Urteil des BVerwG vom 21.03.2007

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Vermögenssteuer, Zweitwohnung, Aufwand

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 BN 4.06
VGH 4 N 04.2798
In der Normenkontrollsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2007
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. h.c. Hien,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofes vom 4. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache
kommt mit den innerhalb der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO
aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn in dem angestreb-
ten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in
ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hi-
nausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl.
§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO (n.F.) Nr. 26 S. 14). Daran
fehlt es hier.
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Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die sinngemäß formu-
lierte Frage,
ob die von der Beklagten erhobene Zweitwohnungssteuer
einer Vermögenssteuer gleichartig ist und damit gegen das
„Gleichartigkeitsverbot“ in Art. 105 Abs. 2a GG verstößt.
Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, denn sie ist
höchstrichterlich geklärt. Das Bundesverfassungsgericht, das Bundesverwal-
tungsgericht und der Bundesfinanzhof haben vielfach entschieden, dass die
Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer i.S.v. Art. 105 Abs. 2a GG eine Steuer
auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Vermö-
gens oder Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird, an-
zusehen ist. (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - BVerfG 2 BvR
1275/79 - BVerfGE 65, 325, 346 f.; BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2004
- BVerwG 10 C 2.04 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 21 S. 29, vom
29. Januar 2003 - BVerwG 9 C 3.02 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer
Nr. 20 S. 23 und vom 26. September 2001 - BVerwG 9 C 1.01 - Buchholz
401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 19 S. 16 = BVerwGE 115, 165 <168>; BFH,
Urteil vom 5. März 1997 - BFH II R 28/95 - BFHE 182, 243 jeweils mit zahlrei-
chen weiteren Nachweisen). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den
persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein
besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln
erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck
bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von der
Inanspruchnahme der Erstwohnung, deren Innehaben keinen besonderen Auf-
wand gemäß Art. 105 Abs. 2a GG darstellt (Urteil vom 29. November 1991
- BVerwG 8 C 107.89 - Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 17), unterscheidet. Er setzt
andererseits keineswegs eine besonders aufwendige oder luxuriöse Ein-
kommensverwendung voraus. Schon damit ist höchstrichterlich entschieden,
dass die Zweitwohnungssteuer einer Vermögenssteuer nicht gleichartig ist un-
beschadet des Umstandes, dass die Vermögenssteuer wegen Verfassungswid-
rigkeit des Gesetzes derzeit nicht erhoben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom
22. Juni 1995 – BVerfG 2 BvL 37/91 - BVerfGE 93, 121). Darüber hinaus haben
das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof aber ausdrücklich eine
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Gleichartigkeit von Zweitwohnungs- und Vermögenssteuer verneint (Beschluss
vom 12. Januar 1989 - BVerwG 8 B 86.88 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungs-
steuer Nr. 4; Beschluss vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 8 B 36.89 - Buchholz
401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 5; BFH a.a.O. S. 247; so auch Bayer, Steuer-
lehre, 1998, Rn. 971; Jachmann in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005
Art. 105 Rn. 66 f.). Mit den beiden Steuern wird auf unterschiedliche Quellen
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zugegriffen. Die Vermögenssteuer knüpft
zwar an Vermögenswerte an; sie zielt jedoch auf die im Vermögen liegende
potentielle Ertragskraft, d.h. auf eine Leistungsfähigkeit, die durch den Vermö-
gensertrag als sog. fundiertem Einkommen begründet wird (vgl. BVerfG, Be-
schluss vom 22. Juni 1995 a.a.O. S. 140; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober
1976 - BVerfG 1 BvR 2328/73 - BVerfGE 43, 1 <7>; gegen die sog. „Fundus-
theorie“ wendet sich Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 4 Rn.
