Urteil des BVerwG vom 14.11.2006

Erheblicher Grund, Rechtliches Gehör, Vertagung, Verfügung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 48.06
VGH 13 A 03.3231
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2006
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. h.c. Hien
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs (Flurbereinigungsgericht) vom 2. Februar
2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (i.V.m. § 138
Abs. 1 Satz 2 FlurbG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Ein Verfah-
rensmangel, der zur Zulassung der Revision führen könnte, ergibt sich aus dem
Beschwerdevorbringen nicht. Insbesondere der Vorwurf einer Gehörsverletzung
durch die Ablehnung der mit Schriftsätzen vom 31. Januar und 2. Februar 2006
gestellten Vertagungsanträge geht fehl.
Bei Ablehnung eines Antrags auf Vertagung eines Termins, zu dem das Gericht
ordnungsmäßig geladen hat, kommt eine Verletzung des Anspruchs auf Ge-
währung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nur in
Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Vertagung i.S.v. § 227 ZPO
(i.V.m. § 173 VwGO) vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (vgl. Be-
schluss vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - juris Rn. 9 = NJW 2006, 2648).
Ein zwingender Vertagungsgrund ist den zuvor genannten Schriftsätzen nach
Aktenlage nicht zu entnehmen.
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1. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2006 hatte der Prozessbevollmächtigte des
Klägers zunächst unter Hinweis auf verschiedene Eingaben, die zuvor der Klä-
ger persönlich an das Flurbereinigungsgericht gerichtet hatte, mangelnde Ak-
teneinsicht gerügt und deswegen um Vertagung gebeten. Diese Eingaben des
Klägers waren - wie seinem Prozessbevollmächtigten jeweils mitgeteilt worden
war - von dem Flurbereinigungsgericht zu diesem Zeitpunkt bereits beschieden
worden. Die vom Beklagten mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 vorgelegten
und dort im Einzelnen bezeichneten Verwaltungsvorgänge waren auf Wunsch
des Klägers an das Amtsgericht Kitzingen übersandt worden, wo der Kläger sie
eingesehen hatte. Ein vom Kläger daraufhin unter dem 18. Januar 2006 dem
Flurbereinigungsgericht unterbreitetes Gesuch, weitere Verwaltungsvorgänge
beizuziehen und ihm sodann erneut Akteneinsicht zu gewähren, hatte der dor-
tige Berichterstatter mit Verfügung vom 19. Januar 2006 mit dem Hinweis abge-
lehnt, es seien lediglich diejenigen Verwaltungsvorgänge beigezogen worden,
die für die Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen die vorläufige Be-
sitzeinweisung benötigt würden; falls der Kläger noch in weitere Verwaltungs-
vorgänge Einsicht nehmen wolle, werde ihm anheimgestellt, sich direkt mit der
zuständigen Behörde in Verbindung zu setzen. Zugleich wurde dem Kläger mit-
geteilt, die von ihm gewünschten Fotokopien von den Wertermittlungskarten,
die er beim Amtsgericht Kitzingen eingesehen hatte, könnten beim Verwal-
tungsgerichtshof nicht gefertigt werden. Die Beschwerdebegründung geht auf
diesen Sachverhalt nicht ein. Ihr ist - auch unter Berücksichtigung des klägeri-
schen Schriftsatzes vom 22. Januar 2006 - kein Anhaltspunkt dafür zu entneh-
men, dass die Behandlung der Eingaben des Klägers verfahrensfehlerhaft sein
könnte. Dementsprechend vermag der Senat in dieser Hinsicht einen erhebli-
chen Grund für eine Vertagung nicht zu erkennen.
2. Weiter hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seinem Schriftsatz
vom 31. Januar 2006 gerügt, er habe durch die gerichtliche Verfügung vom
25. Januar 2006 Kenntnis davon, dass die Beigeladene eine Besitzstandskarte
nachgereicht habe, in die bislang ebenfalls nicht habe Einsicht genommen wer-
den können. Der damit sinngemäß gestellte Antrag auf Akteneinsicht ist vom
Flurbereinigungsgericht zwar nicht ausdrücklich beschieden worden. Ausweis-
lich eines Telefonvermerks des Vorsitzenden hat dieser dem Prozessbevoll-
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mächtigten am 31. Januar 2006 lediglich die Mitteilung zukommen lassen, dass
der Termin nicht abgesetzt werde. Hieraus kann ein zwingender Vertagungs-
grund aber ebenso wenig hergeleitet werden.
Wegen des im Verwaltungsprozess geltenden Beschleunigungsgebots (vgl.
