Urteil des BVerwG vom 31.03.2011

Genfer Flüchtlingskonvention, Widerruf, Flüchtlingseigenschaft, Statut

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 10 C 2.10
VGH 9 B 08.30223
Verkündet
am 31. März 2011
Röder
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2011
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Richter,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2010 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Flüchtling
und Asylberechtigter.
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Der 1963 geborene Kläger ist ruandischer Staatsangehöriger und gehört der
Volksgruppe der Hutu an. 1983 legte er in Ruanda das Abitur ab, arbeitete dort
anschließend als Lehrer und studierte dann von 1987 bis 1989 in der Demokrati-
schen Republik Kongo (DR Kongo). Im März 1989 reiste er zum Studium in die
Bundesrepublik Deutschland ein. 1995 schloss er hier sein Studium der Volkswirt-
schaftslehre ab, im Dezember 2000 wurde ihm der Doktortitel verliehen. Seit dem
Bürgerkrieg in Ruanda im Jahr 1994 engagierte sich der Kläger in Deutschland
- überwiegend in leitender Funktion - in ruandischen Exilorganisationen. Mit Be-
scheid vom 17. März 2000 wurde er wegen der Gefahr der politischen Verfolgung,
die ihm aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten drohte, als Asylberechtigter an-
erkannt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hin-
sichtlich Ruandas vorliegen. Mitte 2001 wurde der Kläger Präsident der Forces
Démocratiques de Libération du Rwanda (nachfolgend: FDLR), einer 1999 ge-
gründeten Hutu-Exilorganisation, die im Osten der DR Kongo über bewaffnete
Kampfgruppen verfügt.
Am 1. November 2005 nahm der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen - gestützt auf die Sicherheitsrats-Resolution 1596 (2005) vom
18. April 2005 - den Kläger in die Liste von Personen und Einrichtungen auf, ge-
gen die Restriktionen wegen des Waffenembargos für das Gebiet der DR Kongo
verhängt wurden. Daraufhin widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(Bundesamt) mit Bescheid vom 22. Februar 2006 die Asylanerkennung und die
Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen.
Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger Präsident
der FDLR sei und daher aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfer-
tigt sei, dass er Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie
Handlungen begangen habe, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nati-
onen zuwiderliefen. Die FDLR sei für regelmäßige Übergriffe - wie Überfälle, Ver-
gewaltigungen und Entführungen - auf Dorfbewohner in der ostkongolesischen
Provinz Südkivu verantwortlich. Sie verfüge im Osten der DR Kongo schätzungs-
weise über 10 000 bis 15 000 Kämpfer und begehe seit Jahren systematisch
Verbrechen an der kongolesischen Zivilbevölkerung. Es handele sich dabei um
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Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römi-
schen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998. Der Kläger
sei hierfür als Vorgesetzter verantwortlich. Durch die Verletzungen des durch den
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 28. Juli 2003 verhängten Waffenembar-
gos begehe die FDLR zudem Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der
Vereinten Nationen zuwiderliefen. Der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats
habe deshalb den Kläger auf die Liste der mit Sanktionen zu belegenden Perso-
nen gesetzt, von denen er überzeugt sei, dass sie gegen das Waffenembargo ver-
stießen.
Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 13. Dezember 2006 den Widerrufsbe-
scheid auf. Die Entscheidung beruhte im Wesentlichen auf der Erwägung, das
Bundesamt habe das Vorliegen der Voraussetzungen von Ausschlussgründen
nicht hinreichend darlegen und belegen können. Die in das Verfahren eingeführten
Auskünfte seien eher vage und nicht hinreichend verlässlich. Das gelte umso
mehr für die Verantwortlichkeit des Klägers.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfah-
rens ist der Kläger aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesge-
richtshofs (BGH) vom 16. November 2009 unter anderem wegen Verdachts auf
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und auf Kriegsverbrechen gemäß §§ 4, 7
Abs. 1 Nr. 1 und 6, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und 9, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Völkerstrafge-
setzbuch (VStGB) in Untersuchungshaft genommen worden. Der Ermittlungsrich-
ter des BGH hat am 17. Juni 2010 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeord-
net (Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, JZ 2010, 960).
Im Dezember 2010
hat der Generalbundesanwalt beim BGH Anklage gegen den Kläger und gegen
den Vizepräsidenten der FDLR unter anderem wegen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erhoben; das Oberlandesgericht Stuttgart
hat mit Beschluss vom 1. März 2011 die Anklage zugelassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Urteil vom 11. Januar 2010 das erstinstanz-
liche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Er teilt die Auffassung des Bun-
desamts, dass der Kläger als Präsident der FDLR die Ausschlusstatbestände des
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG verwirklicht habe und damit die Vorausset-
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zungen für den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG erfüllt seien. Dem Widerruf stehe nicht entgegen, dass die Handlungen,
die zum Ausschluss führten, zeitlich nach der Zuerkennung des Flüchtlingsschut-
zes lägen. Für den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter gelte im Ergeb-
nis nichts anderes.
Der Kläger habe die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3
AsylVfG zumindest als „in sonstiger Weise“ Beteiligter nach § 3 Abs. 2 Satz 2
AsylVfG verwirklicht. Er sei Präsident der FDLR und allein dadurch als maßgebli-
cher Unterstützer für ihre Aktivitäten mitverantwortlich. Sein maßgeblicher Einfluss
auf die Organisation und die grundsätzliche Billigung ihrer Kampfeinsätze sei von
ihm selbst nie in Abrede gestellt worden und werde unter anderem durch Aussa-
gen ehemaliger FDLR-Kämpfer bestätigt. Auch der Ermittlungsrichter des BGH
komme, gestützt auf Zeugenaussagen und Telekommunikationsüberwachung, zu
dem Ergebnis, dass der Kläger innerhalb der FDLR unumschränkte Befehls- und
Verfügungsgewalt habe. Damit könnten die Ausschlussgründe, die von der Orga-
nisation als solche verwirklicht worden seien und nach ihrer Struktur von ihr ver-
antwortet werden müssten, auch dem Kläger persönlich zugerechnet werden. Es
sei aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass Aktionen der
FDLR Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllten. Das Auswärtige Amt
berichte seit Jahren über Ausplünderungen der Bevölkerung, Niederbrennen von
Dörfern, Erschießungen von Frauen und Kindern, Massenvergewaltigungen und
Verstümmelungen als Kriegswaffe sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten
(auch) durch die FDLR. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die berichteten
Gewalttaten mindestens zu einem großen Teil auch tatsächlich der FDLR zur Last
fielen und dass die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung von der FDLR systematisch
als Mittel der Kriegsführung eingesetzt würden. Die aufgeführten Taten der FDLR
stellten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des
Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 dar.
Der Ausschlusstatbestand der Zuwiderhandlung gegen Ziele und Grundsätze der
Vereinten Nationen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG) sei ebenfalls erfüllt. Er erge-
be sich aus den festgestellten systematischen Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit. Die FDLR gehöre zu den staatsähnlichen Gebilden und
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der Kläger persönlich zu den Trägern von Machtpositionen, die in der Lage seien,
Zuwiderhandlungen gegen Ziele der Vereinten Nationen zu begehen.
Der Kläger begründet seine gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision im
Wesentlichen wie folgt: Die Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling dürfe
nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nur widerrufen werden, wenn die tatsächlichen Voraus-
setzungen für die Anerkennungsentscheidung nicht mehr vorlägen. Die nachträgli-
che Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen rechtfertige einen Widerruf hin-
gegen nicht. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention gehe davon aus, dass die
Ausschlusstatbestände des Art. 1 F bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über
die Aufnahme als Flüchtling vorgelegen haben müssten. Statusbeendende Maß-
nahmen dürften nur unter den Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 GFK erfolgen.
