Urteil des BVerwG vom 02.08.2007

Abschiebung, Bundesamt, Politische Verfolgung, Südkorea

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 10 C 13.07 (bisher: 1 C 17.06)
VGH A 8 S 854/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
9. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu der Feststellung zu verpflichten, dass die
Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG in Bezug auf Nordkorea vorliegen.
Der 1962 geborene Kläger, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Volks-
republik Korea (Nordkorea), kam im November 1999 nach Deutschland und
beantragte hier Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge - jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) lehnte
mit Bescheid vom 20. März 2000 den Antrag auf Anerkennung als Asylbe-
rechtigter und als Flüchtling ab, stellte fest, dass Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung „in
sein Herkunftsland“ an. Das Bundesamt hielt die Staatsangehörigkeit des Klä-
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gers für ungeklärt. In der Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, auf-
grund der Zweifel an der vom Kläger angegebenen Staatsangehörigkeit sei in
der Abschiebungsandrohung kein (konkreter) Zielstaat bestimmt worden; von
einer Abschiebung nach Nordkorea sei abzusehen; Nordkorea sei ein totalitärer
Staat, in dem zurzeit Hungersnot herrsche; daher sei es nicht angezeigt, eine
Abschiebungsandrohung in ein solches Land auszusprechen. Die vom Kläger
hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Stuttgart
verwies darauf, dass der Kläger nicht glaubhaft gemacht habe, dass er tatsäch-
lich aus Nordkorea stamme; da das Bundesamt in seinem Ablehnungsbescheid
ausdrücklich von einer Abschiebung nach Nordkorea abgesehen habe, stünden
der Abschiebung des Klägers keine Abschiebungshindernisse gemäß § 53
AuslG entgegen.
Im August 2002 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Das Bundesamt lehnte
es mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 ab, ein weiteres Asylverfahren durch-
zuführen und seinen (ersten) Ablehnungsbescheid vom 20. März 2000 hinsicht-
lich der Feststellung zu § 53 AuslG abzuändern. Von einer erneuten Abschie-
bungsandrohung wurde gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG abgesehen. Auf die
dagegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die
Beklagte zu der Feststellung, dass ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7
AufenthG im Hinblick auf Nordkorea vorliegt. Den Bescheid des Bundesamts
hob das Verwaltungsgericht auf, soweit er dieser Verpflichtung entgegenstand.
Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte
es aus, da der Kläger sich jederzeit freiwillig unter den Schutz der Republik
Korea (Südkorea) begeben könne, sei kein Raum für die Feststellung von Ab-
schiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 und 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Dies
gelte aber nicht für § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, der sich auf die Abschiebung
in einen konkreten Staat beziehe. Die Asylantragstellung des Klägers im westli-
chen Ausland werde in Nordkorea als politische Straftat angesehen und hart
bestraft.
Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des
Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Be-
gründung hat er im Wesentlichen darauf verwiesen, dass das Verwaltungsge-
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richt der Klage nicht hätte stattgeben dürfen, soweit der Kläger die Verpflichtung
der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60
Abs. 7 AufenthG im Hinblick auf Nordkorea begehrt. Denn er besitze als Staats-
angehöriger von Nordkorea nach der völkerrechtlich anerkannten Praxis von
Südkorea zugleich dessen Staatsangehörigkeit, sei dort vor politischer Verfol-
gung sicher, werde in diesem Staat unter zumutbaren Bedingungen aufge-
nommen und könne dort ohne Existenzgefährdung leben. Angesichts des zu-
mutbaren „Schutzangebots“ von Südkorea als dem Land seiner Staatsangehö-
rigkeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Schutz vor einer Abschiebung
nach Nordkorea gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erhält der Kläger seinen Rechts-
standpunkt hinsichtlich § 60 Abs. 7 AufenthG aufrecht. Ohne die Feststellung
eines entsprechenden Abschiebungsverbots drohe ihm im Falle einer bisher
nicht ausgeschlossenen Abschiebung nach Nordkorea eine erhebliche konkrete
Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.
