Urteil des BVerwG vom 19.07.2012

Common Law, Ordre Public, Ehehindernis, Internationales Privatrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 10 C 2.12
OVG 2 B 17.09
Verkündet
am 19. Juli 2012
Röder
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke sowie
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberver-
waltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Januar
2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entschei-
dung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Der 1986 geborene Kläger indischer Staatsangehörigkeit möchte die Ausstel-
lung eines nationalen Visums zur Familienzusammenführung erreichen.
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Der 1956 geborene Vater des Klägers reiste 1994 nach Deutschland ein. Zu
diesem Zeitpunkt war er mit einer Inderin verheiratet. Nach Ablehnung eines
Asylantrags heiratete er im August 1997 in Dänemark die deutsche Staatsan-
gehörige J. Diese Ehe wurde im Mai 2007 geschieden. Der Vater des Klägers
ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis; ein Einbürgerungsantrag scheiter-
te.
Der Kläger reiste im August 2004 nach Deutschland ein. Sein nach Einreise
gestellter Asylantrag wurde abgelehnt; seine dagegen erhobene Klage nahm
der Kläger im Jahre 2006 zurück. Sein Versuch, die zuvor mit seinem Vater
verheiratete Frau J. im September 2007 in Schweden zu heiraten, scheiterte.
Der Kläger reiste im Oktober 2007 freiwillig nach Indien aus. Dort ging er am
8. Februar 2008 mit Frau J. eine Zivilehe nach indischem Recht ein.
Am 21. Februar 2008 beantragte der Kläger bei der Deutschen Botschaft in Neu
Delhi die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung. Die Botschaft
beauftragte ein Ermittlungsbüro mit der Überprüfung der zur Begründung des
Antrags vorgebrachten Angaben. Dieses erläuterte in seinem Abschlussbericht
die familiären Beziehungen zwischen den beteiligten Personen und äußerte den
Verdacht, dass es sich bei der streitigen Ehe des Klägers mit Frau J. um eine
ausländerrechtliche Zweckehe handeln könnte. Die Botschaft zog aus den vor-
gelegten Erkenntnissen den Schluss, die Ehe sei wegen des in Indien be-
stehenden Verbots einer Ehe zwischen Stiefsohn und Stiefmutter nichtig. Nach-
dem die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen ihre Zustimmung zur Erteilung
des Visums verweigert hatte, lehnte die Botschaft den Antrag des Klägers durch
Bescheid vom 28. Juli 2008 ab.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung zur Erteilung des Vi-
sums abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Be-
gründung zurückgewiesen, zwischen dem Kläger und Frau J. sei keine wirksa-
me Ehe zustande gekommen. Ehehindernisse in der Person des Klägers seien
gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach indischem Recht zu prüfen, so dass seine
Ehe entsprechend dem Domizilprinzip nach indischem Sachrecht unwirksam
sei. Denn Frau J. sei die Stiefmutter des Klägers, so dass einer Ehe mit dem
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Kläger das nach indischem Recht geltende Eheverbot der Schwägerschaft ers-
ten Grades entgegenstehe; eine solche Ehe sei nach indischem Recht nichtig.
Die Ehe zwischen Frau J. und dem Vater des Klägers sei zwar aufhebbar, bis
zur Scheidung aber wirksam gewesen. Das für diese Vorfrage maßgebliche
Recht ergebe sich aus Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Für den Vater des Klägers, der
zur Zeit der Eheschließung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ge-
habt habe, verweise das im indischen Recht verankerte Domizilprinzip auf
deutsches Recht. Dies führe dazu, dass Frau J. die Stiefmutter des Klägers und
deshalb nach indischem Recht an einer Eheschließung mit ihm gehindert sei.
Weder Art. 13 Abs. 2 EGBGB noch Art. 6 GG oder Art. 12 EMRK stünden die-
sem Ergebnis entgegen. Das nach indischem Recht geltende Eheverbot der
Schwägerschaft ersten Grades sei nicht als überzogenes Ehehindernis einzu-
stufen, denn es sei auch in Deutschland erst 1998 aufgehoben worden und
könne das Ziel verfolgen, intakte Familienverhältnisse aufrecht zu erhalten. Ei-
ne einschränkende Wirkung entfalte hier auch Art. 6 EGBGB nicht, da der deut-
sche ordre public die Wirkungen eines Eheverbots, das bis vor wenigen Jahren
auch in Deutschland gegolten habe, nicht ausschließen könne.