Ein Widerruf der Asylberechtigung wegen nachträglicher Verwirklichung von Aus-
schlusstatbeständen verstoße gegen Art. 16a GG. Wenn man eine immanente
Schranke der Asylgewährung in den Rechten der Allgemeinheit sehe, sei darunter
die deutsche Allgemeinheit zu verstehen, die im vorliegenden Fall aber nicht be-
troffen sei. Weiterhin werde seine persönliche Verantwortlichkeit durch Anstiftung
und Organisationsherrschaft nur behauptet. Es sei nicht festgestellt worden, wel-
chen Tatbeitrag er geleistet habe. Im Übrigen sei sein Recht auf ein faires Verfah-
ren dadurch verletzt worden, dass sein mit Schriftsatz vom 4. Januar 2010 hilfs-
weise gestellter Antrag abgelehnt worden sei, das Verfahren auszusetzen, bis vor-
läufige Ergebnisse der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Kongo vorlägen.
Erst im Zeitraum von ca. 2 Monaten vor der Entscheidung des Verwaltungsge-
richtshofs seien Berichte veröffentlicht worden, die überhaupt eine Basis für die
getroffene Entscheidung darstellen könnten. Durch die Ablehnung einer Ausset-
zung sei sein Recht vereitelt worden, Beweise gegen den durch die Berichte ver-
mittelten Eindruck über die Verwicklungen der FDLR und seine Beteiligung zu
sammeln.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt im Wesentlichen das Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs. Bei der erhobenen Verfahrensrüge müsse sich der
Kläger entgegenhalten lassen, dass er nicht die ihm zu Gebote stehenden und
sachgerechten Mittel gewählt habe, etwa anstelle eines Aussetzungsantrags kon-
krete Beweisanträge zu stellen. Die dem Kläger im Kern zur Last gelegten Vorwür-
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fe seien auch nicht erst kurzfristig vor der Berufungsverhandlung entstanden, son-
dern seien bereits Grundlage des Widerrufsbescheids gewesen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich
an dem Verfahren und schließt sich im Wesentlichen der Argumentation der Be-
klagten an.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die von ihm erhobene Verfahrensrüge
ist unzulässig (1.). Die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1
VwGO) bleibt ohne Erfolg. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, dass
die Rechtsstellung des Klägers als Flüchtling (2.a) und als Asylberechtigter (2.b)
zu Recht widerrufen wurde, steht mit Bundesrecht in Einklang.
1. Die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Grundsätze eines fairen
Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch die Verweigerung einer
Aussetzung des Verfahrens ist unzulässig.
Soweit sie sich gegen die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens nach § 94
VwGO wendet, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge daraus, dass ein
Verstoß gegen § 94 VwGO als solcher im Revisionsverfahren nicht als Verfah-
rensmangel rügefähig ist. Eine Aussetzungsentscheidung nach § 94 VwGO ist
unanfechtbar, wenn sie im Beschlussweg ergeht (§ 152 Abs. 1 VwGO). Die Revi-
sion kann in diesen Fällen nicht auf eine fehlerhafte Ablehnung einer Aussetzung
gestützt werden. Dies folgt aus § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO (vgl. Be-
schluss vom 22. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 255.97 - NJW 1998, 2301; Rudisi-
le, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Juli 2009, § 94 Rn. 42;
Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 52). Nichts anderes kann
dann gelten, wenn - wie hier - über die hilfsweise begehrte Aussetzung im Urteil
entschieden und diese verweigert wird (Beschluss vom 15. April 1983 - BVerwG
1 B 133.82 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 4).
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Der Kläger legt auch nicht dar, dass die Verweigerung der Aussetzung des Ver-
fahrens zu einem Folgemangel geführt hat, der dem Berufungsurteil weiter anhaf-
tet (vgl. hierzu Urteil vom 17. Februar 1972 - BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39,
319 <324>). Zwar rügt die Revision eine Verletzung des fairen Verfahrens da-
durch, dass dem Kläger durch die verweigerte Aussetzung des Verfahrens die
Möglichkeit genommen worden sei, Beweise „gegen die durch die Berichte ent-
standenen Eindrücke über die Verwicklungen der FDLR und seiner Beteiligung zu
sammeln“. Damit wird der Sache nach eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht. Insoweit fehlt es aber
an einer den gesetzlichen Vorgaben aus § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden
Darlegung eines Verfahrensmangels, einschließlich der Angabe der Tatsachen,
die diesen Mangel ergeben. Denn der Kläger gibt nicht an, weshalb es ihm nicht
möglich gewesen sein soll, zu den die FDLR belastenden, von ihm nicht näher
bezeichneten „Berichten“ Stellung zu nehmen, die „im Zeitraum von ca. 2 Monaten
vor der Entscheidung“ veröffentlicht worden seien. Dies wäre aber erforderlich
gewesen, um zu begründen, weshalb mit der Berufungsentscheidung am
11. Januar 2010 gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs oder
des fairen Verfahrens verstoßen worden sein soll. Es hätte dem Kläger oblegen,
darzutun, welche der Vorwürfe aus welchen „Berichten“ er für unzutreffend erach-
tet und weshalb es ihm noch nicht möglich gewesen ist, seine Sicht der Dinge
darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen stützt sich das Urteil des Ver-
waltungsgerichtshofs nicht nur auf Berichte des Auswärtigen Amtes, einer vom
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe und von
Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, sondern auch auf den
Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (BGH), der dem Kläger
- wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Bevollmächtigten des
Klägers eingeräumt - bei seiner Inhaftierung Mitte November 2009 bekannt gege-
ben worden war. Der geltend gemachte Verfahrensverstoß ist des Weiteren auch
deshalb nicht dargelegt, weil der Kläger in der Revisionsbegründung nicht angibt,
was er im Einzelnen noch vorgetragen und gegebenenfalls unter Beweis gestellt
hätte, wenn ihm hinreichend Zeit zur Erwiderung eingeräumt worden wäre (vgl.
Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 10 B 61.07 - juris Rn. 5).
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2. Die Rüge der Verletzung von Bundesrecht ist unbegründet. Der Verwaltungsge-
richtshof hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht entschieden, dass der Widerruf
der Anerkennung des Klägers als Flüchtling und Asylberechtigter zu Recht erfolg-
te. Er entspricht den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Dabei ist
hinsichtlich der formellen Voraussetzungen auf die zum Zeitpunkt seines Erlasses
geltende Fassung des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsge-
setzes abzustellen. Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen ist die Vorschrift
in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asyl-
rechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I
S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung
(Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom
2. September 2008, BGBl I S. 1798) anzuwenden.
Die formellen Widerrufsvoraussetzungen des § 73 AsylVfG liegen vor. Die Revisi-
on hat insoweit auch keine Einwände erhoben.
a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass
auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft
erfüllt sind. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigen-
schaft zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision erfasst die Vorschrift nicht nur das
nachträgliche Entfallen verfolgungsbegründender Umstände, das in Satz 2 der
Vorschrift als Beispielfall („insbesondere“) angeführt wird, sondern auch die nach-
trägliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG.
