rn. 14a m.w.N.) maßgeblich ist, kann hier offenbleiben (vgl. auch
BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 und 656/06 -
NVwZ 2006, 1156). Denn bereits zum früheren Zeitpunkt der Entscheidungsrei-
fe hatte die Revision des Klägers keine Erfolgsaussichten mehr. Die Entschei-
dungsreife tritt regelmäßig erst nach Vorlage der vollständigen Prozesskosten-
hilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener
Frist zur Stellungnahme ein (vgl. Philippi, in: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 119
Rn. 46). Dieser Zeitpunkt lag bei dem am 14. März 2007 beim Verwaltungsge-
richtshof eingegangenen Prozesskostenhilfeantrag jedenfalls nach Verkündung
des oben genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März
2007. Nach Verkündung dieses Urteils hatte die Revision des Klägers hinsicht-
lich des Widerrufs seiner Flüchtlingsanerkennung aber keine Aussicht auf Er-
folg. Soweit sich die Revision nicht nur gegen den Widerruf der Flüchtlingsan-
erkennung richtete, sondern hilfsweise auch die Verpflichtung der Beklagten zur
Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zum
Ziel hatte, war sie schon mangels einer darauf bezogenen Revisionsbe-
gründung unzulässig (§ 139 Abs. 3, § 143 VwGO).
2. Der Kläger hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Be-
klagte hat dem nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des die
Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widersprochen (§ 161 Abs. 2
Satz 2 VwGO). Das Verfahren ist damit in der Hauptsache durch die überein-
stimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten erledigt. Es ist in entspre-
chender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1, § 141 VwGO
einzustellen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind wirkungslos (§ 173
VwGO i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berück-
sichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu
entscheiden. Im Hinblick auf die oben dargestellten, fehlenden Erfolgsaussich-
ten der Rechtsverfolgung des Klägers entspricht es unter den Umständen des
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vorliegenden Falles billigem Ermessen, diesem die Verfahrenskosten in allen
Instanzen aufzuerlegen.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegens-
tandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Hierzu weist der Senat darauf hin, dass
der Gegenstandswert bei Klagen auf Zuerkennung und Aberkennung der
Flüchtlingseigenschaft nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts 3 000 € beträgt (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006
- BVerwG 1 C 29.03 - NVwZ 2007, 469).
Dr. Mallmann Beck Prof. Dr. Kraft
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