Der Kläger begründet seine Revision damit, dass nach Art. 13 Abs. 2 Nr. 3
EGBGB auf die Ehe des Klägers mit Frau J. deutsches Recht anwendbar sei.
Auch wenn die Ehe der Frau J. mit dem Vater des Klägers nur aufhebbar ge-
wesen sei, bestehe kein gewichtiges Interesse an der Nichtanerkennung der in
Indien geschlossenen Ehe des Klägers. Gerade die Aufhebung des früher auch
in Deutschland geltenden gesetzlichen Eheverbots der Schwägerschaft in ge-
rader Linie zeige, dass ein solches Interesse in Deutschland nicht mehr anzu-
erkennen sei. Der Eingriff in die Eheschließungsfreiheit des Klägers und seiner
Ehefrau könne nach heutigem Recht daher nicht mehr gerechtfertigt werden.
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Der
Beigeladene stellt keinen Antrag.
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II
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil be-
ruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Mangels
ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil kann der Senat
in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher an das
Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zu-
rückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 6 Abs. 3 i.V.m.
§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Nach diesen Vorschriften benötigt ein Aus-
länder, der für einen längerfristigen Aufenthalt nach Deutschland einreisen
möchte, vor der Einreise ein nationales Visum. Die Anspruchsvoraussetzungen
richten sich im vorliegenden Fall nach den für die Aufenthaltserlaubnis gelten-
den §§ 27 und 28 AufenthG. Diese erfordern u.a., dass der Kläger Ehegatte
einer Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet ist (§ 28 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Tatbestands-
merkmal verneint. Nach seinen Feststellungen ist die Ehe des Klägers mit Frau
J. nach indischem Recht nichtig, weil Frau J. aufgrund ihrer früheren Ehe mit
dem Vater des Klägers die Stiefmutter des Klägers und deshalb an einer Ehe-
schließung mit ihm gehindert sei. Die aus diesen tatsächlichen Feststellungen
abgeleiteten rechtlichen Schlussfolgerungen zu § 6 Abs. 3, § 28 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AufenthG beruhen allerdings auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage,
sodass sie ungeachtet der Frage, ob die Ermittlung der maßgeblichen Tatsa-
chen auch durch Verfahrensfehler belastet ist, einen Verstoß gegen revisibles
materielles Recht darstellen.
1.1 Zu Recht ist das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger
Ehegatte einer Deutschen geworden ist, zunächst davon ausgegangen, dass
sich das Ehestatut für beide Verlobte gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach ihrer
Staatsangehörigkeit bestimmt und dass die Vorschrift als Gesamtnormverwei-
sung für den Kläger auf indisches Recht verweist. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts bleibt es bei dieser Verweisung, weil das indische Recht für
den Kläger nicht auf deutsches Recht zurückverweist. Nach Sec. 4 Satz 1
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Buchst. d), Sec. 24 Abs. 1 des Special Marriage Act vom 9. Oktober 1954
(SpMA) stellt die Schwägerschaft ersten Grades ein zur Nichtigkeit führendes
Ehehindernis dar, so dass die vom Kläger geschlossene Ehe maßgeblich davon
abhängt, ob Frau J. mit dem Kläger verschwägert ist. Dabei ist die zwischen ihr
und dem Kläger als dem Sohn ihres ehemaligen Ehemannes bestehende Be-
ziehung nach Anlage I Nr. 2 i.V.m. Anlage II Satz 2 SpMA als nach diesem Ge-
setz verbotenes Verwandtschaftsverhältnis einzustufen. Ausnahmen oder Be-
freiungsmöglichkeiten von diesem Ehehindernis sind vom Berufungsgericht
nicht festgestellt und werden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.