(1) Dafür spricht schon der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, der ohne
sachliche Einschränkung die Verpflichtung zum Widerruf begründet, wenn die
Voraussetzungen für die Anerkennung „nicht mehr“ vorliegen. Das ist auch bei
nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen der Fall. Dass diese Fall-
gestaltung von der Regelung mit erfasst werden soll, ergibt sich zudem aus § 73
Abs. 2a Satz 4 AsylVfG. Danach ist ein Widerruf auch nach Ablauf von 3 Jahren
nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung möglich, steht dann aber
im Ermessen des Bundesamts, es sei denn der Widerruf erfolgt, weil die Voraus-
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setzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorlie-
gen. Im letzten Fall bleibt es bei der Verpflichtung zum Widerruf nach § 73 Abs. 1
Satz 1 AsylVfG. Die Regelung geht also davon aus, dass auch die Verwirklichung
von Ausschlusstatbeständen zu den Gründen zählt, deren nachträgliches Eintre-
ten zur Folge hat, dass die Anerkennungsvoraussetzungen im Sinne von § 73
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG „nicht mehr“ vorliegen. Das Ergebnis wird bestätigt durch
die Begründung der Bundesregierung zu § 73 Abs. 1 AsylVfG in der Fassung des
Richtlinienumsetzungsgesetzes (BTDrucks 16/5065 S. 219). Danach sind die Vor-
aussetzungen für den Widerruf „auch dann gegeben, wenn nachträglich Aus-
schlussgründe eintreten“. Ausgenommen ist hiervon nur der Ausschlussgrund
nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG, dessen Tatbestand eine vor der Aufnahme
als Flüchtling begangene schwere nichtpolitische Straftat voraussetzt.
(2) Dem steht die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht entgegen. Diese re-
gelt in Art. 1 F GFK nur die materiellen Voraussetzungen für den Ausschluss von
der Flüchtlingseigenschaft, nicht aber das Verfahren der Zu- und Aberkennung.
Den Ausschlusstatbeständen liegt maßgeblich das Konzept der Asylunwürdigkeit
zugrunde (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - BVerwGE
135, 252 Rn. 24 ff.). Die Notwendigkeit des Ausschlusses asylunwürdiger Perso-
nen hängt aber nicht davon ab, zu welchem Zeitpunkt sie die materiellen Aus-
schlussgründe nach Art. 1 F GFK verwirklichen. Etwas anderes gilt nur für den
Ausschlussgrund des Art. 1 F Buchst. b GFK, der sich - anders als die hier maß-
geblichen Ausschlusstatbestände des Art. 1 F Buchst. a und c GFK - auf nichtpoli-
tische Straftaten beschränkt, die vor Aufnahme als Flüchtling begangen wurden
(ebenso wie § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG). Auch der Hohe Flüchtlingskommis-
sar hält eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung für gerechtfertigt, wenn Aus-
schlussgründe erst nach der Anerkennungsentscheidung verwirklicht werden. So
führt er in Ziffer 4 der UNHCR-Richtlinie zur Beendigung der Flüchtlingseigen-
schaft vom 10. Februar 2003 (HCR/GIP/03/03) aus: „Ein Widerruf kann ausge-
sprochen werden, wenn ein Flüchtling im Nachhinein durch sein Verhalten den
Tatbestand des Artikels 1 F (a) oder 1 F (c) erfüllt.“ Gegenteiliges kann nicht aus
der Formulierung der Ausschlusstatbestände in der Vergangenheit geschlossen
werden („begangen haben“, „zuschulden kommen ließen“), denn daraus ergibt
sich nur, dass ein entsprechendes Verhalten vorgelegen haben muss, bevor der
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Ausschlusstatbestand greift (anders aber Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand:
Juni 2010, § 2 Rn. 33). Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung von Marx
(InfAuslR 2005, 218 <225 f.>), auf die die Revision sich beruft. Er begründet seine
Meinung, die nationale Regelung über die Ausschlussgründe könne völkerrecht-
lich unbedenklich nur die Statusentscheidung sperren, nicht aber einen nachträgli-
chen Widerruf rechtfertigen, unter Bezugnahme auf die Background Note des
UNHCR zu den Ausschlussgründen aus dem Jahr 2003 (a.a.O. S. 226 Fn. 52).
Marx zitiert aber nur die Passage, die sich mit einer Aufhebung der Flüchtlingsan-
erkennung ex tunc befasst, während der UNHCR im darauf folgenden Abschnitt
der genannten Background Note (a.a.O. Rn. 17) den Widerruf ex nunc wegen
nachträglicher Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen nach Art. 1 F Buchst. a
und c GFK für gerechtfertigt hält, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind,
und als Beispiel die Beteiligung des Flüchtlings an bewaffneten Aktionen im Auf-
nahmeland nennt.
(3) Für eine solche Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG spricht auch Art. 14
Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG, der bei Erfüllung eines Ausschlusstat-
bestandes die Verpflichtung zur Beendigung, Aberkennung oder Nichtverlänge-
rung der Flüchtlingseigenschaft unabhängig davon begründet, wann die Aus-
schlussgründe entstanden sind („hätte ausgeschlossen werden müssen oder aus-
geschlossen ist“). § 73 AsylVfG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes von
2007 dient der Umsetzung auch dieser EU-Vorschrift und ist daher in Überein-
stimmung mit ihr auszulegen (so im Ergebnis auch Hailbronner, AuslR, Stand:
Aug. 2008, § 73 AsylVfG Rn. 50; Wolff, in: HK-AuslR, § 73 AsylVfG Rn. 23).
(4) Der Kläger genießt entgegen der Ansicht der Revision keinen Vertrauens-
schutz dahin, dass seine Anerkennung als Flüchtling vom März 2000 nicht nach-
träglich den Einschränkungen unterworfen wird, die sich aus der Einführung der
Ausschlussgründe in bundesdeutsches Recht mit Wirkung zum 1. Januar 2002
durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361)
ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erfüllung von Ausschlussgründen
durch den Kläger aus Tatsachen abgeleitet, die im Schwerpunkt im Zeitraum von
2005 bis 2009 verwirklicht wurden. Aus der Zeit vor 2005 ist insoweit nur die
Übernahme des Amtes des Präsidenten der FDLR durch den Kläger Mitte 2001
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von Bedeutung. Es kann offenbleiben, ob ein Ausschluss von der Flüchtlingsei-
genschaft sich nicht auch auf Handeln beziehen darf, das vor der Normierung der
Ausschlussgründe im nationalen Recht verwirklicht wurde. Denn hier beruht der
Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich auf dem Kläger zugerechneten
Verbrechen der FDLR, die nach Einführung der Ausschlussgründe begangen wur-
den. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen. Im
Übrigen fordert auch Unionsrecht die Anwendung der Ausschlussgründe auf vor
Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG ausgesprochene Anerkennungen. Der Ge-
richtshof der Europäischen Union (EuGH) weist in diesem Zusammenhang auf
den zwingenden Charakter des Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie hin, der bei
Vorliegen von Ausschlussgründen eine Aberkennung oder Beendigung der Flücht-
lingseigenschaft auch für schon vorher eingeleitete und abgeschlossene Verfah-
ren verlangt (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09, (B) und Rs.
C-101/09, (D) - NVwZ 2011, 285 Rn. 74).
bb) Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger den Ausschlussgrund des § 3
Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verwirklicht hat. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ist ein Aus-
länder unter anderem dann kein Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonven-
tion, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen
hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind,
um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen.