§ 87b VwGO) konnte es aus der Sicht des Vorsitzenden des Flurbereinigungs-
gerichts zweckmäßig erscheinen, den bereits am übernächsten Tag (2. Februar
2006) anstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung trotz des unerledigten
Antrags auf Akteneinsicht aufrechtzuerhalten; denn der Prozessbevollmächtigte
des Klägers hätte in diesem Termin Gelegenheit gehabt, seinen bislang nicht
beschiedenen Antrag erneut zu stellen, falls er weiterhin Wert darauf gelegt
hätte, Einsicht in die Besitzstandskarte zu nehmen. Es fehlt jeder Anhaltspunkt
dafür, dass ihm dann die Einsichtnahme verwehrt geblieben wäre. Die Be-
schwerde trägt auch nichts dafür vor, dass eine während des Termins durchge-
führte Einsichtnahme dem Prozessbevollmächtigten des Klägers unzumutbar
gewesen wäre. Wenn der Prozessbevollmächtigte trotz ordnungsmäßiger La-
dung, die den Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO enthielt, ohne Angabe von
Hinderungsgründen dem Termin fernblieb (vgl. § 227 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), kann
er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei durch einen Verfahrensfehler des
Gerichts an dieser Einsichtnahme gehindert worden. Es liegt nämlich keine
Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn die Partei es unterlässt, Gebrauch
von den ihr verfahrensrechtlich gebotenen Möglichkeiten zu machen, sich
rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. z.B. Urteil vom 11. November 1970
- BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266>).
3. Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2006 hat der Prozessbevollmächtigte des
Klägers erneut Vertagung beantragt, diesmal mit der Begründung, ihm sei vor-
ab Gelegenheit zu geben, mit dem Kläger Rücksprache zu nehmen, damit er
sich zu dessen Ablehnungsgesuchen vom 1. Februar 2006 - eventuell auch zu
den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter - äußern könne; ihm lie-
ge eine gerichtliche Verfügung vor, sich binnen 30 Minuten zu den Ablehnungs-
gesuchen zu äußern, was er ablehnen müsse, weil ihm insgesamt 45 Seiten
übermittelt worden seien. Die übermittelten Schriftstücke, die unstreitig die bei-
den Ablehnungsgesuche des Klägers - insgesamt drei Seiten - sowie den - vom
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Kläger persönlich zuvor in einem seiner Ablehnungsgesuche erbetenen - Ge-
schäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichtshofs für das Geschäftsjahr 2006
mit 35 Seiten und eine Leerseite umfassten, waren am 2. Februar 2002 gegen
11.10 Uhr per Fax auf Anweisung des nach der Geschäftsverteilung im Flurbe-
reinigungsgericht zur Vertretung berufenen Richters abgesandt worden. Die
dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter sind in der Akte hinter der
richterlichen Verfügung, mit der die Übersendung der „Unterlagen betr. das Ab-
lehnungsgesuch“ angeordnet wurde, zwischen den beiden Ablehnungsgesu-
chen und dem Geschäftsverteilungsplan abgeheftet. Bevor um 14.45 Uhr die
auf 14.30 Uhr terminierte mündliche Verhandlung begann, wurden die Ableh-
nungsgesuche mit Beschluss vom gleichen Tage abgelehnt, der gegen
14.00 Uhr per Fax dem Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelt wur-
de. Dessen Büro wurde gegen 14.10 Uhr telefonisch von der Geschäftsstelle
des Gerichts informiert, dass die mündliche Verhandlung stattfinden werde.
Laut Aktenvermerk der Geschäftsstelle sagte das Büro zu, den zu diesem Zeit-
punkt nicht anwesenden Prozessbevollmächtigten entsprechend zu informieren.
Das Flurbereinigungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung einen Be-
schluss verkündet, dass der Vertagungsantrag abgelehnt werde. Im Termins-
protokoll ist festgehalten, dass der Vorsitzende zur Begründung angeführt hat,
dass über die Ablehnungsgesuche bereits entschieden worden sei; einer weite-
ren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den dienstlichen Äußerungen bedürfe es
daher nicht. Im Übrigen sei ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben worden.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, ihm selbst und auch seinem
Prozessbevollmächtigten sei nicht Gelegenheit gegeben worden, zu den dienst-
lichen Äußerungen der abgelehnten Richter Stellung zu nehmen, was die
dienstlichen Äußerungen unverwertbar mache. Zur Gewährung rechtlichen Ge-
hörs wäre es auch erforderlich gewesen, den Zeitraum für eine Stellungnahme
so zu bemessen, dass diese überhaupt möglich gewesen wäre. Die Beschwer-
de rügt damit nicht, die Besorgnis der Befangenheit der Richter, die an dem
angefochtenen Urteil mitgewirkt haben, sei zu Unrecht verneint worden. Die
Beschwerde greift vielmehr das Verfahren der Beschlussfassung über die Ab-
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lehnungsgesuche des Klägers an und möchte daraus einen Vertagungsgrund
herleiten. Dies kann jedoch keinen Erfolg haben.
