Urteil des BVerwG vom 08.09.2011

Afghanistan, Bundesamt, Verfassungskonforme Auslegung, Abschiebung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 10 C 18.10
VGH A 11 S 611/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. Juni 2009
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwie-
sen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender
Gefahren.
Der 1977 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur
Volksgruppe der Paschtunen und stammt aus der Provinz Kunar. Er reiste im
Dezember 2004 nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfah-
ren. Im Mai 2007 stellte er einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 14. Mai
2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - die
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Abänderung seiner Fest-
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stellung zum Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60
Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Das Verwaltungsgericht hat das Bundesamt im Okto-
ber 2007 zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger ein Abschie-
bungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt. Im
Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Der Verwaltungsgerichtshof
hat die Berufung im Juni 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im We-
sentlichen ausgeführt: Das grundsätzlich vorrangige - europarechtlich begrün-
dete - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15
Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG sei vorliegend nicht zu prüfen. Zwar sei im
Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts § 60 Abs. 7 Satz 2
AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes bereits in Kraft
gewesen und der Kläger habe die Feststellung von Abschiebungsverboten
„nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG“ beantragt. Das Verwaltungsgericht habe
über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2
AufenthG aber - rechtsirrtümlich - nicht entschieden. Da es keine Anhaltspunkte
dafür gebe, dass das Verwaltungsgericht bewusst nur über einen Teil des
Streitgegenstandes entscheiden wollte, liege kein Teilurteil vor. Das Urteil sei
vielmehr im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlerhaft. Es verstoße
gegen § 88 VwGO, weil es über das europarechtliche Abschiebungsverbot
rechtsirrtümlich nicht vorrangig entschieden habe. Der Kläger habe jedoch kei-
nen Zulassungsantrag gestellt und der Antrag des Bundesamts auf Zulassung
der Berufung sei auf den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils, also
das - nationale - Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG be-
grenzt gewesen; nur insoweit sei die Berufung zugelassen worden. Wegen der
Dispositionsbefugnis der Beteiligten sei der Streitgegenstand des Berufungsver-
fahrens damit hierauf beschränkt. Mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage
durch das Verwaltungsgericht im Übrigen sei die Rechtshängigkeit des unbe-
schieden gebliebenen europarechtlich begründeten Abschiebungsverbots des
§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entfallen.
Dem Kläger sei in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1
und 3 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren. Er gehöre zu der Gruppe
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der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen Staatsangehörigen,
die bei einer Abschiebung nach Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch
Familie oder Bekannte seien und dort weder über Grundbesitz noch über nen-
nenswerte Ersparnisse verfügten. Angehörige dieser Gruppe hätten kaum Aus-
sicht, eine Arbeit zu finden und damit ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern.
Unter diesen Umständen würden dem Kläger ausschließlich Tee und Brot als
Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Angesichts dieser Lebensbedingungen in
Afghanistan, insbesondere der derzeit vorherrschenden katastrophalen Versor-
gungslage, aber auch der medizinischen Versorgung und der Sicherheitslage,
bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger zwangsläufig in einen
fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen
geraten würde. Insbesondere die durch die Mangelernährung erhöhte Infektan-
fälligkeit werde in Verbindung mit dem ebenfalls ernährungsbedingten Eisen-
mangel zu schwerwiegenden Infektionen der Atmungs- und Verdauungsorgane
führen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision beanstandet die Be-
klagte vor allem, dass sich das Berufungsgericht im Hinblick auf die vom Kläger
befürchteten allgemeinen Gefahren auf zu schmaler Tatsachengrundlage über
die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinweggesetzt habe.