(1) Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Beurteilung, dass der Ausschlussgrund
des § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG erfüllt ist, den zutreffenden Beweismaßstab zugrun-
de gelegt. Er ist zu der Überzeugung gelangt, dass durch Handlungen der FDLR
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von § 3
Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG begangen wurden und diese dem Kläger als Präsidenten der
FDLR zuzurechnen sind. Für diese Überzeugungsbildung reicht es aus, dass die
Annahme der Begehung entsprechender Verbrechen aus schwerwiegenden
Gründen gerechtfertigt ist. Ein Beweisstandard, wie er etwa im Strafrecht verlangt
wird, ist hierfür nicht erforderlich. Vielmehr ergibt sich aus der Qualifizierung als
„schwerwiegend“, dass die Anhaltspunkte für die Begehung der in § 3 Abs. 2 Nr. 1
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AsylVfG genannten Verbrechen von erheblichem Gewicht sein müssen. Schwer-
wiegend sind die Gründe in der Regel dann, wenn klare und glaubhafte Indizien
für die Begehung derartiger Verbrechen vorliegen (vgl. hierzu die Empfehlung
<2005> 6 des Ministerrats des Europarats vom 23. März 2005 zum Ausschluss
von der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 F Buchst. b GFK; ähnlich Hailbronner,
AuslR, Stand: Dez. 2007, § 3 AsylVfG Rn. 8). Von diesem Beweismaßstab ist das
Berufungsgericht ausgegangen (UA Rn. 29).
(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, welche zum Ausschluss nach § 3
Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG führenden Handlungen die FDLR im Einzelnen nach der
Überzeugung des Gerichts begangen hat. Dazu zählt die Ausplünderung der Be-
völkerung, das Niederbrennen von Dörfern, Erschießungen von Frauen und Kin-
dern, Entführungen, Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen als Mittel
der Kriegsführung sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten. Das Berufungsge-
richt entwickelt seine Überzeugung nicht nur aufgrund einer zusammenfassenden
Würdigung von Lageberichten des Auswärtigen Amtes, sondern bezieht sich auch
auf konkret aufgelistete Fälle im Bericht einer Expertengruppe der Vereinten Nati-
onen vom 23. November 2009, im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH
vom 16. November 2009, in den Berichten von Human Rights Watch vom April
und Dezember 2009 und in der Informationsschrift des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge vom Mai 2009. Die Beweiswürdigung beruht auf einer hinreichend
breiten Tatsachengrundlage.
Der Verwaltungsgerichtshof wertet diese Taten zutreffend als Kriegsverbrechen im
Sinne von Art. 8 und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7
Buchst. a und g des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom
17. Juli 1998 (BGBl 2000 II S. 1394, nachfolgend: IStGH-Statut). Der Senat hat
bereits in seinem Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - (a.a.O.
Rn. 31) entschieden, dass sich die Frage, ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen
gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG vorliegen,
gegenwärtig in erster Linie nach den im IStGH-Statut ausgeformten Tatbeständen
dieser Delikte bestimmt. Denn darin manifestiert sich der aktuelle Stand der völ-
kerstrafrechtlichen Entwicklung bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht.
Dabei durfte der Verwaltungsgerichtshof offenlassen, ob es sich bei den Kämpfen
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im Ostkongo um einen internationalen oder einen nichtinternationalen bewaffneten
Konflikt handelt, weil die festgestellten Morde, Vergewaltigungen, Verstümmelun-
gen, Plünderungen und Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten in beiden Fäl-
len als Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 IStGH-Statut anzusehen sind (Art. 8
Abs. 2 Buchst. a Ziff. I, Buchst. b Ziff. I, II, X, XVI, XXII, Buchst. c Ziff. I, Buchst. e
Ziff. I, V, VI, VII und XI IStGH-Statut, Art. 2 und 3 des Genfer Abkommens zum
Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, BGBl 1954 II,
S. 917). Die Morde und Vergewaltigungen im Rahmen eines ausgedehnten und
systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung stellen gleichzeitig Verbrechen
gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g IStGH-Statut dar
(vgl. auch Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009
S. 16 ff.).
(3) Das Berufungsgericht hat eine Verantwortlichkeit des Klägers für die von der
FDLR begangenen Verbrechen zutreffend aus dessen Stellung als Präsident der
Organisation und dem damit verbundenen Einfluss auf die Handlungen ihrer
Kämpfer abgeleitet. Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen tragen den
Schluss, dass der Kläger als Täter der von der FDLR begangenen Verbrechen
anzusehen ist und nicht nur - wie im Berufungsurteil angenommen - als ein daran
in sonstiger Weise Beteiligter gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG.
Die Verantwortlichkeit des Klägers ergibt sich aus Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut.
Danach ist ein militärischer Befehlshaber unter anderem bereits dann für die von
Truppen unter seiner Führungsgewalt und Kontrolle begangenen Verbrechen ver-
antwortlich, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass in seinem Einfluss-
bereich derartige Verbrechen begangen wurden und er nicht alles in seiner Macht
stehende unternommen hat, um ihre Begehung zu verhindern. Der Verwaltungs-
gerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger Präsident der FDLR ist, maßgeblichen
Einfluss auf die Organisation ausübt und innerhalb der FDLR unumschränkte Be-
fehls- und Verfügungsgewalt besitzt. Ergänzend verweist er auf den Haftbefehl
des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009, der ebenfalls zu die-
sem Ergebnis kommt. Danach ist der Kläger als Präsident der FDLR zugleich ihr
oberster militärischer Befehlshaber (Haftbefehl S. 6 und 14 ff.) und demzufolge
berechtigt, sowohl strategische Einsatzbefehle zu erteilen als auch bestimmte
29
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- 15 -
Kampfhandlungen oder Kampfmethoden zu unterbinden (Haftbefehl S. 15). Er
habe auch faktisch die Befehlsgewalt ausgeübt. Die dem Kläger nachgeordneten,
vor Ort tätigen Kommandanten hätten regelmäßig über Satellitentelefon, E-Mail
oder herkömmliche Fernsprechverbindungen den engen Kontakt zum Kläger ge-
sucht, um dessen Anordnungen entgegenzunehmen oder zumindest sein Einver-
ständnis zu bestimmten Militäraktionen einzuholen (Haftbefehl S. 15 und 23 ff.).
Ausgehend von diesen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2
VwGO) ergibt sich hieraus die Verantwortlichkeit des Klägers für die von der FDLR
begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß
Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut.
Der Kläger handelte nach den Feststellungen im Berufungsurteil auch vorsätzlich.
Für die subjektive Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut
reicht zwar Fahrlässigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof verweist hinsichtlich der
subjektiven Verantwortlichkeit aber auf den Haftbefehl vom 16. November 2009, in
dem der Ermittlungsrichter zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger vorsätzlich
gehandelt hat. Dies wird damit begründet, dass er aufgrund der zahlreichen Be-
richte wie auch der persönlichen Unterrichtung durch die örtlichen Kommandanten
der FDLR Kenntnis von den Straftaten der FDLR-Milizionäre gehabt habe. Er sei
sich darüber im Klaren gewesen, dass die von ihm befehligten Milizionäre in ihrem
Herrschaftsbereich weiterhin Tötungen, Folterungen, Plünderungen und Vertrei-
bungen begehen würden, solange er dies nicht unterbindet. Mit Recht kommt das
Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass distanzierende Presseerklärungen für ein
entsprechendes Unterbinden der Verbrechen nicht ausreichen. Auch die Veranke-
rung des Verbots derartiger Verbrechen im Statut der FDLR, auf die die Revision
sich beruft, reicht nicht aus, wenn der Kläger keine geeigneten Maßnahmen zur
Durchsetzung des Verbots ergreift.
Zu einer Verantwortlichkeit des Klägers kommt man auch, wenn man die Kriterien
des Gerichtshofs der Europäischen Union anlegt, wie er sie in seinem Urteil vom
9. November 2010 für den Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 12
Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG entwickelt hat (a.a.O. Rn. 95 ff.).
