Urteil des BVerwG vom 06.04.2009

Eugh, Beschwerdefrist, Bedrohung, Gefahr

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 62.08
OVG 6 A 10751/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rhein-
land-Pfalz vom 12. August 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision
nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bun-
des oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem
die Berufungsentscheidung beruhen kann.
Die Beschwerde ist weder wegen der innerhalb der zweimonatigen Frist zur
Begründung der Beschwerde (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) geltend ge-
machten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) noch wegen nach-
träglicher Divergenz (2.) zuzulassen.
1. Die Beschwerde hat ursprünglich als grundsätzlich bedeutsam die Frage
aufgeworfen,
„ob die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG dazu führt,
dass auch unter Beachtung des Art. 15 Buchst. c der Qualifikations-
richtlinie nur im Falle einer extremen Gefahr ein Abschiebungsschutz
nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eingreift.“
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Unabhängig von den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrun-
des, kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) schon deshalb nicht in Betracht, weil die im Be-
schwerdeverfahren aufgeworfene Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Se-
nats geklärt ist (vgl. Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE
131, 198 und - BVerwG 10 C 42.07; 10 C 44.07 und 10 C 45.07 -). Danach ist
die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG richtlinienkonform dahin auszule-
gen, dass sie nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen für die Ge-
währung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG
(Qualifikationsrichtlinie) erfüllt sind. Das bedeutet mit anderen Worten, dass
§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen des
subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung
entfaltet (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 a.a.O. - Rn. 31).
2. Eine Zulassung der Revision kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
(nachträglichen) Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in Betracht. Ein Antrag
auf Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
ist zwar nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in ei-
nen Antrag auf Zulassung der Revision wegen Divergenz umzudeuten, wenn
die aufgeworfene Rechtsfrage in einem nachträglich ergangenen oder - wie
hier - erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist mit Gründen veröffent-
lichten Urteil grundsätzlich geklärt worden ist und die angefochtene Entschei-
dung hiervon abweicht. Auch in diesem Fall kommt eine Zulassung der Revision
aber nur in Betracht, wenn das Berufungsurteil auf der Abweichung beruht. Dies
ist hier nicht der Fall. Denn das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis ge-
kommen, dass der Kläger selbst bei unmittelbarer Anwendung der Richtlinie
2004/83/EG mangels einer ernsthaften individuellen Bedrohung keinen An-
spruch auf subsidiären Schutz hat (vgl. UA S. 12 ff.). Damit ist es - unabhängig
von der Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG - davon ausgegangen, dass
der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der
Richtlinie für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Hinsichtlich die-
ser - die Entscheidung selbständig tragenden - Begründung hat die Beschwer-
de innerhalb der zweimonatigen Beschwerdefrist keinen Zulassungsgrund gel-
tend gemacht, sondern der Einschätzung des Berufungsgerichts nur in tatsäch-
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licher Hinsicht die bestehende Auskunftslage entgegengehalten und sich damit
gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweis-
würdigung gewandt, ohne zu berücksichtigen, dass das Revisionsgericht an die
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die die Beschwerde
keine Verfahrensrügen erhoben hat, gebunden wäre (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).
Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begrün-
dungen gestützt, kann die Revision nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts nur zugelassen werden, wenn bezüglich jeder dieser
Begründungen fristgerecht ein Zulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt. Ist
nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese
Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfah-
rens ändert (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 -
Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 m.w.N.).
Bei dieser Sachlage rechtfertigt auch das weitere Vorbringen nach Ablauf der
Beschwerdebegründungsfrist zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des
Art. 15 Buchst. c der Richtlinie im Hinblick auf die zwischenzeitliche Entschei-
dung des EuGH (Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - juris)
keine andere Beurteilung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig Fricke
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