Urteil des BVerwG vom 27.06.2014

Verfahrensmangel, Erlass, Anforderung, Berufungskläger

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 41.14
OVG 2 LB 453/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 7. April 2014 wird verwor-
fen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO steht den Beteiligten gegen den die Beru-
fung als unzulässig verwerfenden Beschluss das Rechtsmittel zu, das zulässig
wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Das wäre die Be-
schwerde wegen Nichtzulassung der Revision nach § 133 Abs. 1 VwGO.
2. Die Revision kann gemäß § 132 Abs. 2 VwGO aber nur zugelassen werden,
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsent-
scheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundes-
verfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Ver-
fahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsent-
scheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der
Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdegründung die grundsätzliche
Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentschei-
dung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO).
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Die Beschwerde genügt bereits nicht den vorgenannten Anforderungen, weil sie
nicht dartut, ob das Vorbringen der Begründung einer Grundsatz-, Abwei-
chungs- oder Verfahrensrüge dienen soll. Eine Beschwerdebegründung muss
nämlich gewissen Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Klarheit, Verständ-
lichkeit und Überschaubarkeit genügen (vgl. Beschluss vom 23. November
1995 - BVerwG 9 B 362.95 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 20). Dem
genügt das Vorbringen in Bezug auf das vom Berufungsgericht herangezogene
Erfordernis einer gesonderten Berufungsbegründung nach Zulassung der Beru-
fung nicht. Der Hinweis, es „sollte gerichtsbekannt sein, dass im Laufe der Zeit
auch eine bislang ständige Rechtsprechung einer Änderung nach Überprüfung
unterliegen kann, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht“, kann keinem
der Zulassungsgründe aus § 132 Abs. 2 VwGO zugeordnet werden.
3. Die Beschwerde wirft auch in der Sache weder Fragen grundsätzlicher Be-
deutung auf noch enthält sie Hinweise auf eine Verletzung von Verfahrensrecht
durch das Berufungsgericht. Die sinngemäß gestellte Frage, ob die Berufung
noch gesondert begründet werden muss, wenn die Begründung nicht über die
Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung hinausginge, ist in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits in bejahendem Sinne
geklärt. Über den allgemeinen Hinweis, auch eine ständige Rechtsprechung sei
periodisch zu überprüfen, hinaus ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen
nicht, dass die Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren einer erneuten
Prüfung und ggf. einer Korrektur unterzogen werden müsste.
3.1 Gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, der auch in Verfahren nach dem Asyl-
verfahrensgesetz anzuwenden ist (Urteil vom 30. Juni 1998 - BVerwG 9 C
6.98 - BVerwGE 107, 117 = Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 4; s.a. Urteil vom
1. März 2012 - BVerwG 10 C 5.11 - BVerwGE 142, 99 = Buchholz 310 § 127
VwGO Nr. 18), ist die Berufung in den Fällen des Absatzes 5 der Vorschrift, d.h.
der Zulassung des Rechtsmittels auf Antrag durch das Oberverwaltungsgericht,
innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung
der Berufung zu begründen. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon
ausgegangen, dass der Kläger nach Zulassung der Berufung in jedem Fall
einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungsbegründung hätte einreichen müs-
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sen (so bereits Urteil vom 30. Juni 1998 a.a.O. <120 f. bzw. S. 7 f.> und Urteil
vom 4. Oktober 1999 - BVerwG 6 C 31.98 - BVerwGE 109, 336 <338 f.>
= Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 74 S. 3 <4 f.> jeweils zu § 124a Abs. 3 VwGO
i.d.F. des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996, BGBl I S. 1626; Urteil vom
8. März 2004 - BVerwG 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 sowie
Beschlüsse vom 16. Juni 2011 - BVerwG 1 B 11.11 u.a. - juris Rn. 6, vom