Danach kann dem Mitglied einer Organisation ein Teil der Verantwortung für
Handlungen, die von der fraglichen Organisation im Zeitraum seiner Mitgliedschaft
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- 16 -
begangen wurden, zugerechnet werden. Dabei ist insbesondere von Bedeutung,
welche Rolle die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Hand-
lungen tatsächlich gespielt hat, welche Position sie innerhalb dieser Organisation
gehabt hat und welche Kenntnis sie von deren Handlungen hatte oder haben
musste. Hier hatte der Kläger als Präsident und militärischer Oberbefehlshaber
eine hervorgehobene Stellung in der Organisation, die Kriegsverbrechen und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging. Er wusste von den begangenen
Verbrechen und ergriff keine geeigneten Maßnahmen, die Taten zu verhindern.
Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Rüge der Revision, der Verwal-
tungsgerichtshof habe die Verantwortlichkeit des Klägers nur behauptet und nicht
festgestellt, welchen Tatbeitrag er geleistet habe. Das Berufungsurteil stellt viel-
mehr auf die Organisationsherrschaft des Klägers als Präsident und militärischer
Oberbefehlshaber ab, wodurch ihm alle Handlungen der von ihm geleiteten Orga-
nisation zugerechnet werden, sofern er nicht geeignete Schritte zu ihrer Verhinde-
rung ergriffen hat. Der Verweis auf seine Organisationsherrschaft als Präsident ist
mehr als eine lediglich „pauschale Behauptung der Täterschaft“. Auch trifft es nicht
zu, dass - wie die Revision behauptet - die Auswertungen der Kommunikations-
überwachung (TKÜ) und des Laptops des Klägers keine Rolle spielen dürften, weil
diese „selbst am 31. März 2010 weitgehend noch nicht ausgewertet“ gewesen
seien. Der Haftbefehl stützt sich bei seiner Bewertung, dass der Kläger maßgebli-
chen Einfluss auf die FDLR ausgeübt habe, auf die Angaben des Klägers selbst,
auf zahlreiche Berichte von Nichtregierungsorganisationen, auf die Angaben von
drei Zeugen sowie die Erkenntnisse aus der Überwachung der Telekommunikation
des Klägers und der Auswertung seines E-Mail-Verkehrs. Diese Unterlagen sind
detailreich und präzise.
cc) Da die Anerkennung des Klägers als Flüchtling wegen der Verwirklichung des
Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG zu widerrufen war, konn-
te der Senat offenlassen, ob der Kläger - wie vom Berufungsgericht angenom-
men - auch die Voraussetzungen für den Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 AsylVfG erfüllt. Allerdings spricht viel dafür, dass der Kläger den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
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(1) Die für den Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG maßgeblichen Zie-
le und Grundsätze der Vereinten Nationen werden in der Präambel und in den
Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt (vgl. EuGH, Urteil vom
9. November 2010 a.a.O. Rn. 82). In der Präambel wie in Art. 1 der Charta wird
das Ziel formuliert, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren.
Kapitel VII der Charta (Art. 39 bis 51) regelt die zu ergreifenden Maßnahmen bei
Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen. Nach Art. 39 der
Charta obliegt dem Sicherheitsrat die Feststellung, ob eine Bedrohung oder ein
Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt. Nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union ist dem Umstand besondere Bedeutung
beizumessen, dass der Sicherheitsrat, indem er Resolutionen aufgrund von Kapi-
tel VII der Charta beschließt, nach Art. 24 der Charta die Hauptverantwortung
wahrnimmt, die ihm zur weltweiten Wahrung des Friedens und der Sicherheit
übertragen ist. Das schließt die Befugnis des Sicherheitsrats ein zu bestimmen,
was eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt
(EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 3. September 2008 - Rs. C-402/05 P und
Rs. C-415/05 P, Kadi und Al Barakaat - Slg. 2008 Rn. 294).
In der Resolution 1493 (2003) vom 28. Juli 2003 hat der UN-Sicherheitsrat festge-
stellt, dass der bewaffnete Konflikt in der DR Kongo eine Bedrohung des Weltfrie-
dens darstellt, und sein Handeln ausdrücklich auf Kapitel VII der Charta gestützt
(Resolution vor Ziffer 1). Dabei hat er auf das Andauern von Feindseligkeiten im
Osten des Landes Bezug genommen und auf die damit einhergehenden schweren
Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Er verurteilt
entschieden die „systematischen Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen, ein-
schließlich der Massaker, sowie die anderen Gräueltaten und Verletzungen des
humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, insbesondere die sexuellen
Gewalthandlungen gegen Frauen und Mädchen, und betont, dass die Verantwort-
lichen, auch auf Führungsebene vor Gericht gestellt werden müssen“ (Ziffer 8 der
Resolution). Zudem hat der Sicherheitsrat ein Waffenembargo zur Verhinderung
der weiteren Einfuhr von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial in die DR
Kongo verhängt (Ziffer 20 der Resolution). Damit steht fest, dass die bewaffneten
Auseinandersetzungen in der DR Kongo, an denen die FDLR beteiligt ist, eine
Störung des Weltfriedens darstellen, ohne dass die nationalen Gerichte insoweit
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zu einer Überprüfung ermächtigt sind. Aufgrund der Resolution des UN-
Sicherheitsrates steht weiter fest, dass die Störung des Weltfriedens jedenfalls
auch durch die in der Resolution näher bezeichneten Gräueltaten und Verletzun-
gen des humanitären Völkerrechts wie auch die Einfuhr von Waffen in das Kon-
fliktgebiet erfolgt. Diese Störungshandlungen laufen damit den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider.
(2) Einer Verwirklichung des Ausschlussgrundes durch den Kläger würde es aller-
dings entgegenstehen, wenn derartige Zuwiderhandlungen nur von Personen be-
gangen werden könnten, die eine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Verein-
ten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben.
Diese Auffassung wird nicht nur vom UNHCR vertreten, sondern entspricht auch
der früheren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts
(UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flücht-
lingseigenschaft, Genf, September 1979, Nr. 163; Urteil vom 1. Juli 1975
- BVerwG 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 9). Dass der Kläger zu die-
sem Personenkreis zählt, lässt sich den Feststellungen im Berufungsurteil nicht
entnehmen. Denn für die Annahme des Berufungsgerichts, dass er als Präsident
der FDLR einer staatsähnlichen Organisation vorstehe, liegen keine ausreichen-
den, diesen Schluss rechtfertigenden Tatsachenfeststellungen vor.
Aus Sicht des Senats spricht allerdings viel dafür, dass unter bestimmten engen
Voraussetzungen auch nichtstaatliche Akteure den Ausschlussgrund des § 3
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG verwirklichen können. Für Mitglieder terroristischer
Organisationen ergibt sich dies aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 82 ff.). Danach laufen Handlungen des
internationalen Terrorismus „unabhängig von der Beteiligung eines Staates“ den
Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider und führen im Falle indi-
vidueller Verantwortung zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft. Dies hat
der Gerichtshof unter Bezug auf die Resolution 1373 (2001) vom 28. September
2001 begründet, die in Ziffer 5 ausdrücklich „erklärt, dass die Handlungen, Metho-
den und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsät-
zen der Vereinten Nationen stehen“. Für andere Verletzungen des Weltfriedens ist
auf der Grundlage der vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolutionen fest-
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zustellen, ob und worin er eine Verletzung des Weltfriedens sieht, ob ein privater
Akteur maßgeblichen Einfluss darauf hat und ob von ihm eine ähnliche Wirkung
auf die Störung des Weltfriedens ausgeht wie von staatlichen Verantwortungsträ-
gern. Diese Auslegung ermöglicht eine sachgerechte Abgrenzung der Aus-
schlussgründe nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG, denn Nr. 3 erfasst
dann auch das Handeln nichtstaatlicher politischer Verantwortungsträger, die
möglicherweise nicht strafrechtlich nach Nr. 1 zur Verantwortung gezogen werden
können, deren Ausschluss wegen ihres maßgeblichen Einflusses auf die Störung
des Weltfriedens etwa als politische Repräsentanten oder Anführer paramilitäri-
scher Verbände oder Milizen aber zur Wahrung der Integrität des Flüchtlingsstatus
geboten ist.