1.2 Für die dann maßgebliche Vorfrage, ob die Ehe seines Vaters mit Frau J.
bis zu ihrer Scheidung als wirksam anzusehen war oder nicht, hat das Beru-
fungsgericht ohne Verstoß gegen revisibles Recht sodann auch die Bestim-
mung des Ehestatuts im Wege der selbstständigen Anknüpfung ausgehend von
Art. 13 Abs. 1 EGBGB vorgenommen (ebenso BGH, Urteile vom 7. April 1976
- IV ZR 70/74 - NJW 1976, 1590 und juris, dort Rn. 17 und vom 11. Oktober
2006 - XII ZR 79/04 - BGHZ 169, 240 Rn. 12). Daraus folgt, dass indisches Kol-
lisions- und Sachrecht auch hinsichtlich der materiellen Eheschließungsvoraus-
setzungen für den Vater des Klägers maßgeblich ist.
1.3 Zum Inhalt des durch Art. 13 Abs. 1 EGBGB in Bezug genommenen Rechts
hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass nach dem kollisionsrechtli-
chen Domizilprinzip des indischen Rechts das Recht am Ort des gewöhnlichen
Aufenthalts maßgeblich sei. Dies sei für den Vater des Klägers zum Zeitpunkt
seiner Eheschließung mit Frau J. Deutschland gewesen. Deshalb komme aus-
schließlich deutsches Eherecht zur Anwendung mit der Folge, dass seine Ehe
mit Frau J. wegen des Verbots der Doppelehe aufhebbar, jedoch nicht unwirk-
sam gewesen sei. Aus diesem Grunde sei eine wirksame Ehe zwischen dem
Kläger und Frau J. im Hinblick auf das Ehehindernis der Schwägerschaft nicht
zustande gekommen, so dass ein Anspruch auf Erteilung eines Visums nach
§ 6 Abs. 3 AufenthG nicht bestehe.
Die tatsächlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht sich für diese
Schlussfolgerung stützt, tragen jedoch die Berufungsentscheidung nicht. Das
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- 7 -
Oberverwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AufenthG angenommen, dass der Kläger nicht der Ehemann einer
Deutschen mit gewöhnlichem Wohnsitz in Deutschland sei, ohne für diese An-
nahme eine hinreichend breite Tatsachengrundlage zu schaffen. Es hat als Re-
gel des indischen Kollisionsrechts die Geltung des Domizilprinzips festgestellt
und angenommen, damit verweise das indische Recht auf das Recht des ge-
wöhnlichen Aufenthalts. Diese Gleichsetzung des im deutschen Recht geläufi-
gen Begriffs „Domizil“ mit dem aus dem common law stammenden indischen
Begriff „domicile“ ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt nachvollziehbar.
Eine den gebotenen Sorgfaltsanforderungen bei der Feststellung ausländischen
Rechts genügende Aufklärung hätte vielmehr ergeben, dass die offenkundigen
Unterschiede zwischen beiden Begriffen eingehende Ermittlungen zum indi-
schen Gesetzesrecht und zur indischen Rechtspraxis erfordert hätten. Der Sub-
sumtion unter dem Begriff des „Ehegatten eines Deutschen“ in § 28 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG, die das Berufungsgericht vorgenommen hat, fehlt damit eine hinrei-
chende Grundlage; sie beruht damit auf einer materiell fehlerhaften Sachver-
halts- und Beweiswürdigung (vgl. Beschluss vom 2. Mai 2012 - BVerwG 10 B
10.12 -).
§ 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO verpflichtet das Gericht im Verwaltungsprozess,
ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquel-
len von Amts wegen zu ermitteln. Dabei hat es nicht nur die ausländischen
Rechtsnormen, sondern auch ihre Umsetzung in der Rechtspraxis zu betrach-
ten (s. nur BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 12.04 -
Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 67, Urteil vom 30. Oktober 1990 - BVerwG 9 C
60.89 - BVerwGE 87, 52 <59>). Der an diese Ermittlungspflicht anzulegende
Maßstab ist streng. Es gilt der Grundsatz der größtmöglichen Annäherung an
das ausländische Recht, das in seinem systematischen Kontext, mit Hilfe der im
ausländischen Rechtssystem gebräuchlichen Methoden und unter Einbezie-
hung der ausländischen Rechtsprechung erfasst werden muss. Mit welchen
Erkenntnismitteln das maßgebliche ausländische Recht festzustellen ist, hat
das Tatsachengericht nach seinem Ermessen zu entscheiden. Je komplexer
und „fremder“ im Vergleich zum deutschen Recht das anzuwendende Recht ist,
desto höhere Anforderungen sind an die richterliche Ermittlungspflicht zu stellen
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(vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2005 - XI ZR 82/05 - BGHZ 165, 248,
vom 21. Januar 1991 - II ZR 50/90 - NJW 1991, 1418 und vom 27. April 1976
- VI ZR 264/74 - NJW 1976, 1588). Eine Beweiserhebung zur Bestimmung des
ausländischen Rechts und der maßgeblichen Rechtspraxis ist statthaft, aber
nur erforderlich, soweit das ausländische Recht dem Gericht unbekannt ist (vgl.
