Urteil des BVerwG vom 05.02.2009

Bewaffneter Konflikt, Afghanistan, Provinz, Gefahr

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 66.08
VGH 8 UE 3056/06.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 12. Juni 2008 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darle-
gungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde hält Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig, die sich im
Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie
2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) stellen.
Sie beziehen sich auf die Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt An-
ordnungen der obersten Landesbehörden eine Sperrwirkung gegenüber der
Gewährung von subsidiärem Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie aus-
zuüben vermögen (Beschwerdebegründung S. 1 und 4 bis 6), welche Voraus-
setzungen insoweit für eine inländische Fluchtalternative - insbesondere im Hin-
blick auf die Gewährung des Existenzminimums - erfüllt sein müssen (Be-
schwerdebegründung S. 2 bis 4) und welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab für
die Feststellung der Gefahr anzulegen ist, die den Schutz nach Art. 15
Buchst. c der Richtlinie begründet (Beschwerdebegründung S. 6 bis 8).
1. Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage zur Sperrwirkung landesbehördlicher
Anordnungen gegenüber der Gewährung von subsidiärem Schutz nach Art. 15
Buchst. c der Richtlinie kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzli-
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cher Bedeutung schon deshalb nicht in Betracht, weil sie inzwischen durch das
Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - (NVwZ 2008, 1241)
geklärt ist. Danach ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG (jetzt in der Fassung der
Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, BGBl I S. 162) richtlinienkonform da-
hin auszulegen, dass er nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen
für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie
2004/83/EG erfüllt sind. Das bedeutet mit anderen Worten, dass § 60 Abs. 7
Satz 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes
nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung entfaltet (Urteil vom
24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 31). Insoweit kann eine Zulassung der Revision auch
nicht unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Divergenz (§ 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO) erfolgen, weil die Beschwerde die Entscheidungserheblichkeit der
aufgeworfenen Frage nicht darlegt (siehe unten zu 2.).
2. Eine Zulassung der Revision kommt hinsichtlich aller aufgeworfenen Fragen
deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde deren Entscheidungserheblich-
keit nicht aufzeigt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 15 Buchst. c
der Richtlinie ist, dass ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Kon-
flikt vorliegt und der Kläger von ihm individuell betroffen ist. Wie der Senat in
seinem Urteil vom 24. Juni 2008 ausgeführt hat, muss der innerstaatliche be-
waffnete Konflikt nicht landesweit bestehen, er kann sich vielmehr auf einen Teil
des Staatsgebiets beschränken (a.a.O. Rn. 25). Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts kann für Afghanistan nicht von einem landesweiten Konflikt
im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausgegangen werden, allenfalls
könne ein solcher für den Süden und Süd-Osten des Landes angenommen
werden, nicht aber für die anderen Provinzen und für die Hauptstadt Kabul (UA
S. 17). Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Kläger aus einer solchen kon-
fliktbelasteten Provinz stammt oder aus anderen Gründen von dem auf den Sü-
den und Süd-Osten Afghanistans begrenzten Konflikt im Sinne von Art. 15
Buchst. c der Richtlinie bei Rückkehr nach Afghanistan betroffen wäre. Der Klä-
ger wendet sich mit seiner Beschwerde auch nicht gegen die Feststellungen
des Berufungsgerichts, dass sich der bewaffnete Konflikt allenfalls auf die ge-
nannten Teilgebiete Afghanistans erstreckt, sondern greift nur die weitere Be-
gründung des Gerichts an, wonach wegen des Vorrangs landesbehördlicher
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Anordnungen subsidiärer Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nur im
Fall einer Extremgefahr zu gewähren sein soll. Damit fehlt es auch an der Dar-
legung, inwiefern sich die Frage der inländischen Fluchtalternative stellen könn-
te.
Mangels Entscheidungserheblichkeit kommt auch die von der Beschwerde be-
antragte Vorlage der aufgeworfenen Fragen zu Art. 15 Buchst. c der Richtlinie
an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht in Betracht.
Weitere rechtsgrundsätzliche Fragen oder Zulassungsgründe macht die Be-
schwerde nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 Satz 1 RVG.
Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig Beck
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