Auch Gerichte anderer Staaten wenden die Ausschlussklausel des Zuwiderhan-
delns gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (Art. 1 F Buchst. c
GFK) auf Personen an, die keine staatliche Macht ausüben (vgl. etwa Urteil des
britischen Immigration Appeal Tribunal vom 7. Mai 2004, KK
key> [2004] UKIAT 00101 Rn. 20; Supreme Court of Canada in der Sache Push-
panathan v. Canada [1999] INLR 36), ohne dass insoweit aber eine einheitliche
Staatenpraxis besteht. Folgt man der vom Senat hier entwickelten Auslegung, wä-
re an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1975 nicht
mehr festzuhalten, wonach die Ausschlussbestimmung des Art. 1 F Buchst. c GFK
nur Handlungen erfasst, die dem zwischenstaatlichen (internationalen) Frieden
und der zwischenstaatlichen Völkerverständigung zuwiderlaufen (vgl. Urteil vom
1. Juli 1975 a.a.O.).
Geht man von diesen Kriterien aus, so ergibt sich eine solche Verantwortlichkeit
des Klägers nicht schon aus der Tatsache, dass er von den Vereinten Nationen in
eine Liste von Personen aufgenommen wurde, gegen die Beschränkungen zur
Durchsetzung des Waffenembargos ergriffen werden sollen. Durch die Resolution
1596 (2005) vom 18. April 2005 hat der Sicherheitsrat in Ziffern 13 und 15 ein Ein-
reiseverbot und finanzielle Restriktionen gegen Personen beschlossen, die nach
Ziffer 18 Buchst. a der Resolution von einem dafür benannten Ausschuss benannt
und in einer zu aktualisierenden Liste erfasst werden. In diese Liste wurde der
Kläger am 1. November 2005 aufgenommen, wobei seine Erfassung mit seiner
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Stellung als Präsident der FDLR und seiner Beteiligung am Waffenhandel in Ver-
letzung des verhängten Embargos begründet wird. Allerdings genügt die Aufnah-
me in eine derartige Liste allein nicht, um den Ausschlussgrund des Zuwiderhan-
delns gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen anzunehmen; ihr
kommt insoweit (nur) eine erhebliche Indizwirkung zu. Vielmehr bedarf es, wenn
der Betreffende - wie hier - die zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände be-
streitet, entsprechender Feststellungen durch die nationalen Behörden bzw. Ge-
richte. Diese Prüfung hat sich auch auf die individuelle Verantwortung des Klägers
in Bezug auf das Zuwiderhandeln gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Na-
tionen durch Verletzung des Waffenembargos zu beziehen (vgl. Urteil des EuGH
vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82 ff.). Eine solche individuelle Prüfung hat das
Berufungsgericht hier nicht vorgenommen.
Für eine Verantwortlichkeit des Klägers im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
AsylVfG spricht indes folgender Umstand: Aus der Resolution 1493 (2003) des
UN-Sicherheitsrats ergibt sich, dass eine Störung des Weltfriedens vorliegt und
dass sie von den bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten der DR Kongo
ausgeht, an denen nicht nur staatliche Armeeeinheiten sondern auch nichtstaatli-
che Milizen wie die FDLR beteiligt sind, sowie von den systematischen Gewalt-
handlungen gegen Zivilpersonen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
zu deren Verhinderung der Sicherheitsrat „alle Parteien, einschließlich der Regie-
rung der Demokratischen Republik Kongo“ auffordert (Ziffer 8 der Resolution). Das
spricht dafür, dass hier auch nichtstaatlichen Akteuren ein maßgeblicher Einfluss
auf die Störung des Weltfriedens zugeschrieben wird. Nimmt man die Feststellun-
gen des Berufungsgerichts hinzu, dass die FDLR seit Jahren an dem bewaffneten
Konflikt beteiligt ist, ein Territorium im Osten der DR Kongo besetzt hält und sys-
tematisch Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung verübt, so dürfte sie als eine
nichtstaatliche Organisation anzusehen sein, die den Zielen und Grundsätzen der
Vereinten Nationen zuwiderhandelt. Dabei kommt es nicht - wie der Verwaltungs-
gerichtshof meint - darauf an, ob die FDLR ein staatsähnliches Gebilde ist. Ent-
scheidend ist vielmehr, ob die von ihr und ihren Anführern ausgehenden Wirkun-
gen auf die Störungen des Weltfriedens den von staatlichen Machthabern ausge-
henden Wirkungen vergleichbar sind. Für das den Weltfrieden störende Handeln
der FDLR trägt der Kläger als deren Präsident, der nach den Feststellungen des
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Berufungsgerichts maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten seiner Kämpfer hat,
die persönliche Verantwortung (vgl. Urteil des EuGH vom 9. November 2010
a.a.O. Rn. 97 f.).
Auch wenn nach Auffassung des Senats viel dafür spricht, dass der Ausschluss-
grund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in besonderen Fällen auch von nicht-
staatlichen Akteuren wie dem Kläger verwirklicht werden kann, bedurfte es hier
keiner abschließenden Entscheidung dieser Frage, da der Kläger schon nach § 3
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG von der Flüchtlingsstellung ausgeschlossen ist.
b) Mit Recht ist der Verwaltungsgerichtshof ferner davon ausgegangen, dass auch
die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Asylberechtigung des Klä-
gers erfüllt sind. Denn der Widerruf der Asylberechtigung ist geboten, wenn Aus-
schlussgründe nach der Anerkennungsentscheidung verwirklicht werden. Das folgt
aus nationalem Recht wie aus Unionsrecht.
aa) Die Voraussetzungen für den Widerruf einer Asylanerkennung
nationalen Recht aus § 73 Abs. 1 AsylVfG. Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich
auf den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung. Danach ist
die Anerkennung als Asylberechtigter zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen
für sie nicht mehr vorliegen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Wie schon für den Wi-
derruf der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, erfasst die Vorschrift nicht nur das
nachträgliche Entfallen verfolgungsbegründender Umstände, sondern auch die
nachträgliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG
(vgl. oben Rn. 20 ff.). Weiter ergibt sich aus § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG, dass der
Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass sich die Ausschlussgründe nach § 3
Abs. 2 AsylVfG auch auf die Asylanerkennung erstrecken und demnach auch ei-
nen Widerruf der Asylanerkennung rechtfertigen. Der Begriff „Widerruf oder Rück-
nahme“ in dieser Vorschrift bezieht sich ersichtlich auf beide Anerkennungsfor-
men. Außerdem spricht für dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung auch
§ 30 Abs. 4 AsylVfG, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzu-
lehnen ist, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des
§ 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bun-
desregierung zum Richtlinienumsetzungsgesetz ergibt sich, dass durch die in § 30
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Abs. 4 AsylVfG getroffene Regelung eine mögliche Kollision zwischen der Flücht-
lingsanerkennung und der Asylberechtigung vermieden werden soll, indem die
Ausschlussklauseln gleichermaßen bei der Flüchtlingsanerkennung wie auch bei
der Anerkennung als Asylberechtigter anzuwenden sind (BTDrucks 16/5065
S. 214).
Ob diese einfachgesetzliche Regelung in vollem Umfang mit Art. 16a GG verein-
bar ist oder ob die Grenzen des grundrechtlichen Asylanspruchs nach der hierzu
bisher vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anders zu
bestimmen sind als nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu Beschluss
vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 Rn. 36 ff.), kann
hier dahinstehen. Denn jedenfalls wird der Fall des Klägers nicht vom Schutzbe-
reich des verfassungsrechtlich garantierten Asyls erfasst, so dass der Widerruf
seiner Asylberechtigung nicht gegen Art. 16a GG verstößt.
