Urteil des BVerwG vom 13.06.2007

Rechtliches Gehör, Illegale Ausreise, Neubewertung, Bundesamt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 61.07 (bisher: 1 B 290.06)
OVG 16 A 5004/05.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober
2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Ohne Erfolg rügt die Beschwerde (Beschwerdebegründung unter I) eine Verlet-
zung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
und der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), „soweit die im vorliegenden
Verfahren angefochtene Berufungsentscheidung als Beschluss gemäß § 130a
VwGO“ ergangen sei.
Die Beschwerde macht zunächst geltend, das Berufungsgericht habe den Vor-
trag des Klägers zu seinem „Integrationsstand“, mit dem er sich unter anderem
auf Art. 8 EMRK bezogen habe, nicht zur Kenntnis genommen. Insoweit legt die
Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
entsprechenden Weise dar, inwiefern diese angebliche Gehörsverletzung
entscheidungserheblich sein könnte (vgl. den den Beteiligten bekannten
Beschluss vom 6. Juni 2007 - BVerwG 10 B 65.07 - unter 3.). Entsprechendes
gilt, soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht hätte den „In-
tegrationsstand“ des Klägers aufklären und sich in mündlicher Verhandlung ein
eigenes Bild von ihm machen müssen.
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Die Beschwerde rügt eine weitere Gehörsverletzung und einen Aufklärungs-
mangel, die sich aus Folgendem ergäben: Der Kläger habe in dem Verfahren,
das seiner Erstanerkennung zugrunde liege, geltend gemacht, dass er im Ver-
dacht stehe, an der Tötung eines Mitglieds der ehemaligen Baath-Partei mitge-
wirkt zu haben. Das Berufungsgericht nehme eine „überraschende Neubewer-
tung der ursprünglichen Verfolgungsgründe des Klägers“ vor, indem es - im
Gegensatz zu dessen Sachvortrag - ausführe, es sei „durchgreifend unrealis-
tisch“, dass nach ihm ernsthaft gesucht werde. Der Kläger hätte der Beschwer-
de zufolge Gelegenheit zu vertiefender Stellungnahme in der mündlichen Ver-
handlung bekommen müssen.
Damit macht die Beschwerde eine unzulässige Überraschungsentscheidung
geltend, ohne den gerügten Verfahrensfehler in einer den gesetzlichen Anfor-
derungen entsprechenden Weise darzulegen. Unabhängig davon, ob das Beru-
fungsgericht wegen der behaupteten „Neubewertung“ des ursprünglichen Ver-
folgungsvorbringens zu einem Hinweis auf seine Bewertung dieses Vorbringens
nach § 86 Abs. 3 VwGO verpflichtet gewesen wäre, gibt die Beschwerde schon
nicht - wie erforderlich - an, was der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis
vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag zur Klärung des geltend ge-
machten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom
9. März 2007 - BVerwG 1 B 171.06 - juris). Im Übrigen trifft es auch nicht zu,
dass das Berufungsgericht eine „Neubewertung“ der ursprünglichen Verfol-
gungsgründe des Klägers vorgenommen hat. Das Bundesamt für die Anerken-
nung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)
hat sich in der Begründung des Anerkennungsbescheids vom 16. März 2001,
mit dem die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf die illegale
Ausreise des Klägers und auf seine Asylantragstellung bejaht wurden, nicht mit
den in Rede stehenden vom Kläger geltend gemachten Verfolgungsgründen
befasst. Im erstinstanzlichen Urteil über den Widerrufsbescheid werden diese
zwar erwähnt (UA S. 6), das Verwaltungsgericht konnte ihre Bedeutung aber
offenlassen, da das Urteil auf andere Gründen (u.a. fehlende Ermessensent-
scheidung) gestützt ist. Das Berufungsgericht hat mithin im Rahmen der von
der Beschwerde angegriffenen Erwägungen, mit denen es die beachtliche
Wahrscheinlichkeit einer nichtstaatlichen Verfolgung des Klägers im Irak ver-
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neint (BA S. 13), die erwähnten von diesem geltend gemachten Verfolgungs-
gründe nicht neu bewertet und sich im Übrigen - ebenso wie das Bundesamt
und das Verwaltungsgericht - in diesem Zusammenhang auch nicht mit der
Glaubwürdigkeit des Klägers befasst. Darüber hinaus legt die Beschwerde nicht
dar, inwiefern der Kläger unter Zugrundelegung seines in Rede stehenden Vor-
bringens bezogen auf die derzeitigen Verhältnisse im Irak mit nichtstaatlicher
Verfolgung zu rechnen hätte. Schließlich zeigt die Beschwerde auch keine wei-
teren Umstände auf, die die gerügten Verfahrensmängel begründen würden.
Auch die weiteren von der Beschwerde geltend gemachten Rügen bleiben ohne
Erfolg. Insoweit wird auf den erwähnten Beschluss vom 6. Juni 2007 - BVerwG
10 B 65.07 - Bezug genommen.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
Satz 1 RVG.
Dr. Mallmann Richter Beck
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