Urteil des BVerwG vom 27.10.2004

Satzung, Gestaltungsspielraum, Kindergarten, Gemeinde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 63.04
OVG 2 LB 71/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Oktober 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberver-
waltungsgerichts vom 18. August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 127,82 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der von der Beschwerde geltend gemachte Zu-
lassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor, weil keine klärungsbe-
dürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen worden ist.
Die Beschwerde hält die Rechtssache für grundsätzlich bedeutsam, weil in einem
Revisionsverfahren die Frage zu klären sei,
"ob im öffentlichen Recht eine Benutzungsgebühr weiterhin zu entrichten ist,
obwohl die fristlose Kündigung durchgreift".
Die Vorinstanz hat diese Frage auf der Grundlage des einschlägigen Landesrechts
bejaht, wobei sie offen gelassen hat, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund
vorlag (UA S. 6). Sie hat nämlich die Rechtsgrundlage für die streitige Gebührener-
hebung in § 6 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein (KAG
S-H) und § 1 der Gebührensatzung der Gemeinde Bovenau für den kommunalen
Kindergarten (GS) gesehen (UA S. 4). An diese Auslegung des Landesrechts wäre
das Revisionsgericht gebunden (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO), so dass die
Beschwerde näher darlegen müsste, woraus sich dennoch die Revisibilität der von
ihr aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben soll (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Beschwerde beruft sich zwar darauf, die Klärung der von ihr aufgeworfenen
Rechtsfrage werde zu einer einheitlichen Auslegung und Anwendung "von Bundes-
recht" beitragen, erläutert dies jedoch nicht. Möglicherweise rekurriert sie damit auf
die von ihr gerügte Verletzung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitsgrundsat-
zes. Allein mit dem Hinweis, das Landesrecht sei von der Vorinstanz unter Verstoß
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gegen Bundesrecht angewandt worden, erlangt die Rechtssache aber noch nicht die
von der Beschwerde angestrebte Revisibilität (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März
1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306). Hinzutreten muss
vielmehr, dass die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits unge-
klärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft. Aus diesem Grunde ist sub-
stantiiert darzulegen, dass der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den bundes-
rechtlichen Normen, deren Verletzung gerügt wird, bisher keine Aussagen zu ent-
nehmen sind, die eine bundesrechtskonforme Auslegung und Anwendung des Lan-
desrechts gewährleisten. Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Anforderungen, die sich aus dem Äquivalenzprinzip im Zusammenspiel mit dem
Gleichheitsgrundsatz ergeben, wenn eine Gebührenerhebung streitig ist, sind in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weitgehend geklärt (vgl. z.B.
BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001 - BVerwG 9 B 50.01 - Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 95). Danach ist anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip als
Ausprägung des (bundes-)verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismä-
ßigkeit verlangt, dass die Gebühr in keinem krassen Missverhältnis zu der mit ihr ab-
gegoltenen Leistung der öffentlichen Hand steht, im Übrigen dem Normgeber aber
bei der Gebührenbemessung einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspiel-
raum belässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - BVerwG 6 C 4.02 - BVerwGE
118, 123 <125 f.> m.w.N.). Hiervon ist die Vorinstanz in Würdigung der besonderen
Umstände, die für den vorliegenden Fall kennzeichnend sind, ersichtlich ausgegan-
gen (UA S. 6).
Die Zulassung der Revision rechtfertigt auch von der Beschwerde aufgeworfene wei-
tere Frage nicht,
"ob eine derartige Satzung mit rückwirkender Kraft geändert werden kann und
die erstmalige Inanspruchnahme des Nichtnutzers begründen kann".
Denn zu der etwaigen (bundes-)verfassungsrechtlichen Problematik der rückwirken-
den Normsetzung macht die Beschwerde keine Ausführungen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 52 Abs. 3, § 72 Nr. 1 GKG n.F.
Hien Vallendar Prof. Dr. Rubel