II
Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Betei-
ligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141
Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist nicht begründet. Die Entscheidung
des Berufungsgerichts stellt sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar (§ 137
Abs. 1 Nr. 1 und § 144 Abs. 4 VwGO).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich das Verpflichtungsbe-
gehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG in Bezug auf die Demokratische Volksrepublik Nordkorea. Das Beru-
fungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf eine solche Feststellung
- ohne Prüfung der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens
und ohne Prüfung der Gefahrenlage in Nordkorea - allein mit der Begründung
verneint, dass der Kläger neben der nordkoreanischen auch die südkoreani-
sche Staatsangehörigkeit besitze und deshalb nach Südkorea ausreisen könne,
wo ihm keinerlei Gefahren drohten. Dies ist mit Bundesrecht nicht vereinbar
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(1.). Der Rechtsverstoß führt allerdings nicht zur Aufhebung des Berufungsur-
teils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Denn die Ent-
scheidung erweist sich im Ergebnis als richtig, weil der Kläger unter den beson-
deren Umständen des Falles ausnahmsweise kein schutzwürdiges Interesse
daran hat, diesen Anspruch gerichtlich durchzusetzen (2.).
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung Grundsätze,
die das Bundesverwaltungsgericht zum asylrechtlichen (flüchtlingsrechtlichen)
Abschiebungsschutz entwickelt hat, ohne Weiteres auf den ausländerrechtli-
chen Abschiebungsschutz übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat
mehrfach betont, dass asylrechtlicher Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1
AufenthG und ausländerrechtlicher Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2
bis 7 AufenthG hinsichtlich der Gewährung anderweitigen Schutzes in einem
Drittstaat unterschiedlich zu beurteilen sind, weil beide Schutzformen sowohl
verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich anders ausgestaltet sind.
Über den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG kann
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nur
einheitlich entschieden werden. Dabei sind sämtliche Staaten, deren Staatsan-
gehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staaten-
loser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in die Prüfung einzubeziehen. Nur
wenn diese Staaten keinen Schutz gewähren, kommt nach dem Prinzip der
Subsidiarität des internationalen Schutzes eine Flüchtlingsanerkennung in Be-
tracht. Korrespondierend mit der gesetzlichen Verpflichtung des Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), eine entsprechende Feststellung zu
treffen, hat der Betroffene einen Anspruch auf eine derartige Entscheidung, und
zwar unabhängig davon, ob eine Abschiebung in den behaupteten Verfol-
gerstaat oder in einen anderen Staat beabsichtigt ist (vgl. etwa Urteile vom
8. Februar 2005 - BVerwG 1 C 29.03 - BVerwGE 122, 376 <380 f.> = Buchholz
402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 1 S. 5 f. sowie vom 12. April 2005 - BVerwG
1 C 3.04 - Buchholz a.a.O. Nr. 2; jeweils m.w.N.). Andererseits schließt nament-
lich die Möglichkeit, Schutz im Staat der (zweiten) Staatsangehörigkeit zu fin-
den, einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus.
Ob dies auch für den Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 ff. der
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Richtlinie 2004/83/EG gilt, der die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Her-
kunftsland, d.h. im Staat oder in den Staaten der Staatsangehörigkeit des Be-
troffenen (vgl. Art. 2 Buchst. e und k der Richtlinie) voraussetzt, kann hier
offenbleiben. Denn im vorliegenden Fall ist ein Anspruch auf subsidiären Schutz
nach der Richtlinie nicht im Streit, sondern lediglich der allein nach nationalem
Recht zu beurteilende subsidiäre Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Während über den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nur einheitlich ent-
schieden werden kann, ist über den ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz
nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf die einzelnen in Betracht kom-
menden Abschiebezielstaaten jeweils gesondert und ggf. mit unterschiedlichem
Ergebnis zu entscheiden. Von daher durfte das Berufungsgericht den Kläger
nicht darauf verweisen, dass er die ihm in Nordkorea drohenden Gefahren
durch eine - ihm mögliche und zumutbare - Ausreise nach Südkorea abwenden
könne. Zu Unrecht hat sich das Berufungsgericht für die Übertragung des asyl-
rechtlichen Subsidiaritätsprinzips auf den ausländerrechtlichen Abschiebungs-
schutz auf die Entscheidung des früher für Asylsachen zuständig gewesenen
9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C
38.96 - (BVerwGE 104, 265 = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 7) bezogen. In
dieser Entscheidung wurde lediglich ausgeführt, dass bei der Prüfung von sub-
sidiären Abschiebungsschutz nach dem damals geltenden § 53 AuslG auch
eine etwaige Gefahrenminderung durch eine freiwillige Ausreise in den Zielstaat
(anstelle einer zwangsweisen Abschiebung in eben diesen Staat) in den Blick
zu nehmen sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich der
Entscheidung nicht entnehmen, dass die Gewährung von ausländerrechtlichem
Abschiebungsschutz auch entfällt, wenn eine Abschiebung oder eine freiwillige
Ausreise des Ausländers in einen Drittstaat möglich ist.
Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Nordkorea ist auch nicht deshalb von
vornherein ausgeschlossen, weil das Bundesamt dem Kläger eine Abschiebung
dorthin nicht angedroht hat und darüber hinaus in der Begründung seines Be-
scheides ausgeführt hat, dass diese wegen des totalitären Regimes in Nordko-
rea und der zurzeit dort herrschenden Hungersnot nicht in Betracht komme.
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Grundsätzlich darf sich in einem Asylverfahren weder das Bundesamt noch ein
Gericht der Prüfung entziehen, ob ausländerrechtliche Abschiebungsverbote
nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Dass das Bundesamt regelmäßig
von Amts wegen zu entsprechenden Feststellungen berechtigt und verpflichtet
ist, ergibt sich insbesondere aus § 31 Abs. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG. In § 31
Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 AsylVfG ist im Einzelnen geregelt, in welchen Fällen
ausnahmsweise von der Feststellung abgesehen werden kann. Auch in Fällen,
in denen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit
abschieben zu können, ist das Bundesamt ermächtigt und regelmäßig gehalten,
eine Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen und dem
Asylsuchenden damit die gerichtliche Überprüfung einer derartigen Feststellung
zu eröffnen. Dieser Feststellung kommt nach dem Inkrafttreten des Aufent-
haltsgesetzes am 1. Januar 2005 insofern noch verstärkte Bedeutung zu, als
nach der seitdem geltenden Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG einem
Ausländer - vorbehaltlich der Ausschlussgründe nach Satz 2 - eine Aufent-
haltserlaubnis (aus humanitären Gründen) erteilt werden soll, wenn die
Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5
oder 7 AufenthG vorliegen. Damit ist die Entscheidung des Bundesamts nicht
mehr nur für die Abschiebung des Ausländers, sondern nunmehr auch für sei-
nen aufenthaltsrechtlichen Status von Bedeutung. Entsprechend zielt der An-
spruch des Ausländers nicht mehr nur darauf, die gerichtliche Überprüfung der
Abschiebevoraussetzungen zu eröffnen, sondern zusätzlich darauf, die Ertei-
lung einer Aufenthaltserlaubnis vorzubereiten. Der Gesetzgeber hat allerdings
nicht ausdrücklich geregelt, hinsichtlich welcher Staaten über das Vorliegen von
Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu entscheiden ist. Der
Asylsuchende hat Anspruch auf die Feststellung eines derartigen Abschie-
bungsverbotes jedenfalls hinsichtlich der Staaten, für die das Bundesamt ver-
pflichtet ist, eine solche Feststellung zu treffen, für die es eine ihm nachteilige
Feststellung bereits getroffen hat oder in die abgeschoben zu werden er aus
berechtigtem Anlass sonst befürchten muss (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001
- BVerwG 1 C 11.01 - BVerwGE 115, 267 <271 f.> = Buchholz 402.240 § 53
AuslG Nr. 52; vgl. auch Urteil vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 C 21.02 -
BVerwGE 118, 308 <311 f.> = Buchholz 402.240 § 50 AuslG Nr. 14).
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Im Falle des Klägers durfte das Bundesamt danach nicht von einer Feststellung
über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG hinsichtlich Nordkoreas absehen. Denn nach den nicht mit Verfah-
rensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts steht inzwi-
schen fest, dass der Kläger aus Nordkorea stammt und die nordkoreanische
Staatsangehörigkeit besitzt. Hinsichtlich des Herkunftsstaats des Asylbewer-
bers ist das Bundesamt aber regelmäßig zur Prüfung und Feststellung eines
Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG verpflichtet. Der Gesetzgeber
geht erkennbar davon aus, dass die Feststellung des Bundesamts sich in erster
Linie auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers beziehen soll, im Hinblick auf
den politische Verfolgung geltend gemacht wird und der sich bei Erfolglosigkeit
dieses Begehrens vorrangig als Zielstaat für eine Abschiebung anbietet. Dies
hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach ausgeführt und näher be-
gründet (vgl. etwa Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 1 C 11.01 - a.a.O.).