II
Die Revision der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Be-
teiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141
Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil ver-
letzt in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der
Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache
nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsge-
richtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst das Verpflichtungsbegehren
des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschut-
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zes. Hierzu zählen in Umsetzung des subsidiären Schutzkonzepts nach Art. 15
und 17 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifika-
tionsrichtlinie - die in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG aufgeführten Ab-
schiebungsverbote. Dieses Begehren ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur
Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union
(BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 Gegen-
stand des gerichtlichen Verfahrens geworden und ist dies - entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts - nach wie vor. Gegenstand des Revisionsver-
fahrens ist ferner das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung ei-
nes (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3
AufenthG einschließlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots in verfas-
sungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG. Nicht
mehr Gegenstand des Verfahrens ist der Folgeantrag des Klägers hinsichtlich
der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, über den das Verwaltungsgericht rechts-
kräftig (negativ) entschieden hat. Eine Abschiebungsandrohung ist ebenfalls
nicht Gegenstand des Verfahrens. Denn das Bundesamt hat hierzu in seinem
angefochtenen Bescheid keine Entscheidung getroffen.
Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es den unionsrechtlichen Ab-
schiebungsschutz nicht geprüft hat (1.). Es verletzt ferner Bundesrecht, weil es
beim nationalen Abschiebungsschutz den Anforderungen an die verfassungs-
konforme Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG
im Falle allgemeiner Gefahren nicht hinreichend Rechnung getragen hat (2.).
Schließlich verletzt es Bundesrecht, weil seine Feststellungen zur Gefahrenpro-
gnose bei verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3
AufenthG einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (3.).
1. Das Berufungsgericht hätte nicht ungeprüft lassen dürfen, ob der Kläger die
Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Ab-
schiebungsverbots erfüllt. Dieser Streitgegenstand ist in allen Übergangsfällen,
in denen das Bundesamt über die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach
§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. entschieden hat und hiergegen Klage erhoben
wurde, mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im August 2007 im
gerichtlichen Verfahren angewachsen. Nach der bisherigen Rechtsprechung
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des Senats gilt dies jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in seinem Ableh-
nungsbescheid über sämtliche zielstaatsbezogenen aufenthaltsrechtlichen Ab-
schiebungsverbote sachlich entschieden und der Kläger die neuen, auf Unions-
recht beruhenden subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtli-
che Verfahren einbezogen hat (vgl. Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C
4.09 - BVerwGE 136, 360 <364 f.> und vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C
10.09 - BVerwGE 137, 226 <228 f.>). An dieser (vorsorglichen) Einschränkung
für ein Anwachsen des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes in
Übergangsfällen hält der Senat nicht fest; vielmehr wächst dieser Streitgegen-
stand kraft Gesetzes und unabhängig vom Verfahrenshandeln der Beteiligten
an. Dies leitet der Senat - in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts zur gesetzlichen Erweiterung des Streitgegenstands der
Asylklage um die Prüfung der Voraussetzungen des flüchtlingsrechtlichen Ab-
schiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (vgl. u.a. Urteil vom 18. Fe-
bruar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 - Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 = DVBl
1992, 843) - aus folgenden verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen
Gründen her:
Verfahrensrechtlich hat der Senat in ständiger Rechtsprechung die dem Asyl-
verfahrensgesetz zugrunde liegende Konzentrations- und Beschleunigungs-
maxime betont, die dafür streitet, möglichst alle Fragen, die sich typischerweise
in einem Asylverfahren stellen, in einem Prozess abschließend zu klären und
nicht weiteren Verfahren vorzubehalten (vgl. etwa Urteil vom 29. Juni 2010
a.a.O.). Denn das Asylverfahren ist auf eine alle Arten des Schutzes vor ziel-
staatsbezogenen Gefahren umfassende Entscheidung angelegt (vgl. Urteile
vom 20. April 1999 - BVerwG 9 C 29.98 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990
Nr. 18 und vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03 - Buchholz a.a.O.
Nr. 82). Würde man im vorliegenden Zusammenhang ein Anwachsen des uni-
onsrechtlichen Abschiebungsschutzes verneinen, könnte und müsste der Klä-
ger dieses Begehren in einem weiteren Verfahren verfolgen, was in aller Regel
mit (zusätzlichen) Verzögerungen verbunden ist.