Der Vertagungsantrag vom 2. Februar 2006 stellte darauf ab, dass der Prozess
sich infolge der Ablehnungsgesuche in einem Zwischenverfahren befand, des-
sen Abschluss der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht mehr vor dem
bereits um 14.30 Uhr am gleichen Tage anstehenden Verhandlungstermin er-
wartete. Denn die abgelehnten Richter konnten vom Eingang der Ablehnungs-
gesuche an bis zu deren Erledigung nur noch unaufschiebbare Amtshandlun-
gen durchführen (vgl. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 ZPO). Dazu zählte die an-
beraumte mündliche Verhandlung nicht. Der damit geltend gemachte Verta-
gungsgrund war aber noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung entfallen,
nachdem die Befangenheitsanträge abgelehnt worden waren. Der ablehnende
Beschluss war nämlich nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar, und damit war
das Zwischenverfahren, das einen Hinderungsgrund für die mündliche Ver-
handlung abgeben sollte, beendet.
Wenn die Beschwerde geltend macht, der ablehnende Beschluss sei verfah-
rensfehlerhaft ergangen, weil in dem Zwischenverfahren dem Kläger das recht-
liche Gehör versagt worden sei, gibt dies für die mündliche Verhandlung keinen
zwingenden Vertagungsgrund ab. Die Beschwerde hat die von ihr gerügte Ge-
hörsverletzung nämlich nicht schlüssig dargelegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO). Die dem Prozessbevollmächtigten im Zwischenverfahren eingeräumte
Frist zur Stellungnahme war nach Lage der Dinge zwar knapp, aber noch nicht
unangemessen kurz bemessen. Eine zielgerichtete Sichtung der per Fax über-
mittelten Unterlagen wäre - trotz ihres 45 Seiten umfassenden Umfangs - für
einen Rechtsanwalt ohne Schwierigkeiten innerhalb weniger Minuten zu be-
werkstelligen gewesen. Anschließend hätte sich der für eine sachgemäße Stel-
lungnahme erforderliche Lesestoff nur auf einige wenige Seiten beschränkt, und
angesichts des überschaubaren Sachverhalts wäre dann noch immer aus-
reichend Zeit verblieben, eine Stellungnahme abzusetzen und an das Gericht
zu übermitteln. Die Behauptung des Prozessbevollmächtigten, allein die auf-
merksame Lektüre der Unterlagen hätte schon die ihm zugestandenen 30 Mi-
nuten in Anspruch genommen, ist nicht nachvollziehbar. Wenn die Beschwerde
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in diesem Zusammenhang speziell darauf abhebt, eine Gehörsverletzung liege
darin, dass keine Gelegenheit gewährt worden sei, zu den dienstlichen Äuße-
rungen der abgelehnten Richter Stellung zu nehmen, bleibt unklar, ob damit nur
geltend gemacht werden soll, dass die Fristsetzung auch unter diesem Aspekt
zu kurz gewesen sei, oder ob behauptet werden soll, die vom Vertretungsrichter
angeordnete Übermittlung der dienstlichen Äußerungen sei gescheitert. Letzt-
lich kann dies jedoch dahinstehen. Denn der ablehnende Beschluss stützt sich
auf den Akteninhalt und nicht auf Tatsachen, die den dienstlichen Äußerungen
entnommen worden sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 1968
- 2 BvR 599, 677/67 - BVerfGE 24, 56 <62>). Damit geht die Rüge einer Ge-
hörsverletzung selbst dann fehl, wenn die dienstlichen Äußerungen dem Pro-
zessbevollmächtigten des Klägers nicht bereits am 2. Februar 2006 zugegan-
gen sein sollten. Soweit die Beschwerde schließlich darauf abhebt, dem Pro-
zessbevollmächtigten habe Gelegenheit gegeben werden müssen, Rückspra-
che mit dem Kläger zu nehmen, fehlt es an der erforderlichen Darlegung, was
bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen worden wäre und in-
wieweit dieser Vortrag den Ablehnungsgesuchen hätte zum Erfolg verhelfen
können (vgl. z.B. Beschluss vom 13. Januar 2000 - BVerwG 9 B 2.00 - Buch-
holz 310 § 133 VwGO Nr. 53 S. 13).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfest-
setzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. h.c. Hien Vallendar Prof. Dr. Rubel
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