§ 293 Satz 1 ZPO), etwa weil es aufgrund sprachlicher Barrieren keinen unmit-
telbaren Zugang dazu hat.
Selbst wenn die Verfahrensbeteiligten die Feststellungen des Tatsachenge-
richts zum ausländischen Recht nicht in Frage stellen, kann das Gericht zu wei-
teren Ermittlungen verpflichtet sein. Dies gilt nicht nur bei der Feststellung of-
fenkundiger Tatsachen, sondern auch dann, wenn zwar nicht eine relevante
Tatsache selbst, sondern die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung zur Ver-
besserung einer unzureichenden Entscheidungsgrundlage offenkundig ist.
Denn der Inhalt ausländischen Rechts kann, nicht anders als dies auch bei in-
ländischem Recht der Fall ist, regelmäßig nur im Wege richterlicher Erkenntnis
festgestellt werden, so dass dem Gericht insoweit eine besondere Verantwor-
tung bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit von Sachaufklärungsmaß-
nahmen zukommt. Insbesondere wenn handgreifliche Indizien dafür sprechen,
dass die von den Beteiligten vertretenen Positionen zum ausländischen Recht
unzutreffend sind, hat es den verfügbaren Quellen zu dem jeweils maßgebli-
chen ausländischen Recht und seiner praktischen Anwendung nachzugehen,
auch um ggf. die Notwendigkeit einer sachverständigen Begutachtung zu prü-
fen. Lässt sich der Inhalt des ausländischen Rechts auch unter Ausschöpfung
der verfügbaren Erkenntnismittel nicht feststellen, ist ggf. nach einem Ersatz-
recht zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1981 - IVb ZR
643/80 - NJW 1982, 1215 und vom 26. Oktober 1977 - IV ZB 7/77 - BGHZ 69,
387); eine Beweislastentscheidung kommt nicht in Betracht.
Revisionsrechtlich ist die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländi-
schen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht dem Bereich der Rechtser-
kenntnis zuzuordnen, sondern ungeachtet der vorerwähnten Besonderheiten
wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln (stRspr, Urteil vom 7. April 2009
- BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 17; Beschlüsse vom 23. Januar
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2008 - BVerwG 10 B 88.07 - Buchholz 310 § 173 VwGO Nr. 1 und vom 2. Juni
2008 - BVerwG 6 B 17.08 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 50); § 545
ZPO findet keine Anwendung (vgl. Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO,
Stand Januar 2012, § 173 Rn. 277). Das Bestehen bzw. Nichtbestehen auslän-
discher Ehehindernisse als Vorfrage eines aufenthaltsrechtlichen Anspruchs ist
daher kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis; dies gilt ebenso für die Frage,
welchen Inhalt eine Regel des ausländischen Kollisionsrechts hat und wie sie in
der Rechtspraxis angewendet wird. An die Feststellungen des Berufungsge-
richts zum ausländischen Recht ist das Revisionsgericht deshalb in den Gren-
zen des § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Allerdings können auch in das Revi-
sionsverfahren in bestimmten Fällen Tatsachenfeststellungen - ggf. auch gegen
den übereinstimmenden Willen der Verfahrensbeteiligten - eingeführt werden,
etwa wenn es sich um offenkundige Tatsachen handelt oder um die Ersetzung
aktenwidriger Feststellungen des Berufungsgerichts durch aktenkundige (vgl.
etwa Urteile vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 25.07 - Buchholz 402.25
§ 71 AsylVfG Nr. 15 Rn. 17 und vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 C 68.08 - Buch-
holz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 22).