Materiellrechtlich ist ein Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschut-
zes zunächst im Hinblick auf den nachrangigen nationalen Abschiebungsschutz
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geboten, soweit es die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7
Satz 1 und 3 AufenthG betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats
kann die gesetzlich angeordnete Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG
bei allgemeinen Gefahren nur dann im Wege einer verfassungskonformen Aus-
legung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine
verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Eine Schutzlücke besteht für den Klä-
ger indes nicht, falls er die Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungs-
verbots beanspruchen kann. Dies bedeutet im Verhältnis von unionsrechtlichem
und nationalem Abschiebungsschutz, dass bei allgemeinen Gefahren ein Ab-
schiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskon-
former Anwendung nicht in Betracht kommt, solange die Zuerkennung von sub-
sidiärem unionsrechtlichen Schutz nicht ausgeschlossen ist (vgl. hierzu zuletzt
Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O. m.w.N.). Eine bloße Inzidentprüfung des uni-
onsrechtlichen Abschiebungsschutzes im Rahmen der Entscheidung über die
Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG
in verfassungskonformer Anwendung wäre keine geeignete Alternative, weil
das Ergebnis dieser Prüfung keine Bindungswirkung hätte.
Die gesetzliche Erweiterung des Streitgegenstandes ergibt sich ferner daraus,
dass das Gesetz im Fall der Ablehnung des Schutzantrags in der Regel den
Erlass einer Abschiebungsandrohung vorsieht. Nach § 34 AsylVfG erlässt das
Bundesamt die Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylbe-
rechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird
und er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Die Rechtmäßigkeit dieser Abschie-
bungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbezeichnung gemäß § 59 Abs. 2
AufenthG kann im Gerichtsverfahren aber nur dann bestätigt werden, wenn das
Vorliegen sämtlicher zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote geprüft und
verneint worden ist. Würden im gerichtlichen Verfahren zielstaatsbezogene Ab-
schiebungsverbote - wie die des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes -
zunächst ungeprüft bleiben, müsste auch die Überprüfung der Zielstaatsbe-
zeichnung einem weiteren Verfahren vorbehalten bleiben.
Diese materiellrechtlichen Gründe überlagern in ihrer verfahrensrechtlichen
Konsequenz das allgemeine Verwaltungsprozessrecht und bewirken, dass in
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den Fällen, in denen das Bundesamt vor Inkrafttreten des Richtlinienumset-
zungsgesetzes über das (Nicht-)Vorliegen von nationalen Abschiebungsverbo-
ten entschieden hat und hiergegen Klage erhoben worden ist, in den anhängi-
gen gerichtlichen Verfahren der am 28. August 2007 neu hinzugetretene uni-
onsrechtlich begründete Abschiebungsschutz automatisch anwächst und damit
zwingend zu prüfen ist. Über dieses Prüfprogramm können die Verfahrensbetei-
ligten nicht disponieren und damit in Übergangsfällen das Anwachsen des uni-
onsrechtlichen Abschiebungsschutzes während des gerichtlichen Verfahrens
nicht verhindern. In diesen Fällen bedarf es keiner ausdrücklichen Einbezie-
hung des neuen, auf Unionsrecht beruhenden subsidiären Abschiebungsschut-
zes in das anhängige gerichtliche Verfahren durch einen der Verfahrensbeteilig-
ten (so Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O.). Ist der unionsrechtliche Abschiebungs-
schutz - wie hier - im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren an-
gewachsen, scheidet er allerdings dann aus dem gerichtlichen Verfahren aus,
wenn das Verwaltungsgericht darüber ausdrücklich in der Sache entschieden
hat und der unterlegene Beteiligte hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hat.
Denn dann ist dieser Streitgegenstand durch eine rechtskräftige Entscheidung
abgeschichtet worden. Entsprechendes gilt bei dem Anwachsen des unions-
rechtlichen Abschiebungsschutzes im Berufungsverfahren im Falle einer unan-
gefochten bleibenden und damit rechtskräftigen Sachentscheidung durch das
Berufungsgericht.
Ein Nichtentscheiden oder irrtümliches Übergehen durch das Verwaltungsge-
richt reicht nicht aus, um den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz aus dem
Verfahren ausscheiden zu lassen, und zwar auch dann nicht, wenn einer der
Beteiligten den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz im Verfahren angespro-
chen hatte. Um Missverständnisse zu vermeiden, weist der Senat auf Folgen-
des hin: Falls eine gerichtliche Entscheidung, in der das Anwachsen des uni-
onsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes in Übergangsfällen nicht be-
rücksichtigt worden ist, rechtskräftig geworden ist, ist damit die Rechtshängig-
keit dieses Teils des Streitgegenstandes entfallen (vgl. Urteil vom 22. März
1994 - BVerwG 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269 <274>). Der Betroffene kann
dieses unbeschieden gebliebene Begehren daher beim Bundesamt geltend
machen (Urteil vom 22. März 1994 a.a.O. S. 275).