Der Schutzbereich des Art. 16a GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts durch einen „Terrorismusvorbehalt“ begrenzt. Danach liegt es
außerhalb des Asylrechts, wenn für terroristische Aktivitäten nur ein neuer Kampf-
platz gesucht wird, um sie dort fortzusetzen oder zu unterstützen (BVerfG, Be-
schluss vom 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86 - BVerfGE 81, 142 <152 f.>).
Demgemäß kann Asyl nicht beanspruchen, wer im Heimatland unternommene
terroristische Aktivitäten oder deren Unterstützung von der Bundesrepublik
Deutschland aus in den hier möglichen Formen fortzuführen trachtet. Er sucht
nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Diese normative
Begrenzung des Schutzbereichs gilt unabhängig von einer etwaigen Verfolgung
wegen terroristischer Aktivitäten im Heimatstaat. Sie gilt nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts auch für diejenigen, die erstmals von Deutschland
aus im Rahmen exilpolitischer Aktivitäten den politischen Kampf mit terroristischen
Mitteln aufnehmen (Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 23.98 - BVerwGE
109, 12 <16 ff.>; die gegen dieses Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde hat
das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss
vom 26. Oktober 2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).
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Lagen den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen nur Sachverhalte
zugrunde, in denen es um terroristische Aktivitäten von Asylsuchenden ging, so
bedeutet dies keineswegs, dass sich die normative Begrenzung des Schutzbe-
reichs von Art. 16a GG auf eine Betätigung im Bereich des Terrorismus be-
schränkt. Denn Grund für die normative Begrenzung ist, dass eine derartige Betä-
tigung von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr
mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich missbilligt wird (vgl. Urteil vom
30. März 1999 a.a.O. Rn. 17). Die Begehung von Kriegsverbrechen und Verbre-
chen gegen die Menschlichkeit stellt einen vergleichbar schweren Verstoß gegen
die von der Bundesrepublik Deutschland mitgetragene Völkerrechtsordnung dar
wie Akte des Terrorismus. Derartige Handlungen gehören nach dem Römischen
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu den schwersten Verbrechen, die
„die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren“ (Art. 5 IStGH-Statut). Die-
ses Statut wurde von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Verein-
ten Nationen am 17. Juli 1998 verabschiedet und mittlerweile von 139 Staaten
unterzeichnet. In dem Statut wird das Völkerstrafrecht unter Berücksichtigung der
gemeinsamen Überzeugungen der Völkerrechtsgemeinschaft kodifiziert (vgl.
Denkschrift der Bundesregierung zum Ratifikationsgesetz, BRDrucks 716/1999
S. 99). Ausländer, die nach Aufnahme in Deutschland Verbrechen gegen die
Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begehen oder sich an ihnen beteiligen, be-
gehen einen schweren Verstoß gegen die Völkerrechtsordnung und suchen nicht
den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Sie können asylrechtli-
chen Schutz nach Art. 16a GG nicht beanspruchen.
Für eine derartige Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 16a GG spricht im
Übrigen auch Art. 26 GG, wonach Handlungen verfassungswidrig sind, die geeig-
net sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben
der Völker zu stören (vgl. Hobe, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum
Grundgesetz, Art. 26 Rn. 11; I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26
Rn. 18). Durch Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG wird unmittelbar durch die Verfassung ein
Verhalten verboten, das auf die Herbeiführung oder Förderung völkerrechtswidri-
ger Zustände unter Gefährdung des Weltfriedens oder der internationalen Sicher-
heit im Sinne von Art. 39 UN-Charta zielt (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG,
Stand: März 2006, Art. 26 Rn. 13). Auch die Begehung von oder die Beihilfe zu
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völkerrechtlichen Verbrechen - wie sie etwa in Art. 5 ff. und Art. 28 IStGH-Statut
normiert sind - sind geeignet, den Völkerfrieden zu stören, und werden daher vom
Störungsverbot des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst (so I. Pernice, in: Dreier, GG,
Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 15 und 17). So verstanden könnte auch Art. 26
Abs. 1 GG eine verfassungsimmanente Schranke der Asylverheißung des Art. 16a
GG begründen.
Wie bereits im Rahmen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, ist
aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass die vom Kläger
geleitete FDLR Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 IStGH-Statut und Verbre-
chen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g IStGH-Statut
begangen hat und der Kläger hierfür nach Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut als Täter
verantwortlich ist. Die hier noch erforderliche aktuelle Gefahr (oder auch Wieder-
holungsgefahr - vgl. hierzu Urteil vom 30. März 1999 a.a.O. Rn. 22 unter Hinweis
auf Urteil vom 10. Januar 1995 - BVerwG 9 C 276.94 - Buchholz 402.25 § 1
AsylVfG Nr. 175, juris Rn. 23) ist im Fall des Klägers aufgrund der Feststellungen
des Berufungsgerichts gegeben, da er weiterhin Präsident der FDLR ist und diese
- wie im Haftbefehl ausgeführt - auch während des Berufungsverfahrens ihre ein-
schlägigen Aktivitäten fortgesetzt hat. Damit ist der Kläger auch nach Verfas-
sungsrecht von der Anerkennung als Asylberechtigter ausgeschlossen.
bb) Unabhängig davon ist der Widerruf der Asylberechtigung bei der Verwirkli-
chung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG auch
nach Unionsrecht geboten.
Die in § 3 Abs. 2 AsylVfG normierten Ausschlussgründe setzen die für die Flücht-
lingseigenschaft getroffenen Vorgaben in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG
um. Nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie gilt die Verpflichtung zur Aber-
kennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall der nachträglichen Feststellung von
Ausschlussgründen im Sinne von Art. 12 der Richtlinie auch für Personen, die
- wie der Kläger - ihren Antrag auf Gewährung von Flüchtlingsschutz bereits vor
Inkrafttreten der Richtlinie gestellt haben. Sie ist auch für die nach nationalem
Recht gewährte Asylberechtigung zu beachten. Denn Art. 3 der Richtlinie gestattet
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den Mitgliedstaaten günstigere Regelungen zur Frage, wer als Flüchtling gilt, nur
insoweit, als dies mit der Richtlinie zu vereinbaren ist.