100 ff., weil er die Gefahr sieht, dass sich die Vermögenssteuer als Substanz-
besteuerung erweisen könnte). Dagegen erfasst die Zweitwohnungssteuer die
Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung von Einkommen für einen Aufwand
zum Ausdruck kommt. Steuergegenstand ist bei der Vermögenssteuer die po-
tentielle Ertragskraft des Vermögens, bei der Zweitwohnungssteuer dagegen
das „Innehaben einer Zweitwohnung als Form der Einkommensverwendung“
(BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1989 a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom
6. Dezember 1983 a.a.O. S. 351, 353).
Die Höhe der von der Beklagten erhobenen Zweitwohnungssteuer qualifiziert
diese nicht als Vermögenssteuer. Die Steuerart wird nicht durch die Höhe des
geforderten Steuerbetrages bestimmt, sondern die Parameter, die ihrer Erhe-
bung zugrunde liegen wie Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhe-
bungstechnik, wirtschaftliche Auswirkungen, Quelle der wirtschaftlichen Leis-
tungsfähigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 351;
Urteil vom 7. Mai 1998 – BVerfG 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95 - BVerfGE 98,
106 <125 >). Die in der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten angeführ-
ten Steuerbeträge beruhen auf den genannten Kriterien, die davon ausgehen,
dass bei einer hohen potentiellen jährlichen Miete auch eine hohe Leistungsfä-
higkeit zugrunde zu legen ist mit der Folge entsprechend höherer Steuerbeträ-
ge. Aus dem Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG ergibt sich nicht,
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dass die Zweitwohnungssteuer als Bagatellsteuer mit einer geringfügigen Be-
lastungswirkung erhoben werden muss, wenn der für die Steuerbemessung
gewählte Maßstab den mit dem Innehaben der Zweitwohnung betriebenen Auf-
wand pauschalierend, aber hinreichend realitätsnah abbildet (vgl. Urteil vom
29. Januar 2003 a.a.O. S. 24).
Soweit die Beschwerde die Unvereinbarkeit der Satzung der Beklagten mit
Art. 6 GG behauptet, hat sie die grundsätzliche Bedeutung einer Frage des re-
visiblen Rechts ebenfalls nicht dargetan. Die Beschwerde greift allenfalls auf,
dass die Satzungsregelung und damit nicht revisibles Recht der Auslegung be-
darf, nicht aber, dass gerade die Auslegung und Anwendung von Art. 6 GG klä-
rungsbedürftig ist. In der Beschwerde ist zudem schon nicht dargelegt, inwie-
fern der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Inhalt von Art. 6 GG verkannt
hat. Auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem über die Be-
deutung von Art. 6 Abs. 1 GG in Bezug auf die Erhebung der Zweitwohnungs-
steuer von Ehegatten, die aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung vorhal-
ten müssen, entschieden wurde (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005
- BVerfG 1 BvR 1232/00, 2627/03 - BVerfGE 114, 316 <333>), wird in der an-
gegriffenen Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen (UA S. 15) und die
Satzung entsprechend ausgelegt.
Mit der Behauptung, es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3
GG und den Grundsatz der Steuergerechtigkeit vor, weil nur natürliche Perso-
nen, aber nicht juristische erfasst würden und auf diese Weise bei Gründung
eines Vereins die Steuer völlig umgangen werden könne, formuliert die Be-
schwerde keine Grundsatzrüge, sondern allenfalls ihre eigene Rechtsauffas-
sung.
Schließlich
„machen (die Kläger) hiermit ausdrücklich auch einen Verstoß
gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG geltend.
Die Frage, ob mit der Erhebung der Zweitwohnungssteuer
gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen wird, ist dem Vernehmen
nach bislang verfassungsrechtlich noch nicht ausdrücklich
geklärt worden.“
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Damit ist eine Frage grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
nicht aufgeworfen, sondern vielmehr das allgemeine Problem der Verfas-
sungsmäßigkeit der Zweitwohnungssteuer angesprochen. Nimmt man die wei-
tere Begründung der Beschwerde zu Hilfe, stellt sie zunächst darauf ab, dass
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im Hinblick auf den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und
Steuergleichheit unverständlich sei, dass über zweitau-
send bayerische Einzelgemeinden selbstständig … den
Steuergegenstand, die Steuerpflicht, den Steuermaßstab,
den Steuersatz, die Festsetzung und Fälligkeit sowie den
Inhalt einer Steuererklärung für eine Steuer festsetzen
können, die das Mehrfache der Grundsteuer beträgt.
Des Weiteren macht die Beschwerde geltend,
die Erhebung der Zweitwohnungssteuer verstoße gegen
den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Steu-
ergleichheit und Steuergerechtigkeit, weil unzulässigerwei-
se die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden
solle. Insoweit sei eine unzulässige Auswahl getroffen
worden, weil nur derjenige mit dieser Abgabe belastet
werde, der eine Kapitalanlage in Form einer Zweitwohnung
getroffen habe, nicht aber die Leistungsfähigkeit des-
jenigen, der eine andere Art der Vermögensanlage getrof-
fen habe. Wenn eine Konsumbesteuerung beabsichtigt
sei, so seien steuerrechtlich alle wesentlichen Tatbestände
einzubeziehen. Es könne nicht auf örtlicher Ebene eine
Selektion vorgenommen werden.