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Im Entscheidungsfall fehlt es an einer unanfechtbaren Sachentscheidung zum
unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Das Verwaltungsgericht hat die Klage
zwar im Übrigen abgewiesen, diese Teilabweisung aber ersichtlich nicht auf
den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz bezogen. Dass der unionsrechtliche
Abschiebungsschutz während des gerichtlichen Verfahrens angewachsen ist,
hat das Verwaltungsgericht irrtümlich verkannt. Auch das Berufungsgericht geht
von einem rechtsirrtümlichen Nichtentscheiden des Verwaltungsgerichts über
das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG
aus (UA S. 7).
Vorliegend ist der unionsrechtliche Abschiebungsschutz demnach im Verfahren
vor dem Verwaltungsgericht angewachsen und entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Das
Berufungsgericht muss sich daher in dem erneuten Berufungsverfahren mit die-
sem Begehren befassen. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich
insoweit um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegen-
stand, der eigenständig und vorrangig vor den sonstigen zielstaatsbezogenen
ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfen ist (vgl. Urteil vom
24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11). Das Beru-
fungsgericht muss deshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen in den
Blick nehmen, aus denen sich ein Anspruch auf Feststellung eines unionsrecht-
lichen Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan ergeben kann (§ 60
Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG), wobei hier im Hinblick auf die allgemeinen
Gefahren und den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan § 60
Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Vordergrund stehen dürfte.
2. Das Berufungsurteil verletzt auch hinsichtlich des nationalen Abschiebungs-
schutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht wird sich im Falle der Ablehnung
eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots auch mit diesem Begehren
nochmals befassen müssen. Bei dem nationalen Abschiebungsschutz handelt
es sich nach dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes ebenfalls
um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand mit
mehreren Anspruchsgrundlagen (§ 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 einschließlich
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Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung). Eine Ab-
schichtung einzelner nationaler Abschiebungsverbote im Laufe des gerichtli-
chen Verfahrens ist daher ungeachtet des materiellen Nachrangs des Abschie-
bungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3
AufenthG nicht möglich. Soweit der Senat im Urteil vom 29. Juni 2010
- BVerwG 10 C 10.09 - (BVerwGE 137, 226 Rn. 6) davon ausgegangen ist,
dass im dortigen Verfahren nur (noch) § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und nicht
(mehr) § 60 Abs. 5 AufenthG Gegenstand des Verfahrens war, handelt es sich
um eine vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes erklärte Rück-
nahme, die nach der früher maßgeblichen Staffelung der Streitgegenstände des
nationalen Abschiebungsschutzes (vgl. zur früheren Rechtslage Urteil vom
15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260) noch zulässig und
wirksam war.
Das Berufungsgericht ist an der Feststellung eines Abschiebungsschutzes in
verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG ent-
gegen der Auffassung der Beklagten allerdings nicht schon deshalb gehindert,
weil der Schutzsuchende auch bei Vorliegen einer Extremgefahr auf die An-
fechtung einer Abschiebungsandrohung bzw. der darin enthaltenen Zielstaats-
bezeichnung beschränkt wäre. Bei Gewährung von Abschiebungsschutz in ver-
fassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG ersetzt
die gerichtliche Schutzgewähr nicht im Einzelfall eine Anordnung nach § 60a
Abs. 1 AufenthG; die gerichtliche Prüfung bleibt im System der positiven Fest-
stellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots (s.a. § 59 Abs. 3 Satz 3
AufenthG). Über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3
AufenthG hat - wie bei anderen aufenthaltsrechtlichen Abschiebungsverboten
auch - die Ausländerbehörde zu entscheiden.
