Urteil des BVerwG vom 08.06.2007

Genfer Flüchtlingskonvention, Widerruf, Bundesamt, Irak

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 45.07 (bisher: 1 B 215.06)
OVG 16 A 4596/05.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. August 2006
wird zurückgewiesen
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Die Beschwerde wirft zunächst folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeut-
sam auf:
„Ist bei der Beurteilung, ob im Irak eine grundlegende und
dauerhafte Situationsänderung vorliegt, die Richtlinie
2004/83 EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) anzuwenden?“
Die Beschwerde macht geltend, wann eine entscheidungserhebliche Verände-
rung der politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat angenommen werden kön-
ne, sei in Übereinstimmung mit der so genannten Wegfall-der-Umstände-
Klausel in Art. 1C Nr. 5 GFK zu beurteilen, die nunmehr wörtlich von Art. 11
Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie übernommen worden sei. Es fehle
an höchstrichterlicher Rechtsprechung zu der aufgeworfenen Frage.
Die aufgeworfene Frage rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Re-
vision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sie in erster
Linie auf die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der Verhältnisse im
Irak abzielt und nicht - wie erforderlich - eine Rechtsfrage betrifft. Aber auch
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wenn man auf die rechtlichen Komponenten der aufgeworfenen Frage abstellt,
ist der Beschwerde deren Klärungsbedürftigkeit nicht zu entnehmen. Die Be-
schwerde berücksichtigt nicht, dass die den Widerruf betreffenden Bestimmun-
gen der Qualifikationsrichtlinie über die Aberkennung, Beendigung oder Ableh-
nung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 14 i.V.m. Art. 11) im
vorliegenden Fall noch nicht anwendbar sind. Denn sie gelten gemäß Art. 14
Abs. 1 der Richtlinie nur bei Anträgen auf internationalen Schutz, die - anders
als hier - nach Inkrafttreten der Richtlinie am 20. Oktober 2004 gestellt wurden.
Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, dass sich für den Widerruf der
Flüchtlingseigenschaft aus Art. 14 i.V.m. Art. 11 der Richtlinie, der wörtlich an
die entsprechenden Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention anknüpft,
inhaltlich etwas anderes ergibt als aus § 73 Abs. 1 AsylVfG, der nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls im Sinne von Art. 1C
Nr. 5 und 6 GFK auszulegen und anzuwenden ist (vgl. Urteil vom 20. März
2007 - BVerwG 1 C 21.06 - zur Veröffentlichung in der Entschei-
dungssammlung BVerwGE vorgesehen m.w.N.). Einen weitergehenden Klä-
rungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Beschwerde macht darüber hinaus die grundsätzliche Bedeutung der fol-
genden Frage geltend:
„Ist § 73 Abs. 2a AsylVfG, der am 1. Januar 2005 in Kraft
getreten ist, auf Entscheidungen über Irakwiderrufe an-
wendbar, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind?“
Diese Frage ist durch das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
20. März 2007 geklärt. Danach findet § 73 Abs. 2a AsylVfG auf den nach dem
1. Januar 2005 ausgesprochenen Widerruf einer vor diesem Zeitpunkt unan-
fechtbar gewordenen Anerkennung mit der Maßgabe Anwendung, dass die
darin vorgesehene neue Drei-Jahres-Frist, nach deren Ablauf das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge spätestens erstmals die Widerrufsvoraussetzun-
gen prüfen muss, erst vom 1. Januar 2005 an zu laufen beginnt. Eine Ermes-
sensentscheidung über den Widerruf nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG kommt
auch bei derartigen Alt-Anerkennungen erst in Betracht, wenn das Bundesamt
in einem vorangegangenen Verfahren Widerrufsvoraussetzungen sachlich ge-
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prüft und verneint hat (Negativentscheidung). Einen weitergehenden Klärungs-
bedarf macht die Beschwerde auch insoweit nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
Satz 1 RVG.
Dr. Mallmann
Richter
Beck
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