Urteil des BVerwG vom 23.09.2004

Begriff, Aufwand, Überschreitung, Schutzfunktion

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 5.04 (früher 9 B 30.04)
OVG 1 L 153/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t , V a l l e n d a r
und Dr. N o l t e
beschlossen:
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Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes
Sachsen-Anhalt vom 12. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur
Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 3 136,23 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
"ob ein Herstellungsbeitrag nach den Kommunalabgabengesetzen der Län-
der, dessen Höhe lediglich durch das Aufwandsüberschreitungsverbot be-
schränkt ist, aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder ge-
mäß Art. 105 GG überhaupt geschuldet wird",
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. In der Rechtsprechung des Bundesver-
fassungsgerichts ist geklärt, dass sich aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der
bundesstaatlichen Finanzverfassung Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Ab-
gaben nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach ergeben (vgl. BVerfG,
Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 -, BVerfGE 108, 1 <17>). Ob es mit
den insoweit geltenden Vorgaben vereinbar ist, eine Begrenzung der Beitragshöhe
lediglich durch das Verbot einer Überschreitung des Kostenaufwands anzunehmen,
wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärbar, weil die Vorinstanz darauf nicht
entscheidungserheblich abgestellt hat. Im Berufungsurteil kommt an keiner Stelle die
Auffassung zum Ausdruck, Beschränkungen der Beitragshöhe ergäben sich allein
aus dem Verbot, den notwendigen Aufwand zu überschreiten. Dass das Berufungs-
gericht die Höhe des Beitragssatzes nicht noch unter anderen Aspekten erörtert hat,
erklärt sich daraus, dass solche Aspekte weder von den Klägern geltend gemacht
worden waren noch sonst als problematisch erschienen.
- 3 -
Für die weiterhin aufgeworfene Frage, "ob es mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar ist,
grundstücksbezogene Beiträge zu erheben", besteht kein bundesrechtlicher Klä-
rungsbedarf. Die Vereinbarkeit einer Beitragserhebung mit dem Gleichheitssatz rich-
tet sich maßgeblich danach, ob eine sachgerechte Beziehung des Beitrags zu einem
dem Beitragspflichtigen vermittelten Vorteil besteht. Sie hängt damit zwingend von
dem Begriff des Vorteils ab, der durch das irrevisible Landesrecht, hier § 6 KAG-LSA,
bestimmt wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. April 1996 - BVerwG 8 B 31.96 und
BVerwG 8 B 32.96 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 37 S. 5 und vom 13. September
1996 - BVerwG 8 B 186.96 - juris). Die von der Vorinstanz in Anwendung von § 6
Abs. 1 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 KAG-LSA seiner Entscheidung zugrunde gelegte
Auffassung, Grundstückseigentümern werde durch die Möglichkeit des Anschlusses
ihrer Grundstücke an eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage ein
Vorteil zuteil, ist aus Sicht des Bundesrechts - ohne dass es zu dieser Feststellung
eines Revisionsverfahrens bedürfte - nicht zu beanstanden.
Soweit die Kläger schließlich Verstöße gegen das Willkürverbot und das Äquivalenz-
prinzip bei der Auslegung und Anwendung des Merkmals der endgültigen Herstellung
einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage rügen, lässt die Beschwerde schon
die eindeutige Formulierung einer konkreten klärungsbedürftigen Rechtsfrage
vermissen; namentlich bleibt unklar, ob ein Klärungsbedarf bezogen auf die Zuläs-
sigkeit der Ausklammerung von Provisorien aus dem Begriff der endgültig hergestell-
ten Anlage oder bezogen auf das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Begriffs-
verständnis des Provisoriums gesehen wird. Unabhängig davon fehlt ein Klärungs-
bedarf jedenfalls deshalb, weil die Vorinstanz über die Rechtsfrage, wann eine Anla-
ge endgültig hergestellt ist, aufgrund irrevisiblen Landesrechts entschieden hat. Dies
räumen auch die Kläger ein, versuchen aber, die Revisibilität damit zu begründen,
dass das einschlägige Landesrecht von der Vorinstanz unter Verstoß gegen die er-
wähnten bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze angewandt worden sei. Allein
durch die Geltendmachung eines solchen Verstoßes erlangt die Rechtsfrage jedoch
keine Revisibilität. Hinzutreten muss vielmehr, dass die Auslegung der bundesrecht-
lichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung
aufwirft. Aus diesem Grund ist zusätzlich darzulegen, warum der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen Vorschriften, deren Verletzung gerügt
- 4 -
wird, bisher keine Aussagen zu entnehmen sind, die eine bundesrechtskonforme
Auslegung und Anwendung des Landesrechts gewährleisten (BVerwG, Beschluss
vom 5. November 2001 - BVerwG 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217). Dem wird die
Beschwerdebegründung nicht ansatzweise gerecht. Die Ausführungen der Kläger
beschränken sich vielmehr auf die bloße Behauptung, im konkreten Fall sei es will-
kürlich gewesen, eine endgültige Herstellung der Anlage zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG a.F., § 72
Nr. 1 GKG n.F.
Dr. Storost Vallendar Dr. Nolte