Den dargestellten Sorgfaltsanforderungen ist das Berufungsgericht nicht ge-
recht geworden. Es hat sich für die - zutreffende - Feststellung, im indischen
Recht gelte als Kollisionsregel das Domizilprinzip, auf eine Erkenntnisquelle
bezogen, die dies zwar ausführt, in engem räumlichem Zusammenhang damit
aber zugleich auf den grundlegenden Unterschied dieses Prinzips vom europä-
isch-kontinentalen Wohnsitzbegriff hinweist und deshalb betont, das „domicile“
einer Person sei entsprechend der englischen Rechtstechnik festzustellen
(Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Indien, Stand:
30. Juni 1989, S. 11 und 12). Sowohl die Kom-
mentarliteratur als auch verfügbare monografische Darstellungen (vgl. Man-
kowski, in: Staudingers Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2011, vor
Art. 13 EGBGB Rn. 18 f., 20 ff.; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar zum
BGB, Einl. IPR Rn. 726 ff.; Kreitlow, Das domicile-Prinzip im englischen Interna-
tionalen Privatrecht und seine europäische Perspektive, Peter Lang, 2002; El-
wan, Gutachten zum ausländischen Familien- und Erbrecht, 2005, S. 158 ff.,
162 ff., 173 ff., jeweils m.w.N. zur indischen Rechtsprechung; Ferid, Internatio-
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nales Privatrecht, 3. Aufl. 1986 S. 41; Dosi, Validity of Marriage and Conflict of
Laws, ILI Law Review 2010, 269 <281 ff.>) heben übereinstimmend hervor,
dass eine Gleichsetzung des im common law wurzelnden Begriffs „domicile“ mit
dem im Sinne des gewöhnlichen Aufenthalts verwendeten Domizilbegriff des
deutschen Rechts unrichtig sei und dass aufgrund der Besonderheiten des indi-
schen bzw. im common law wurzelnden Begriffs regelmäßig zahlreiche tatsäch-
liche Feststellungen zu treffen seien, bevor die Zuschreibung eines „domicile“
möglich sei. In einer derartigen Situation hätte das Berufungsgericht zunächst
den Begriff des „domicile“ eingehend klären und sodann die für eine Subsum-
tion erforderlichen Tatsachen ermitteln müssen.
Da ohne ein vertieftes Verständnis des „domicile“-Begriffs und ohne die zu sei-
ner Anwendung aller Wahrscheinlichkeit nach erst noch zu ermittelnden Tatsa-
chen die Frage nicht beantwortet werden kann, ob die Ehe des Vaters des Klä-
gers mit Frau J. nach deutschem oder indischem Recht zu beurteilen ist, lässt
sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht ermittelten Tatsachen auch
das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 AufenthG weder
in positiver noch in negativer Hinsicht klären. Somit kommt nur eine Zurückver-
weisung an das Oberverwaltungsgericht in Betracht.
1.4 Die Frage, ob der Eheschließung des Klägers mit Frau J. das Ehehindernis
der Schwägerschaft entgegensteht, weil Frau J. als Stiefmutter des Klägers an-
zusehen wäre, kann auch nicht deswegen dahinstehen, weil auf der Grundlage
des Art. 13 Abs. 2 EGBGB ausnahmsweise die Anwendung deutschen Rechts
in Betracht käme. Hierzu hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten,
dass diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht durchgreift. Dies steht im Ein-
klang mit revisiblem Recht.