Der Senat hat durch Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 -
(a.a.O.) dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob es mit
Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, dass ein Mitgliedstaat nach seinem Verfassungs-
recht einer Person, die gemäß Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie von der Anerkennung
als Flüchtling ausgeschlossen ist, ein Asylrecht zuerkennt. Der Gerichtshof hat die
Frage dahin beantwortet, dass es Art. 3 der Richtlinie zuwiderläuft, dass ein Mit-
gliedstaat Bestimmungen erlässt oder beibehält, die die Rechtsstellung des
Flüchtlings einer Person gewähren, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie
ausgeschlossen ist (Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 115). Die Mitglied-
staaten dürfen zwar Schutz aus anderen Gründen gewähren als denjenigen, auf
denen der internationale Schutz beruht. In Betracht kommt etwa eine Schutzge-
währung aus familiären oder humanitären Gründen (a.a.O. Rn. 118). Diese andere
Form des Schutzes, zu deren Gewährung die Mitgliedstaaten befugt sind, darf
indessen nicht mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie ver-
wechselbar sein (a.a.O. Rn. 119). Nur soweit die nationalen Rechtsvorschriften,
die von der Flüchtlingsanerkennung im Sinne der Richtlinie ausgeschlossenen
Personen ein Asylrecht gewähren, eine klare Unterscheidung des nationalen
Schutzes von dem Schutz gemäß der Richtlinie erlauben, beeinträchtigen sie da-
her das von der Richtlinie geschaffene System nicht (a.a.O. Rn. 120).
Legt man die vom Gerichtshof entwickelten Kriterien an die einfachgesetzliche
Ausgestaltung der Asylberechtigung nach Art. 16a GG an, so handelt es sich um
einen nationalen Schutzstatus, der der Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne
der Richtlinie weitgehend entspricht und damit eine Verwechslungsgefahr im Sin-
ne der Rechtsprechung des Gerichtshofs begründet. Bei der Asylberechtigung
nach Art. 16a GG handelt es sich nicht um einen gegenüber der Flüchtlingsaner-
kennung andersartigen Schutzstatus - gegründet etwa auf familiäre oder humani-
täre Motive. Vielmehr genießt ein Asylberechtigter nach § 2 Abs. 1 AsylVfG im
Bundesgebiet die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flücht-
lingskonvention. Seine Rechtsposition entspricht innerstaatlich auch der unions-
rechtlichen Stellung von Flüchtlingen, wie sie durch die Richtlinie 2004/83/EG
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ausgestaltet ist (vgl. Hailbronner, ZAR 2009, 369 <371 ff.>). Damit liefe es aber
dem Vorbehalt in Art. 3 der Richtlinie zuwider, wenn Deutschland Personen eine
dem Flüchtlingsstatus weitgehend entsprechende Rechtsstellung gewährte oder
erhielte, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen sind. Die
Vorgaben des Unionsrechts verlangen somit, dass die Ausschlussgründe des
Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Asylberechtigte anzuwenden sind und ihre
Anerkennung bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen nach
Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie zu widerrufen ist. Der deutsche Gesetzge-
ber hat dem Rechnung getragen, indem er die Geltung der Ausschlussgründe
auch für Asylberechtigte angeordnet hat (vgl. oben Rn. 44).
Die einfachgesetzliche Erstreckung der Ausschlussklauseln auf Asylberechtigte ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der deutsche Gesetzgeber hier-
durch seiner Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung des Unionsrechts
nachgekommen ist. Die Bindung an zwingende Vorgaben einer Richtlinie nach
Art. 288 AEUV befindet sich in Übereinstimmung mit den in Art. 23 Abs. 1 genann-
ten Rechtsgrundsätzen des Grundgesetzes, solange die Rechtsprechung des Ge-
richtshofs der Europäischen Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte ge-
genüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grund-
gesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen
gleich zu achten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 -
BVerfGE 118, 79 <95 ff.>). Dass dieser unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz
auf unionsrechtlicher Ebene in Bezug auf das Asylrecht generell nicht gewährleis-
tet wäre, kann angesichts des in Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäi-
schen Union verbürgten Rechts auf Asyl und der dem Schutzstandard der Genfer
Flüchtlingskonvention verpflichteten Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG
(vgl. etwa Erwägungsgründe 3 und 17 der Richtlinie) nicht angenommen werden.
Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hat zwar nicht die Nichtigkeit entge-
genstehenden nationalen Rechts zur Folge. Im Anwendungsbereich des Unions-
rechts ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht aber grundsätzlich unan-
wendbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010,
3422). Der Anwendungsvorrang gilt in Deutschland allerdings nur kraft des durch
Zustimmungsgesetz zu den Verträgen erteilten Rechtsanwendungsbefehls. Er
reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt daher nur so weit, wie die Bun-
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desrepublik Deutschland dieser Kollisionsregel zugestimmt hat und zustimmen
durfte (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. - BVerfGE 123, 267
<343>). Innerhalb dieser Grenzen ist das Unionsrecht aber auch bei der Ausle-
gung des Grundgesetzes zu beachten. Dies hat hier zur Folge, dass mit der Um-
setzung der Richtlinie 2004/83/EG das Grundrecht auf Asyl richtlinienkonform
auszulegen ist und die Ausschlussklauseln selbst im Falle einer nicht durch richtli-
nienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dieses Grundrechts behebbaren
Kollision jedenfalls über den Anwendungsvorrang des vom nationalen Gesetzge-
ber umgesetzten Unionsrechts beachtlich sind.
Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 154 Abs. 2
VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegens-
tandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Prof. Dr. Dörig
Richter
Beck
Prof. Dr. Kraft
Fricke
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Sachgebiet:
BVerwGE: ja
Asylrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
AsylVfG
§ 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Satz 2,
§ 30 Abs. 4, § 73 Abs. 1, 2a Satz 4
AuslG 1990
§ 51 Abs. 1
AufenthG
§ 60 Abs. 1 Satz 1
GFK
Art. 1 F, Art. 33 Abs. 2
GG
Art. 16a, 26
IStGH-Statut
Art. 5, 7, 8, 25, 28
VwGO
§§ 94, 139 Abs. 3 Satz 4
Richtlinie 2004/83/EG Art. 3, 12 Abs. 2, Art. 14 Abs. 3
UN Charta
Art. 1, 24, 39
ZPO
§ 557 Abs. 2
Stichworte:
Asyl; Ausschlussgrund; Aussetzung des Verfahrens; Beweismaß; faires Verfah-
ren; Flüchtlingsanerkennung; Kriegsverbrechen; nichtstaatliche Akteure; Terroris-
mus; UN-Resolutionen; Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Völkerstrafrecht;
Vorrang des Unionsrechts; Widerruf; Ziele und Grundsätze der Vereinten Natio-
nen.
Leitsätze:
1. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylbe-
rechtigter sind nach § 73 Abs. 1 AsylVfG zu widerrufen, wenn der Betroffene nach
der Anerkennung Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3
AsylVfG verwirklicht hat.
2. Vom grundrechtlichen Anspruch auf Asyl ist nicht nur derjenige ausgeschlos-
sen, der terroristische Aktivitäten oder deren Unterstützung von der Bundesrepu-
blik Deutschland aus fortführt oder aufnimmt (sog. Terrorismusvorbehalt), sondern
auch derjenige, der von hier aus Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die
Menschlichkeit begeht oder unterstützt.
3. Wegen der Verwechselbarkeit der Rechtsstellung eines Asylberechtigten nach
Art. 16a GG und eines Flüchtlings im Sinne der Richtlinie 2004/83/EG verbieten es
die unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 3 der Richtlinie, eine nach Art. 12 Abs. 2
der Richtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossene Person als
Asylberechtigten anzuerkennen oder diese Anerkennung aufrechtzuerhalten.
Urteil des 10. Senats vom 31. März 2011 - BVerwG 10 C 2.10
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I. VG Ansbach vom 13.12.2006 - Az.: VG AN 9 K 06.30646 -
II. VGH München vom 11.01.2010 - Az.: VGH 9 B 08.30223 -