Das Berufungsurteil ist aber insoweit mit Bundesrecht nicht vereinbar, als es
dem Kläger Abschiebungsschutz nach nationalem Recht in verfassungskonfor-
mer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat,
ohne das Vorliegen des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes
(Abschiebungsverbote u.a. nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) rechtsfehlerfrei
zu prüfen und auszuschließen. Damit hat es sowohl den Vorrang des unions-
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rechtlichen gegenüber dem nationalen Abschiebungsschutz (vgl. Urteil vom
24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11) als auch die in der Rechtsprechung des Senats
entwickelten Voraussetzungen für die verfassungskonforme Anwendung von
§ 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in Fällen einer allgemeinen Gefahr verfehlt.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers
in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine
erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60
Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung
oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausge-
setzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichti-
gen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus
völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Inte-
ressen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von
Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten
Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs
Monate ausgesetzt wird. Eine derartige Abschiebestopp-Anordnung besteht für
die Personengruppe, der der Kläger angehört, nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht (mehr). Mit seinem Hinweis insbesondere auf die unzu-
reichende Versorgungslage in Afghanistan, die für Rückkehrer ohne Berufsaus-
bildung und familiäre Unterstützung bestehe, macht der Kläger allgemeine Ge-
fahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG
die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann, wie ausge-
führt, nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt
werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige
Schutzlücke besteht. Eine Schutzlücke besteht für den Kläger nicht, falls ihm
unionsrechtlicher Abschiebungsschutz zusteht. Das Berufungsgericht hätte sich
daher auch aus diesem Grund mit der Frage des unionsrechtlichen Abschie-
bungsschutzes befassen müssen, ehe es sich mittels verfassungskonformer
Auslegung über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinweg-
setzt.
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3. Schließlich ist die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das
Berufungsgericht auch deshalb mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil seine
Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr
des Klägers nach Afghanistan einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhal-
ten. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass eine unmittelbare
Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheidet, weil der Kläger kei-
ne individuellen, nur ihm drohenden Gefahren, sondern allgemeine Gefahren
geltend macht. Es ist aber bei der verfassungskonformen Anwendung der Vor-
schrift hinter den maßgeblichen rechtlichen Anforderungen zurückgeblieben. So
ist es zwar zutreffend von den rechtlichen Maßstäben ausgegangen, die der
Senat zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage entwickelt hat. Es ist in die-
sem Zusammenhang aber den Anforderungen an die richterliche Überzeu-
gungsbildung nicht gerecht geworden und hat seine Entscheidung auf eine zu
schmale Tatsachengrundlage gestützt.
Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwar-
ten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen
und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungs-
schutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund die-
ser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage
ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung
nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungs-
schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschie-
bungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab
und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die
drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von
einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für
den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise
ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der
Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Ver-
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gleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten
Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher
Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Gren-
ze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzu-
mutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in
der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann
ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehen-
den Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wür-
de“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr reali-
sieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder
schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung,
eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise
auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldi-
gen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. Urteil vom 29. Juni
2010 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat sich ausdrücklich auf diesen hohen Wahrscheinlich-
keitsmaßstab bezogen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des
Senats zitiert. Es spricht davon, dass der Kläger in Afghanistan mangels jegli-
cher Lebensgrundlage unausweichlich dem baldigen sicheren Hungertod aus-
geliefert wäre (UA S. 13). In einer Gesamtgefahrenschau müsse deshalb in sei-
nem Falle eine extreme Gefahrenlage bejaht werden (UA S. 25). Diese rechtli-
che Schlussfolgerung ist durch die getroffenen tatsächlichen Feststellungen und
deren Würdigung jedoch nicht gedeckt. Soweit das Berufungsgericht hierfür an
der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 6. Mai 2008 an-
knüpft, verweist der Senat auf seine dieses Urteil aufhebende Entscheidung
vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - (a.a.O.). Indes tragen auch die wei-
tergehenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, das eine wei-
tere Verschärfung der allgemeinen Lebensbedingungen in Afghanistan konsta-
tiert und dies unter anderem mit der inzwischen landesweit schwierigen Sicher-
heitslage begründet (UA S. 23 f.), die von ihm vorgenommene Gesamtent-
scheidung nicht.