Es mag dahinstehen, ob mit diesen Ausführungen eine Grundsatzrüge hinrei-
chend dargelegt worden ist (vgl. Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B
105.92 - Buchholz 310 § 133 VwGO (n.F.) Nr. 11; Beschluss vom 19. August
1997 a.a.O.). Denn die Grundsatzrüge ist verfristet, weil sie nicht innerhalb der
Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO erhoben worden ist. Das angegriffene Ur-
teil ist nämlich am 21. April 2006 zugestellt worden, die angeführten Fragen
werden erstmals im Schriftsatz vom 1. Dezember 2006 aufgeworfen. In der Be-
schwerdebegründung vom 15. Juni 2006 wird hierzu keine Grundsatzfrage ge-
stellt, so dass die obigen Ausführungen auch nicht als bloße Ergänzung, die
außerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfolgen könnte, anzusehen
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ist (vgl. Beschluss vom 20. Juni 1973 - BVerwG 6 CB 10.73 - Buchholz 448.0
§ 34 WPflG Nr. 17; Beschluss vom 14. Januar 1966 - BVerwG 5 B 148.65 -
Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 50; Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietz-
ner, VwGO, Stand: April 2006, § 133 Rn. 28, 31).
Unabhängig davon bedürfte die Frage des Verstoßes gegen den Gleichheits-
grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG aber auch keiner Entscheidung in einem Revi-
sionsverfahren.
Schon aus dem Charakter der Zweitwohnungssteuer und der Ermächtigung, sie
zu erheben - Art. 105 Abs. 2a GG, § 3 Abs. 1 KAG Bayern - folgt, dass sie nur
für das Gemeindegebiet erhoben werden darf. Örtliche Steuern sind nur solche
Abgaben, die an örtliche Gegebenheiten, vor allem an die Belegenheit einer
Sache oder an einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde an-
knüpfen und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das
Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Gefälle
führen können (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 349). Dar-
in liegt ein hinreichender Grund i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG für eine unterschiedliche
Steuererhebung. Daraus folgt auch, dass die Zweitwohnungssteuer ihren Cha-
rakter als örtliche Aufwandsteuer nicht dadurch verliert, dass sie in mehreren
Gemeinden erhoben wird.
Schließlich liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Steuergleichheit nicht
deshalb vor, weil mit einer Zweitwohnungssteuer nicht diejenigen belastet wer-
den, die ihr Vermögen in anderer Weise angelegt haben. Steuern, die auf Kapi-
talanlagen erhoben werden und Zweitwohnungssteuer betreffen unterschiedli-
che Steuerquellen.
Ungeachtet der Versäumung der Frist und der nicht hinreichenden Darlegungen
bedarf auch keiner revisionsgerichtlichen Klärung, ob die Zweitwohnungssteuer
wegen ihrer Höhe in das Eigentum der Zweitwohnungsbesitzer eingreift und
deshalb gegen Art. 14 GG verstößt. Dafür ist nichts ersichtlich (vgl. zur Ver-
einbarkeit steuerlicher Belastungen mit Art. 14 GG BVerfG, Beschluss vom
22. Juni 1995 a.a.O. S. 137 Vermögenssteuer; BVerfG, Beschluss vom
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18. Januar 2006 - BVerfG 2 BvR 2194/99 - BVerfGE 115, 97 <110 ff.> Ein-
kommen- und Gewerbesteuer; BFH, Urteil vom 19. Juli 2006 - BFH II R 81/05 -
BFHE 213, 222 Grundsteuer).
Schließlich kommt es auf die Frage, ob die Zweitwohnungssteuer höher ausfällt
als die Grundsteuer und ob insoweit eine unzulässige Doppelbesteuerung vor-
liegt, ersichtlich nicht an, weil beide Steuerarten unterschiedliche Steuerquellen
betreffen, nach unterschiedlichen Maßstäben erhoben werden und das Men-
genverhältnis der beiden Steuerarten zueinander nicht normiert ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Abs. 1 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1
und 3 GKG.
Dr. h.c. Hien Vallendar Buchberger
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