Urteil des BVerwG vom 18.09.2006

Kausalität, Bedürftigkeit, Rüge, Grundwasser

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 55.06
OVG 13 LB 75/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. September 2006
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und Domgörgen
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 29. Juni 2006 wird zurückgewie-
sen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 12 957,13 € (entspricht 25 341,95 DM)
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte
Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die folgende Frage auf:
„Ist der hier zu beurteilende Sachverhalt, nämlich das
vorübergehende Absenken des Grundwassers in einer
Baugrube für die Zeit der Herstellung der Kellersohle und
des Kellermauerwerks, um sonst ungewollt in die Baugru-
be eindringendes Grundwasser abzuhalten, unter den
Tatbestand zu § 4 Abs. 1 Ziff. 7 NWG zu subsumieren mit
der Folge, dass dann dem Grunde nach eine Gebühren-
pflicht gemäß § 47 Abs. 1 NWG gegeben wäre, oder ist
der hier zu beurteilende Sachverhalt zu subsumieren unter
den Tatbestand des § 4 Abs. 2 Ziff. 1 NWG mit der Folge,
dass dann eine Gebührenpflicht gemäß § 47 Abs. 1 NWG
schon dem Grunde nach nicht gegeben wäre?“
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie betrifft Vorschrif-
ten des Niedersächsischen Wassergesetzes und mithin Normen des irrevisiblen
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Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht
nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision
wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann.
Die aufgeworfene Frage wird auch nicht dadurch zu einer solchen des revi-
siblen Rechts, dass die Beschwerde die Vereinbarkeit der Auslegung dieser
irrevisiblen Normen durch das Oberverwaltungsgericht für „möglicherweise
auch verfassungswidrig“ hält. Denn die Rüge einer Verletzung von Bun-
des(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung ir-
revisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu
rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des
Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern
allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss
vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO
Nr. 7 m.w.N.). Mit dem bloßen Hinweis auf die Unklarheit der maßgeblichen
landesrechtlichen Norm zeigt die Beschwerde jedoch in der von § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO geforderten Weise weder einen bundesrechtlichen Maßstab noch
dessen Klärungsbedürftigkeit auf (vgl. zu den Darlegungsanforderungen Be-
schluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26).
Darüber hinaus will die Beschwerde folgende Frage geklärt wissen:
„Wäre eine Festsetzung der Wasserentnahmegebühr,
wenn diese überhaupt gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 4
Abs. 1 Nr. 7 NWG bei dem hier gegebenen Sachverhalt
zulässig wäre, eventuell verfassungswidrig und würde in-
soweit dann auch das Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 29. Juni 2006 vom Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zu den verbundenen Sachen
2 BvR 413/88 und 2 BvR 1300/93 vom 7. November 1995
abweichen und würde dann das Urteil des Niedersächsi-
schen Oberverwaltungsgerichts auf dieser Abweichung
beruhen?“
Soweit die Beschwerde mit dieser Frage eine Grundsatzrüge erheben will, gilt
das bereits zur ersten Frage Gesagte, denn das Beschwerdevorbringen lässt
auch insoweit weder einen bundesrechtlichen Maßstab noch dessen Klärungs-
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bedürftigkeit erkennen. Wenn die Beschwerde die Entscheidung des Verwal-
tungsgerichtshofs unter dem „Gesichtspunkt der Vorteilsabschöpfung“ und des
„Sondervorteils“ für verfassungsrechtlich bedenklich hält, übersieht sie, dass
der Vorteilsbegriff durch das irrevisible Landesrecht geprägt ist (vgl. etwa Be-
schluss vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 184.98 - NVwZ-RR 1999, 336
m.w.N.).
Soweit die zweite Frage - auch - eine Divergenzrüge enthalten soll, erfüllt sie
nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines
solchen Zulassungsgrundes stellt. Danach ist die Divergenz nur dann hinrei-
chend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die ange-
fochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die
Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des
Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bun-
desverfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Widersprechende Rechtssätze zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf, wenn sie
der Sache nach geltend macht, der vom Verwaltungsgerichtshof zitierte Be-
schluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88
und 1300/93 - (BVerfGE 93, 319) könne wegen einer anderen Fallgestaltung
nicht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Wasserentnahmegebühr im
hier einschlägigen Fall einer vorübergehenden Grundwasserabsenkung be-
gründen. Auch der Hinweis, das angefochtene Urteil stehe hinsichtlich der
Vorteilsabschöpfung, der Kausalität der Grundwasserabsenkung für den ange-
nommenen Vorteil und das Erfordernis einer öffentlichen Leistung nicht im Ein-
klang mit der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, recht-
fertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn das Aufzeigen einer
- vermeintlich - fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen,
die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat,
genügt nicht den genannten Darlegungsanforderungen (Beschluss vom
19. August 1997 a.a.O. m.w.N.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Hien Prof. Dr. Rubel Domgörgen
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