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Dies zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die vom Berufungsgericht festge-
stellte drohende Mangelernährung und die damit verbundenen gesundheitlichen
Risiken. Das Berufungsgericht geht zwar von einer - gegenüber den vom Ober-
verwaltungsgericht Koblenz beschriebenen Gegebenheiten - weiteren Zuspit-
zung der Versorgungslage in Afghanistan aus, bedingt vor allem durch die wei-
ter verschlechterte Sicherheitslage. Das Gericht belegt dies mit der Feststel-
lung, nur noch 37 % der afghanischen Bevölkerung gebe an, sich notwendige
Lebensmittel leisten zu können. Jedenfalls für die Mehrheit der auf dem Land
lebenden Afghanen gebe es keine Ernährungssicherheit. Die Hälfte aller Kinder
bis zum Alter von fünf Jahren gelte als chronisch unterernährt (jeweils UA
S. 21 f.). Diese Feststellungen tragen indes nicht den Schluss des Berufungs-
gerichts, dass in Afghanistan eine derart extreme Gefahr besteht, dass das Le-
ben jedes alleinstehenden jüngeren arbeitsfähigen Mannes - und damit das des
Klägers - aufgrund der mangelhaften Versorgungslage akut gefährdet ist. Dies
zeigt, dass sich das Berufungsgericht bei der Würdigung dieser zentralen Frage
auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt und den erforderlichen hohen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt hat.
Entsprechendes gilt für die durch Mangelernährung ausgelösten gesundheitli-
chen Risiken. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger würde bei
einer Ernährung ausschließlich von Tee und Brot alsbald und unausweichlich in
einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen
Folgen geraten (UA S. 13), ist nicht durch hinreichend detaillierte Tatsachen
belegt. Dies gilt für die Wahrscheinlichkeit des vom Berufungsgericht befürchte-
ten Krankheitsverlaufs im Allgemeinen, aber auch für die zeitliche Perspektive
der lebensbedrohlichen Folgen und die Unausweichlichkeit des prognostizierten
Geschehensablaufs.
Bei der Gesamtprognose ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen sich das
Berufungsgericht davon überzeugt hat, dass sich die jeweils hohe Eintrittswahr-
scheinlichkeit bei den Teilkomplexen zu einer entsprechend hohen Eintritts-
wahrscheinlichkeit insgesamt zusammenfügt. Dies hat der Senat bereits bei der
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz beanstandet. Das Beru-
fungsgericht hat ebenfalls im Wesentlichen einzelne Risiken festgestellt und
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bewertet, sie aber nicht im Rahmen einer umfassenden Gesamtgefahrenpro-
gnose gewürdigt (vgl. hierzu Beschluss vom 25. Februar 2000 - BVerwG 9 B
77.00 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 31). Dies zeigt sich etwa daran,
dass der Zusammenhang zwischen Versorgungslage und Sicherheitslage nicht
hinreichend deutlich wird. Beide Teilkomplexe stehen weitgehend unvermittelt
nebeneinander.
4. Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache ist das Berufungsgericht gehal-
ten, sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungs-
gerichte auseinanderzusetzen (vgl. etwa Urteil des VGH München vom
3. Februar 2011 - 13 a B 10.30394 - juris, das sich seinerseits allerdings auch
nicht mit der Rechtsprechung des Berufungsgerichts auseinandersetzt; vgl. da-
zu auch Urteil des Senats vom 29. Juni 2010 a.a.O. Rn. 22).
Sollte es für die Entscheidung weiterhin entscheidungserheblich auf das Vor-
handensein einer familiären Unterstützung ankommen, wird das Berufungsge-
richt ferner auch den familiären Verhältnissen des Klägers in Afghanistan
nochmals nachzugehen haben. Näher klärungsbedürftig ist insbesondere die
Frage, ob dem Kläger eine Rückkehr in sein Heimatdorf in der Provinz Kunar
tatsächlich nicht zugemutet werden kann (vgl. S. 11 f. des Berufungsurteils).
Prof. Dr. Berlit
Richter
Beck
Prof. Dr. Kraft
Fricke
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