Nach Art. 13 Abs. 2 EGBGB ist für die Voraussetzungen der Eheschließung
deutsches Recht u.a. dann anzuwenden, wenn nach ausländischem Recht eine
materielle Eheschließungsvoraussetzung fehlt, einer der Verlobten Deutscher
ist, die Beseitigung des Ehehindernisses gescheitert ist und wenn die Versa-
gung der Eheschließung gegen die Eheschließungsfreiheit des Art. 6 GG ver-
stößt. Das ist indes nicht der Fall. Das im vorliegenden Fall relevante Ehehin-
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dernis der Schwägerschaft in direkter Linie war bis zum Inkrafttreten des Ehe-
schließungsrechtsgesetzes vom 4. Mai 1998 (BGBl I S. 833) in § 4 Abs. 1
Satz 1 EheG Bestandteil des deutschen Rechts und galt mithin noch im Zeit-
punkt der Eheschließung zwischen dem Vater des Klägers und Frau J. Seine
Abschaffung war nicht zwingenden verfassungsrechtlichen Gründen geschul-
det, sondern beruhte vorrangig auf der pragmatischen Erwägung, dass ihm auf-
grund der großzügigen Befreiungspraxis (vgl. § 4 Abs. 3 EheG) ohnehin keine
praktische Bedeutung mehr zukam (vgl. BTDrucks 13/4898 S. 13; BRDrucks
79/96 S. 33, vgl. ebenso OLG Stuttgart vom 4. November 1999 - 19 VA 6/99 -
FamRZ 2000, 821). Es ist nicht als „überzogenes“ Ehehindernis einzustufen,
das als unverhältnismäßige Einschränkung der Eheschließungsfreiheit anzuse-
hen wäre. Vielmehr ist die mit dem Ehehindernis der direkten Schwägerschaft
verbundene Einschränkung der Eheschließungsfreiheit nach wie vor im Hinblick
auf ihren Normzweck, Streitigkeiten in Familien zu verhindern, die durch konse-
kutive Eheschließungen Verschwägerter innerhalb der (Kern-)Familie entstehen
können, als verhältnismäßig anzusehen.
Im Übrigen spricht die Grundentscheidung des Internationalen Privatrechts für
den Respekt gegenüber fremden Rechtsordnungen ebenfalls für die Zulässig-
keit einer solchen Einschränkung der Eheschließungsfreiheit. Auch die konkre-
ten Besonderheiten des vorliegenden Falles lassen nicht erkennen, dass der
Kläger oder seine deutsche Partnerin im Einzelfall eine unverhältnismäßige Ein-
schränkung ihrer Eheschließungsfreiheit hinzunehmen hätten. Der Umstand,
dass deutsches Recht das Ehehindernis der direkten Schwägerschaft nicht
mehr kennt und dass zugleich die Eheschließung des Klägers bei einer isolier-
ten Betrachtung auch der Vorehe seines Vaters ausschließlich nach indischem
Recht möglicherweise wirksam wäre, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.
Denn die maßgebliche Kollisionsnorm des Art. 13 Abs. 1 EGBGB verweist für
die Beurteilung der Eheschließungsvoraussetzungen gerade nicht nur auf indi-
sches Sachrecht, sondern auch auf das relevante Kollisionsrecht. Damit wird
die dem indischen Recht möglicherweise zu entnehmende Entscheidung, be-
stimmte Aspekte des Falles durch den renvoi in deutsches Recht nach dessen
Regeln zu beurteilen, zu einer sich auf die Eheschließungsfreiheit auswirken-
den Folge des deutschen Kollisionsrechts und ist bis zur - hier gerade nicht
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überschrittenen - Grenze der Unverhältnismäßigkeit hinzunehmen. Die vom
Kläger herangezogene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte zu Art. 12 EMRK (Entscheidung der 4. Sektion vom
13. September 2005 - Nr. 36536/02) betraf eine Fallkonstellation langjährigen
Zusammenlebens in ständiger Partnerschaft, die mit dem vorliegenden Fall
nicht vergleichbar und nicht auf diesen zu übertragen ist.
Auch Art. 6 EGBGB führt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung deutschen
Rechts auf die Ehe des Klägers mit Frau J. Selbst wenn dem allgemeinen ordre
public-Gebot neben der speziellen Norm des Art. 13 Abs. 2 EGBGB ein An-
wendungsbereich verbleiben sollte, läge hier kein solcher Anwendungsfall vor,
da es bei dem Ehehindernis der Schwägerschaft um ein Hindernis geht, das
von Art. 13 Abs. 2 EGBGB erfasst ist und damit im Rahmen des Art. 6 EGBGB
keine Rolle spielt.