19. Oktober 2009 -BVerwG 2 B 51.09 - juris Rn. 3, vom 1. August 2002
- BVerwG 3 B 112.02 - BayVBl 2003, 442, vom 3. Dezember 2002 -BVerwG
1 B 429.02 - NVwZ 2003, 868 und vom 18. September 2013 - BVerwG 4 B
41.13 - jeweils zu § 124a Abs. 6
VwGO i.d.F. des RmBereinVpG vom 20. Dezember 2001, BGBl I S. 3987),
denn diese Anforderung ist unverzichtbar (Beschluss vom 4. Mai 2006
- BVerwG 6 B 77.05 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 31 Rn. 5). In seinem
auch von dem Berufungsgericht herangezogenen Beschluss vom
18. September 2013 (BVerwG 4 B 41.13) hat das Bundesverwaltungsgericht
zur Begründung ausgeführt:
„Das Erfordernis einer fristgebundenen, nach Zulassung
der Berufung einzureichenden Berufungsbegründung ge-
mäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist kein bloßer Forma-
lismus. Es dient in erster Linie der Klarstellung durch den
Berufungsführer, ob, in welchem Umfang und weshalb er
an der Durchführung des Berufungsverfahrens ggf. auch
unter veränderten tatsächlichen Verhältnissen festhalten
will (Beschluss vom 15. Oktober 1999 - BVerwG 9 B
491.99 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 13). Da bei
einem erfolgreichen Zulassungsantrag das Antragsverfah-
ren als Berufungsverfahren fortgesetzt wird und es keiner
Einlegung der Berufung bedarf (§ 124a Abs. 5 Satz 5
VwGO), hat das durch das 6. VwGO-Änderungsgesetz in
den Rang einer Zulässigkeitsvoraussetzung erhobene Er-
fordernis der Berufungsbegründung an Bedeutung ge-
wonnen. Mit dem Berufungsbegründungsschriftsatz do-
kumentiert der Berufungskläger nach Erlass des Zulas-
sungsbeschlusses, dass er an dem Berufungsverfahren
ggf. auch bei nur teilweise zugelassener Berufung noch in-
teressiert ist. Unzumutbares wird ihm damit nicht abver-
langt. Soweit er im Zulassungsantrag bereits erschöpfend
vorgetragen hat, genügt es, wenn er darauf in einem in-
nerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO einge-
henden Schriftsatz Bezug nimmt (Urteile vom 30. Juni
1998 a.a.O. S. 121, vom 8. März 2004 - BVerwG 4 C
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6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 und vom 7. Ja-
nuar 2008 - BVerwG 1 C 27.06 - Buchholz 310 § 124a
VwGO Nr. 36 = NJW 2008, 1014, jeweils Rn. 12; Be-
schlüsse vom 19. Oktober 2009 - BVerwG 2 B 51.09 - juris
Rn. 4 und vom 27. Januar 2005 - BVerwG 4 B 7.05 - juris
Rn. 3) und seine Berufungsanträge formuliert (§ 124a
Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Es wird von
ihm - anders als die Klägerin meint - daher in solchen Fäl-
len gerade nicht verlangt, eine völlig gleichlautende Beru-
fungsbegründungsschrift (nochmals) einzureichen.
Die Notwendigkeit eines gesonderten fristgebundenen
Schriftsatzes nach Erlass des Zulassungsbeschlusses
dient (auch) der Verwirklichung des Beschleunigungsge-
dankens, denn es entlastet das Berufungsgericht beim
Ausbleiben der Berufungsbegründung von der häufig auf-
wendigen Sichtung und Prüfung, ob schon die Begrün-
dung des Zulassungsantrags die erforderlichen Elemente
einer Berufungsbegründung enthält. Andernfalls träten an
die Stelle klarer prozessualer Kriterien Elemente werten-
der Würdigung (Urteil vom 7. Januar 2008 a.a.O.).“
Mit den Gründen dieser Entscheidung, die die gefestigte Rechtsprechung in
jüngerer Zeit nochmals ausdrücklich bestätigt hat, setzt sich das Beschwerde-
vorbringen nicht einmal ansatzweise auseinander. Das Beschwerdevorbringen,
es hätte hier zur Begründung der Berufung lediglich auf die Begründung des
Antrages auf Zulassung der Berufung verwiesen werden müssen, um den ge-
setzlichen Anforderungen an eine hinreichende Berufungsbegründung zu ent-
sprechen, ist der Sache nach in der bisherigen Rechtsprechung berücksichtigt
und stets als nicht durchgreifend erachtet worden.
3.2 Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass dem Oberverwaltungsgericht da-
durch, dass es die Berufung der Klägerin infolge fehlender Begründung als un-
zulässig verworfen hat, kein Verfahrensfehler unterlaufen ist.
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten
werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich
aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen
nicht vor.
Prof. Dr. Berlit
Fricke
Dr. Maidowski
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