Jedenfalls dann, wenn das Bundesamt - wie hier - auch keine Feststellung zu
§ 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich eines anderen Staates getroffen hat, verdich-
tet sich die Verpflichtung auf das Herkunftsland. Korrespondierend mit der ge-
setzlichen Verpflichtung des Bundesamtes hat der Asylbewerber einen mate-
riellrechtlichen Anspruch.
2. Der Senat kann allerdings davon absehen, das Verfahren zur Nachholung
der Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 hinsichtlich
Nordkoreas an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil das Berufungsur-
teil sich mit der Abweisung der Klage jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist.
Denn unter den gegebenen Umständen hat der Kläger dennoch ausnahmswei-
se kein schutzwürdiges Interesse daran, seinen Anspruch auf Feststellung ei-
nes Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf
Nordkorea gerichtlich durchzusetzen. Die begehrte Feststellung brächte ihm
nämlich keinerlei Vorteile. Eine Abschiebung nach Nordkorea hat der Kläger
nach den ausdrücklichen Ausführungen des Bundesamts im Ablehnungsbe-
scheid nicht ernsthaft zu befürchten. Sein Vorbringen, eine Abschiebung nach
Nordkorea sei „nicht ausgeschlossen“, entbehrt jeglicher Grundlage. Auch hin-
sichtlich seines aufenthaltsrechtlichen Status würde eine (positive) Feststellung
seine Rechtsstellung nicht verbessern. Zwar würde er damit die (Regel-)Vor-
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aussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären
Gründen nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllen. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2
AufenthG ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis jedoch ausgeschlossen,
wenn dem Ausländer die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumut-
bar ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die der
Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die den Senat deshalb
binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist dem Kläger eine Ausreise nach Südkorea,
dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, ohne Weiteres möglich und
zumutbar. Insofern hätte der Kläger mit der von ihm erstrebten Feststellung
nichts gewonnen. Der Senat betont in diesem Zusammenhang allerdings, dass
das Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf § 25 Abs. 3 AufenthG im Wesentli-
chen nur deshalb zu verneinen ist, weil der Kläger eine doppelte Staatsangehö-
rigkeit besitzt und ihm eine Ausreise in einen Staat seiner Staatsangehörigkeit
möglich und zumutbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Dr. Mallmann Richter Beck
Prof. Dr. Kraft Fricke
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Ausländerrecht
Fachpresse: ja
Asylrecht
Rechtsquellen:
AufenthG
§ 25 Abs. 3, § 60 Abs. 7
AsylVfG
§ 31 Abs. 3
Stichworte:
Abschiebungsschutz; Abschiebungsandrohung; Zielstaatsbestimmung; Fest-
stellung zu ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten; Prüfungspflicht des
Bundesamts; Anspruch des Ausländers auf Prüfung von Abschiebungsverbo-
ten; Grundsatz der Subsidiarität; Rechtsschutzbedürfnis; Aufenthaltserlaubnis
aus humanitären Gründen.
Leitsätze:
1. Die Feststellung eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60
Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftsstaates ist - anders als beim
asylrechtlichen Abschiebungsschutz - nicht dadurch ausgeschlossen, dass der
Asylbewerber Schutz in einem anderen Staat finden kann, dessen Staatsange-
hörigkeit er ebenfalls besitzt; unter Umständen kann dem Kläger in einem der-
artigen Fall aber das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
2. Der Asylbewerber hat regelmäßig einen Anspruch darauf, dass das Bundes-
amt für Migration und Flüchtlinge im Falle der Ablehnung der Asyl- und Flücht-
lingsanerkennung eine Feststellung über das Vorliegen eines Abschiebungs-
verbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich seines Herkunftsstaates
trifft.
Urteil des 10. Senats vom 2. August 2007 - BVerwG 10 C 13.07
(bisher 1 C 17.06)
I. VG Sigmaringen vom 13.06.2005 - Az.: VG A 2 K 12479/02 -
II. VGH Mannheim
vom 09.01.2006 - Az.: VGH A 8 S 854/05 -