2. Für das neue Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
2.1 Für die am 8. Februar 2008 geschlossene Ehe zwischen dem Kläger und
Frau J. wird zunächst zu prüfen sein, ob das indische Kollisionsrecht eine Zu-
rückverweisung auf deutsches Recht vornimmt; hierfür werden der Bedeu-
tungsgehalt des „domicile“-Begriffs und seine Anwendung in der indischen
Rechtspraxis zu klären sein. Insbesondere könnte - auch wenn dies fern liegen
mag - von Bedeutung sein, ob der Kläger sein „domicile of origin“ schon durch
die bloße Eheschließung mit Frau J. und seinen streitgegenständlichen Antrag
auf Erteilung eines Visums zugunsten eines „domicile of choice“ aufgegeben
haben könnte. Bei der Ermittlung und Auslegung des „domicile“-Begriffs im indi-
schen Recht wird möglicherweise auch die Frage eine Rolle spielen müssen, ob
dieser Begriff an den Veränderungen teilhat, denen das Konzept des „domicile“
im common law seit dem Erlass des Special Marriage Act (1954) ausgesetzt ist
(vgl. hierzu etwa Kreitlow, a.a.O. S. 185 ff.).
2.2 Sodann wird der Frage nachzugehen sein, ob die Wirksamkeit der Vorehe
zwischen dem Vater des Klägers und Frau J. tatsächlich, wie es das Beru-
fungsgericht angenommen hat, als Vorfrage für die Wirksamkeit der Ehe zwi-
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- 13 -
schen dem Kläger und Frau J. von Bedeutung ist. Zu denkbaren Folgen einer
- auch nur versuchten - Eheschließung nach indischem Recht liegen bisher
ebenso wenig hinreichende Erkenntnisse vor wie zu der Frage, ob im indischen
Sachrecht die Möglichkeit der Heilung einer fehlerhaften Ehe vorgesehen ist
und im vorliegenden Fall eine Rolle spielen könnte.
2.3 Sollte allerdings der rechtliche Bestand der Vorehe bis zur Scheidung von
Bedeutung sein, wird auf der Grundlage der Feststellungen zum indischen Kon-
zept des „domicile“ die Frage zu beantworten sein, nach welchem Recht die
materiellen Eheschließungsvoraussetzungen in der Person des Vaters des Klä-
gers - bezogen auf das Jahr 1997 - zu bestimmen sind. Für die Begründung
eines „domicile of choice“ wird es möglicherweise auf subjektive Tatsachen an-
kommen, insbesondere auf die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Vater
des Klägers die Kontakte zu seiner indischen Familie nach seiner Einreise nach
Deutschland aufrechterhalten hatte und dies auch nach der Eheschließung
plante. Auch wird ggf. zu entscheiden sein, welche Auswirkungen auf die mögli-
che Wahl eines vom „domicile of origin“ abweichenden „domicile of choice“ der
Asylantrag und seine Ablehnung auf den hierauf erforderlichen animus manendi
als subjektive Voraussetzung hatten; dabei wird auch das einem Asylbegehren
innewohnende Element des nur vorübergehend gesuchten Schutzes vor Ver-
folgung durch staatliche Gewalt zu würdigen sein.
2.4 Sollte nach hinreichender Sachaufklärung zum Inhalt und zur Anwendung
des „domicile“-Prinzips anzunehmen sein, dass die Ehe zwischen dem Vater
des Klägers und Frau J. nach deutschem Recht zu beurteilen wäre, so ist die
Annahme des Berufungsgerichts, dass diese Ehe nach deutschem Eherecht als
Doppelehe nicht ohne Weiteres als nichtig, sondern nur als aufhebbar behan-
delt werden dürfe, revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dies
beruht allerdings nicht auf den §§ 1313, 1314 i.V.m. § 1306 BGB, sondern auf
den §§ 5, 16, 20 und 23 des zum Zeitpunkt der Eheschließung noch geltenden
Ehegesetzes (EheG). Nach § 20 Abs. 1 EheG ist eine Doppelehe nichtig, doch
kann sich nach § 23 EheG niemand auf die Nichtigkeit berufen, solange nicht
die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist. Diese Regelun-
gen entsprechen trotz ihres Wortlauts in der Sache einer Anfechtbarkeit nach
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heutigem Recht (vgl. Müller-Gindullis, in: Münchener Kommentar, 3. Aufl. 1993,
§ 16 EheG Rn. 1 und § 23 EheG Rn. 1). Sollte die Ehe zwischen dem Vater des
Klägers und Frau J. also nach deutschem Recht zu beurteilen sein, so könnte
sich mangels gerichtlicher Aufhebung der Ehe niemand auf die Nichtigkeit beru-
fen; für den Zeitraum bis zur Scheidung am 2. Mai 2007 wäre die Ehe vielmehr
als wirksam zu behandeln.
2.5 Falls sich hingegen, abweichend von der bisherigen Annahme des Beru-
fungsgerichts, ergeben sollte, dass die Vorehe des Vaters des Klägers mit Frau
J. nach indischem Recht zu beurteilen ist, wäre zunächst zu klären, ob die Be-
stimmungen des Special Marriage Act (1954) oder diejenigen des Foreign Mar-
riage Act (1969) - etwa dessen Sec. 23 (Recognition of Marriages Solemnized
under Law of other Countries) - auf die 1997 geschlossene Ehe anzuwenden
sind. Auslegung und Rechtspraxis der danach maßgeblichen Vorschriften wä-
ren sodann zu ermitteln. Dazu zählt auch die Frage, ob es die Möglichkeit einer
Befreiung von dem Ehehindernis der Doppelehe bzw. ggf. die Möglichkeit der
Heilung einer fehlerhaften Ehe gibt.
2.6 Schließlich bedarf es für den Fall, dass die Ehe des Klägers mit Frau J.
wirksam zustande gekommen sein und die Erteilung eines Visums deshalb
grundsätzlich in Betracht kommen sollte, einer Entscheidung zu der Frage, ob
diese Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Kläger die
Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (§ 27
Abs. 1a Nr. 1 AufenthG). Die vom Verwaltungsgericht hierzu aufgrund der Ver-
nehmung der Frau J. als Zeugin geäußerte Einschätzung wäre ggf. zu überprü-
fen. Falls das Vorliegen einer ausländerrechtlichen Zweckehe zu verneinen wä-
re, müssten auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 27 und 28
AufenthG geklärt werden.
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- 15 -
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
RiBVerwG
Prof. Dr. Kraft ist
wegen Urlaubs
gehindert, seine
Unterschrift beizu-
fügen
Prof. Dr. Berlit
Fricke
Dr. Maidowski
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG).
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Dr. Maidowski
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Ausländerrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 6 Abs. 1
EGBGB
Art. 6, Art. 13 Abs. 1 und 2
AufenthG
§ 6 Abs. 3, § 28 Abs. 1
VwGO
Art. 137 Abs. 2
ZPO
§ 293
Stichworte:
Visum; nationales Visum; Ehe; Internationales Privatrecht; selbstständige An-
knüpfung; Kollisionsrecht; indisches Recht; Doppelehe; Schwägerschaft; Ehe-
hindernis; Aufhebbarkeit; Nichtigkeit; schmale Tatsachengrundlage; Aufklä-
rungspflicht; Tatsachenfeststellung; Rechtspraxis; Ermittlungspflicht; Sorgfalts-
pflicht; Eheschließungsfreiheit; ausländisches Recht.
Leitsätze:
1. Das im indischen Recht der Zivilehe bestehende Ehehindernis der direkten
Schwägerschaft verstößt auch nach Aufhebung des § 4 Abs. 1 Satz 1 EheG
durch das Eheschließungsrechtsgesetz vom 4. Mai 1998 nicht gegen den deut-
schen ordre public (Art. 13 Abs. 2 EGBGB), da es die Eheschließungsfreiheit
(Art. 6 Abs. 1 GG) nicht unverhältnismäßig einschränkt.
2. § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO verpflichtet das Gericht im Verwaltungspro-
zess, ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkennt-
nisquellen von Amts wegen zu ermitteln. Dabei gilt der Grundsatz der größt-
möglichen Annäherung an das ausländische Recht unter Einbeziehung der re-
levanten Rechtspraxis.
3. Selbst wenn die Verfahrensbeteiligten die Feststellungen des Tatsachenge-
richts zum ausländischen Recht nicht in Frage stellen, kann das Gericht zu wei-
teren Ermittlungen verpflichtet sein.
4. Revisionsrechtlich ist die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der auslän-
dischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht dem Bereich der Rechtser-
kenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln.
Urteil des 10. Senats vom 19. Juli 2012 - BVerwG 10 C 2.12
I. VG Berlin vom 23.04.2009 - Az.: VG 16 V 57.08 -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 13.01.2011 - Az.: OVG 2 B 17.09 -